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Wer sich wie ein Esel gebärdet, zu dem darf ich auch »Maul halten« sagen

Zu Leserbriefen von Dr. Thomas Nitschke, Frank Thiel und R. Klose

  Wer sich wie ein Esel gebärdet, zu dem darf ich auch »Maul halten« sagen | Zu Leserbriefen von Dr. Thomas Nitschke, Frank Thiel und R. Klose

An dieser Stelle beantworten kreuzer-Redakteure ausgewählte Leserbriefe. Dieses Mal reagiert Lutz Stordel auf zwei Leserbriefe zu seiner in der Januarausgabe erschienenen Kolumne »Kunstbanausen«, in der dieser den Vergleich von Michael Faber mit Joseph Goebbels zu vermeiden suchte.

An dieser Stelle beantworten kreuzer-Redakteure ausgewählte Leserbriefe. Dieses Mal reagiert Lutz Stordel auf zwei Leserbriefe zu seiner in der Januarausgabe erschienenen Kolumne »Kunstbanausen«, in der dieser den Vergleich von Michael Faber mit Joseph Goebbels zu vermeiden suchte.


Sehr geehrte Kreuzer-Redaktion,

Der von Herrn Stordel in der Januarausgabe beschriebene Vergleich von Joseph Goebbels mit Herrn Faber st- bzw. hinkt gewaltig. Nicht etwa, weil Goebbels im Gegensatz zu Herrn Faber tatsächlich hinkte, sondern erstens weil der Reichspropagandaminister der Nazis während seiner Theaterbesuche, insbesondere vor seinem Machtantritt, öfters von durchaus gewaltbereiten Schlägertrupps begleitet wurde ..., ich weiß, dass man dies Herrn Faber sowohl vor seinem Amtsantritt als auch jetzt nun wirklich nicht vorwerfen kann.

Zweitens betonte Herr Faber mehrmals auch in der Öffentlichkeit seine parteiliche Unabhängigkeit, auch dies sah bei Goebbels, so wie ich weiß, anders aus. Zudem: Die öffentlich abgedruckte Aufforderung von Herrn Stordel an Herrn Faber, dass dieser »sein Maul zu halten« habe, offenbart nicht nur fast schon goebbelssche Aggressivität, sondern vor allem eine in dieser Form selten erlebte Niveau- und Geschmacklosigkeit.

Dr. Thomas Nitschke


Liebe Kreuzer-Leute,

nach zwischenzeitlicher Unsicherheit hat mich die Ausgabe 1/10 wieder hoffnungsvoll für die Zukunft des Kreuzers gestimmt. Respekt an Lutz Stordel für den Kunstbanausen-Beitrag. Investigativ und haarscharf entlang der Gutseite politischer Korrektheit. Und damit mutig. Das war ein von Leichtigkeit geprägter Versuch, die kulturbürgermeisterliche Rathausjolle zu kapern. Zum Kentern wird es wohl nicht reichen.

Wo Blockwarte des Mainstreams ihren Kleingeist unter den weit ausladenden Mänteln des kommunalpolitischen Establishments zu tarnen versuchen, bleibt freilich die freie Kultur freier Stadtbürger auf der Strecke. Herrn Fabers Frustrationstoleranz scheint aufgebraucht mit dem Ergebnis erstaunlicher kommunikativer Schwächen. Und doch: Hartmann betrachte ich sehr differenziert, permanente Nacktheit in Ermangelung dramaturgischer Bezüge auf der Bühne ist leider genauso ausgezuzelt wie bauernfängerische Titelreizworte. Man kann eben zweifelhafte Qualität nicht mit dem hohen Gut der künstlerischen Freiheit dauerhaft glaubwürdig retournieren. Das Publikum ist ein scharfes Schwert.

Und Burkhard Jung hat bezugnehmend auf das Editorial mit dem »Frühstücksbild Jung/Hartmann« in einem Kommunikationsreflex eben genau das getan, was Stordel anmahnt: Nicht privat, sondern strukturell denken, reden und handeln. Die Kulturbürger Leipzigs – ob mit Hoch- oder Szenekultur verwachsen – werden einen Faber aushalten können. Umgekehrt habe ich da meine Zweifel. Auch das ist durchaus hoffnungsvoll.

