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Kultur

Straßenfest in den Kneipen

Nach vier Jahren Pause startet in Leipzig das 21. Honky Tonk

  Straßenfest in den Kneipen | Nach vier Jahren Pause startet in Leipzig das 21. Honky Tonk

Es war damals ein originelles Konzept: Beim ersten Honky Tonk in Leipzig im Jahr 1994 spielten 18 Bands in 18 Kneipen. Und es wurden immer mehr. Im Jahr 2000 traten rund 130 Bands in mehr als 100 Kneipen auf – das Kneipenfestival verkam zum Gelage und war kaum mehr zu ertragen. 2006 zog die Blues Agency als Veranstalter einen Schlussstrich. Vorläufig. Am 27. März startet nun eine Neuauflage. Im Interview spricht Honky-Tonk-Erfinder Dominik Brähler vom Veranstalter Blues Agency über Beweg- und Hintergründe, alte Fehler und neue Erkenntnisse.

Es war damals ein originelles Konzept: Beim ersten Honky Tonk in Leipzig im Jahr 1994 spielten 18 Bands in 18 Kneipen. Und es wurden immer mehr. Im Jahr 2000 traten rund 130 Bands in mehr als 100 Kneipen auf – das Kneipenfestival verkam zum Gelage und war kaum mehr zu ertragen. 2006 zog die Blues Agency als Veranstalter einen Schlussstrich. Vorläufig. Am 27. März startet nun eine Neuauflage. Im Interview spricht Honky-Tonk-Erfinder Dominik Brähler vom Veranstalter Blues Agency über Beweg- und Hintergründe, alte Fehler und neue Erkenntnisse.

kreuzer: Honky Tonk war 1994 steil gestartet. Bis 2000 ging es nach dem Motto mehr Bands, mehr Kneipen stetig aufwärts, aber irgendwann ist das Ganze aus dem Ruder gelaufen und zum Gelage verkommen. Was lief damals schief?

DOMINIK BRÄHLER: Das Honky-Tonk-Konzept kam bei allen gut an: Die Bands hatten gute Auftrittsmöglichkeiten, die Besucher ihren Spaß und die Wirte machten gute Geschäfte. Im Jahr 2000 hatten wir mehr als 40.000 zahlende Besucher! Wegen der großen Nachfrage haben wir recht schnell zwei Honky Tonks pro Jahr durchgezogen, jeweils im Mai und dann noch mal im November. Das erwies sich im Nachhinein als Fehler. Nur, die Geister, die man rief, wird man so schnell nicht wieder los. Es gab Nebeneffekte, Trittbrettfahrer, Schwarzgastronomie. Manche haben billige Biertheken aufgebaut oder Fertig-Caipirinhas im Plastikbecher verkauft. Die Preise gingen hoch, die Qualität runter. Die Leute haben gesoffen, bis der Arzt kam. Darauf hatten wir von der Blues Agency leider keinen Einfluss.

kreuzer: Aber auch die Wirte in den Randlagen klagten, dass kaum mehr einer mit dem Shuttle zu ihnen kam, weil alle in der City blieben. Hätte man da nicht gegensteuern können und zum Beispiel das Bierzelt auf dem Markt besser weggelassen?

BRÄHLER: Das Festival zog immer mehr Leute aus dem Umland an. Die suchten gezielt das Flair in der City, im Barfußgäßchen, in der Gottsched-straße. Auch die Mädler-Passage ist aus allen Nähten geplatzt. Da brauchten wir aus Kapazitätsgründen die Open Airs auf dem Burgplatz und dem Markt. In den Außenbezirken haben dann immer weniger Kneipen teilgenommen.

kreuzer: Woran wurde deutlich, dass das Image krankte?

Erfinder des Honky-Tonk: Dominik Brähler vom Veranstalter Blues Agency
BRÄHLER: Die Besucherzahlen gingen immer mehr zurück. Wir haben ab 2001 dann erst mal wieder nur eine Veranstaltung im Mai organisiert. Das Konzept fand zahlreiche Nachahmer, die Ereignisse mit gleichem Charakter unter anderen Namen durchführten. Was bei denen mangels professioneller Organisation dann manchmal schiefging, wurde auch uns angekreidet. Kneipenfestival und Honky Tonk waren für viele zu Synonymen geworden.

kreuzer: Ist die Entscheidung schwergefallen, in Leipzig kein Honky Tonk mehr durchzuführen?

BRÄHLER: Klar, in den anderen Städten lief und läuft das ja weiter. Aber wir wollten auch sehen, was passiert.

kreuzer: Und was ist dann passiert?

BRÄHLER: Komischerweise hat erst nach einem Jahr mal jemand überhaupt danach gefragt. Und im vergangenen Jahr kam dann Michael Kuriat von der Agentur TNC auf uns zu, die unter anderem auch das Nachtcafé, Sol y Mar und verschiedene Party-Locations betreibt. Er regte an, es noch mal gemeinsam zu versuchen. TNC und Blues Agency sind jetzt Koveranstalter.

kreuzer: Wie haben die Leipziger Wirte reagiert?

BRÄHLER: Positiv! Ein Anruf hat in der Regel genügt, um sie wieder mit ins Boot zu holen. Andere wie André Streng vom Flower Power und Eva Steffen vom Café Anton Hannes haben sogar von selbst angerufen.

kreuzer: Was ist neu beim Revival am 27. März?

BRÄHLER: Das Konzept ist das alte: Man kauft sich ein Partybändchen als Eintrittskarte und hat freien Zutritt zu allen teilnehmenden Kneipen. Die Party-Straßenbahn der LVB wird pausenlos um den Ring fahren. Bis auf einen DJ läuft überall Live-Musik. Wir sind mit den Kapazitäten natürlich zurückgefahren. In etwa 35 Kneipen werden 40 Bands auftreten. Die Mischung ist gut, von Rock bis Pop, Blues und Swing ist so ziemlich alles dabei. Als Partylocation haben wir diesmal die Remise des A+O-Hotels hinter dem Hauptbahnhof gewonnen.

kreuzer: Was sind die Highlights im Programm?

BRÄHLER: Wir setzen stark auf die Leipziger Szene: Four Roses, das Blues-Duo Schneider/Schwarznau, Tom Twist, Maddoxxx – um nur einige zu nennen. In der Remise treten Frida, Elsterclub, Rakede und Lament auf, im Café Stein am Bayerischen Platz die Bigband der Musikhochschule, im Café Anton Hannes die Schildkröte.

kreuzer: Wie viele Besucher müssen kommen, damit unterm Strich schwarze Zahlen stehen?

BRÄHLER: Unsere Zielstellung liegt bei 5.000 Besuchern. Aber das ist es nicht allein. Wir wollen ganz einfach wieder eine schöne Veranstaltung machen, die man in der Stadt positiv wahrnimmt. Ich freue mich auf die Bands!

kreuzer: Und was kommt danach?

BRÄHLER: Wir werden sehen. Wenns gut läuft, machen wir weiter, aber auf keinen Fall soll sich Honky Tonk wieder als Superlativ entwickeln.


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