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Kultur

Selbstbestimmung in der Nische

Claus Lösers Dokumentarfilm »Behauptung des Raums« zeigt das alternative Kunstschaffen der DDR

  Selbstbestimmung in der Nische | Claus Lösers Dokumentarfilm »Behauptung des Raums« zeigt das alternative Kunstschaffen der DDR

Künstler in der DDR hatten zwei Optionen: Entweder sie passten sich an, oder sie bewahrten sich Individualität und Eigenart und kamen dafür in den Ruch von als dekadent gebrandmarkter Unkultur. Konformität und Angepasstheit wurden oft genug mit einem sicheren Einkommen belohnt, Individualität als Aufbegehren gegen die Staatsmacht ausgelegt.

Künstler in der DDR hatten zwei Optionen: Entweder sie passten sich an, oder sie bewahrten sich Individualität und Eigenart und kamen dafür in den Ruch von als dekadent gebrandmarkter Unkultur. Konformität und Angepasstheit wurden oft genug mit einem sicheren Einkommen belohnt, Individualität als Aufbegehren gegen die Staatsmacht ausgelegt.

Künstlerische Freiheit fand in der DDR außerhalb der staatlich kontrollierten Repräsentationszonen statt, dort, wo Künstler sich selbst ihre Nischen schufen. »Einen schmalen Raum in der schon engen DDR« nennt der Galerist Jürgen Schweinebraden im Film »Behauptung des Raums« von Claus Löser und Jakobine Motz diese Habitate. Zu sehen ist der Film ab Mitte des Monats in der Cinémathèque in der naTo.

Löser und Motz begaben sich für ihre Dokumentation auf die Spuren der unabhängigen Künstlerszenen in Leipzig und Dresden. Die, so heißt es im Film, errichteten die Lebensräume für ihre »Kunst aus der proletarischen, tatsächlichen Situation der DDR heraus« gegen Zensur, die Angst vor Ausweisung aus dem Land und die Stasi-Spitzel in ihrer Mitte.

So auch Judy Lybke, heute Leipzigs Alpha-Galerist und 1983 Mitgründer der Galerie Eigen + Art in Leipzig. Der Name seiner Unternehmung ist heute ein marketingträchtiges Etikett, damals war er Programm und bezeichnend für das Schaffen der noch nicht bis wenig etablierten jungen, wilden Existenzialisten. Die unterwarfen sich nicht der angepassten Staatskunst, der »Sklavensprache und Uneigentlichkeit der DDR«, von der Jürgen Schweinebraden im Film spricht, sondern proklamierten über ihre Bilder die Authentizität der Person und entwarfen Räume voller Eigenart.

Folgt man dem Kunsthistoriker Christoph Tannert – auch er kommt im Film zu Wort – waren die Künstler in den späten Achtzigern nicht von der Hoffnung, Kunst zu verkaufen, sondern von ihrem Wunsch nach Individualität getrieben, vom Verlangen, die symbiotische Beziehung zwischen Künstler und Werk dem allgegenwärtigen Duckmäusertum entgegenzusetzen. »Es geht nicht darum, den Marktwert von Kunst zu bestimmen, sondern menschliche Schicksale aufzuzeigen, die Symbiose zwischen dem Künstler und seiner Kunst«, lässt der Film Tannert zu Wort kommen.

Lösers und Motz´ Dokumentation fängt die unwiederbringliche Stimmung jener Zeit anhand vieler Archivvideos und Interviews mit Malern, Galeristen und Künstlern ein – darunter Jörg Herold, Carsten Nicolai und Judy Lybke. Und der Film zeigt auch, wie sie heute arbeiten: mit dem gleichen Enthusiasmus, aber mehr Freiheiten. So gerät der Film auch zum Loblied auf die Selbstbestimmung.


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