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Kultur

Reise in die Solidarität

Leipziger Arbeitslosenchor »La Bohème« singt beim Ökumenischen Kirchentag in München

  Reise in die Solidarität | Leipziger Arbeitslosenchor »La Bohème« singt beim Ökumenischen Kirchentag in München

Mit großer Spannung wurde im letzten Jahr die Gründung des Arbeitslosenchors des Leipziger Chorverbandes erwartet. Werden nicht zu wenige kommen? Weit gefehlt! Energisch haut der musikalische Leiter Dr. Michael Reuter in die Tasten des Klaviers. Die ersten Takte beschwingter Musik erklingen. Der Chor setzt unerhört kräftig ein, Reuter springt auf, dirigiert ausladend, ruft »Jawohl, prima, weiter so!« dazwischen. Doch dann kommt der Chor aus dem Takt, ein wildes Durcheinander entsteht. Aber egal, alle lachen.

Mit großer Spannung wurde im letzten Jahr die Gründung des Arbeitslosenchors des Leipziger Chorverbandes erwartet. Werden nicht zu wenige kommen? Weit gefehlt! Energisch haut der musikalische Leiter Dr. Michael Reuter in die Tasten des Klaviers. Die ersten Takte beschwingter Musik erklingen. Der Chor setzt unerhört kräftig ein, Reuter springt auf, dirigiert ausladend, ruft »Jawohl, prima, weiter so!« dazwischen. Doch dann kommt der Chor aus dem Takt, ein wildes Durcheinander entsteht. Aber egal, alle lachen.

Geprobt wird hier, im Heinrich-Budde-Haus in Gohlis, für den 2. Ökumenischen Kirchentag, bei dem sich vom 12.-16. Mai dieses Jahres Menschen aus aller Welt in München treffen werden, um ihren Glauben zu feiern. Der Chor »La Bohème« wurde eingeladen, um dort bei der Podienreihe »Hoffnung konkret« vor 500 Leuten ein Konzert zu geben. Denn diskutiert werden dort Möglichkeiten, Arbeitslose im Alltag nicht auszugrenzen. Ehrensache also, dass die Chormitglieder bereitwillig die Reise in die bayrische Landeshauptstadt antreten wollen. Das Geld für diese Reise sitzt jedoch nicht bei allen locker. Die Zugkosten müssen selbst bezahlt werden. Untereinander ist die Solidarität groß. Wer das Geld nicht aufbringen kann, dem wird von der Chorgemeinschaft ausgeholfen. Immerhin: der Kirchentag sponsert zwei Übernachtungen in der Turnhalle und die Verpflegung.

Pjotr, der seit langem arbeitslos ist, lässt sich vom Gedanken an Luftmatratzen auf dem Turnhallenboden nicht von der Reise abbringen. Offen erklärt er: »Ich fühle mich eher als Arbeitslooser. Die kalte Außenwelt, die muss man verdrängen, sonst wird man krank, da ist der Chor meine Therapie. Das gemeinsame Singen ist eine Art Insel der Glückseligkeit. Durch die Einladung nach München fühle ich mich wieder wertgeschätzt und habe das Gefühl, gebraucht zu werden. Ja, ich sehe mich dort strahlen«. Der smarte Mitfünfziger entdeckte seine musikalische Leidenschaft eher zufällig, als ihn letzten Herbst ein roter Pfeil auf der Straße mit Hinweisen zur Chorprobe in das Heinrich-Budde-Haus lockte.

Seit August 2009 wird dort mit rund vierzig Chormitgliedern geübt – ein wahrer Erfolg. Denn schaute man bei Projektbeginn in die Zukunft, so war das Ende noch offen. Mit dem Konzert im Gewandhaus im letzten Dezember war die Unterstützung durch die »Aktion Mensch« beendet. »Ein so tolles Projekt aufzugeben, kam aber nicht in Frage. Der Chor finanziert sich nun selbst durch einen Mitgliederbeitrag«, so Sarie Teichfischer, die Managerin. Je nach Geldbeutel ist das mal mehr oder weniger. Mittlerweile ist das Singen für viele Chormitglieder zur festen Stütze im Alltag geworden. »Und jetzt noch die Reise«, sagt Dorothee aus der Altstimme. »Das ist eine ganz neue Erfahrung für mich, denn ich war noch nie in München, früher durfte man ja nicht.« Auf die Frage, ob sie gläubig sei, antwortet Dorothee: »Ich bin für meinen Mann katholisch geworden. Deswegen bin ich zuerst im Kirchenchor gewesen. Aber hier ist die Atmosphäre schöner. Der Funke ist gleich übergesprungen«. Wer noch mitmachen möchte: neue Sänger sind immer willkommen.


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