Frank Thiel, Leipzig


Sehr geehrte Redaktion des kreuzer,

mit großem Befremden las ich die Zeilen des Herrn Stordel in der ersten Ausgabe 2010, die Kritik des Kulturbürgermeisters der Stadt Leipzig an den Machwerken Sebastian Hartmanns betreffend. Es ist in mehrerer Hinsicht beschämend, was Herr Stordel dort mit Billigung der Redaktion an Gift verspritzen darf.

Über die Arbeit S. Hartmanns kann man sehr wohl geteilter Meinung sein! Seine Intendantur in Leipzig ist bisher geprägt von einer Berserkerei in den Vorlagen der Stücke, die ich mir nie hätte vorstellen können und die meilenweit von anspruchsvollem Theater entfernt ist. Sie wird sich totlaufen. Ich sehne jedenfalls den letzten Arbeitstag dieses Steinbrucharbeiters herbei und hoffe, dass der Kulturbürgermeister seinen hoffentlich nicht unbedeutenden Teil dazu beitragen wird. Ich werde ihn dabei nach Kräften unterstützen.

Auch wenn Herr Stordel mit der spontanen Reaktion Fabers nicht einverstanden ist – und dieser sicherlich nicht eben clever reagiert hat – es gibt ihm nicht das Recht, ihm »das Maul« zu verbieten. Diese Wortwahl ist einfach nur beschämend! Aber im Weiteren dann noch das Schlagetot-Argument einer linken Gesinnung zu bringen, das grenzt an die von Stordel selbst im Titel hergestellte Nähe zu Goebbels’schen Untaten.

Ich nehme an, dass der kreuzer auch weiterhin ein kritisches und anspruchsvolles Magazin sein will, dann aber bitte nicht diese Entgleisungen.

Mit freundlichen Grüßen

R. Klose


Sehr geehrter Herr Dr. Nitzsche,

schön, dass Sie meinen Text noch einmal zusammen gefasst haben: Man kann Göbbels und Faber unmöglich vergleichen, dass steht bei mir schon in der Überschrift. Und ich habe auch ausgeführt, dass es eine Unverschämtheit wäre, Parallelen zwischen dem Geschmackspolizisten Faber und dem Naziideologen zu ziehen.

Sehr geehrter Herr Klose, sehr geehrter Herr Thiel,

vielen Dank auch für Ihre Post, auch wenn Sie Themen aufgreifen, über die ich nur zum Teil geschrieben habe. Denn ich habe mit keinem Wort auch nur angedeutet, was ich selbst von Sebastian Hartmann halte. Gerne gestehe ich ja, unter seiner Intendanz schön öfter im Schauspiel gewesen zu sein als in der gesamten Engel-Zeit, aber das schließt durchaus ein, manche Aufführung nicht ganz so glanzvoll zu finden. Mir ging es ganz alleine um das symbolgeladene Benehmen eines Mannes, der eben nicht nur als Zuschauer ins Centraltheater geht, sondern vor allem als Politiker. Und wenn dieser sich dann auf dem Niveau eines Esels entäußert, darf ich auch, zumal in meiner Kolumne, »Maul halten« schreiben. Im Übrigen: An den politischen Rändern ist die kulturelle Intoleranz am größten, dies meine ich jetzt gerne ganz im Ernst. Wenn Sie die Linke-Fraktion, die den Kulturbürgermeister ja installieren durfte, wählen lassen würden: »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« oder »Im weißen Rössel« zu besuchen, ich wette: sie könnten Karten für die Muko buchen – aber nur, wenn die Inszenierung dann nicht von Konwitschny wäre. Ganz egal, ob Regisseur und Politiker im gleichen Ideologie-Kahn schiffen.

Vorteil Hartmann, um am Ende aber ein ganz anderes Thema anzuschneiden, das auch Ihnen offenbar unter den Nägeln brennt: Sein Theater regt offenbar überhaupt mal wieder auf, provoziert selbst in der LVZ Leserbriefkampagnen. Und weniger Zuschauer als im Schlafwagen-Theater seines Vorgängers Engel hat das Haus an der Bosestrasse ja nun auch nicht. Die ästhetische Bewertung seiner Arbeiten steht im kreuzer denen zu, die für das Ressort auch zuständig ist. Ich gehe doch lieber in die Oper ....

Lutz Stordel

PS: Leider bekomme ich keine Leserbriefe, wenn ich, wie in Februarhaft, »La Traviata« als »Operette« bezeichne, dabei ist das wirklich geschmacklos.


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