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Homöopathischer Schuldenabbau

Wie die Kunstaktion »Macht Geschenke« die Bürokratie mit ihren eigenen Waffen schlagen will

  Homöopathischer Schuldenabbau | Wie die Kunstaktion »Macht Geschenke« die Bürokratie mit ihren eigenen Waffen schlagen will

Man könnte meinen, es sei alles Ironie. Christin Lahr, Leipziger Professorin für Medienkunst, überweist seit nunmehr einem Jahr jeden Tag einen Cent an das Bundesministerium für Finanzen. Im Betreff der Überweisung: jeweils 108 Zeichen aus dem Marx’schen »Kapital«, der Kritik der politischen Ökonomie schlechthin. Sätze wie »Der Reichtum der Gesellschaft, in welcher kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint ...«, enden abrupt, digitale Geldtransaktionen bergen nicht viel Platz.

Man könnte meinen, es sei alles Ironie. Christin Lahr, Leipziger Professorin für Medienkunst, überweist seit nunmehr einem Jahr jeden Tag einen Cent an das Bundesministerium für Finanzen. Im Betreff der Überweisung: jeweils 108 Zeichen aus dem Marx’schen »Kapital«, der Kritik der politischen Ökonomie schlechthin. Sätze wie »Der Reichtum der Gesellschaft, in welcher kapitalistische Produktionsweise herrscht, erscheint ...«, enden abrupt, digitale Geldtransaktionen bergen nicht viel Platz.

Von dem Überweisungsschein macht Christin Lahr einen Ausdruck, den sie jeweils einem Bürger schenkt. Manchmal ist das ein Gesprächspartner, ein anderes Mal Wolfgang Schäuble. Das Ganze ist angelegt auf 43 Jahre. Doch die Arbeit von Lahr geht tiefer als ein bloßer Strich durch die Rechnung der Regierung. »In unserer auf Profit ausgelegten Gesellschaft wird der Wert oft mit dem Preis verwechselt. Geschenke erfordern immer eine Gegenleis­tung. Und wenn es nur ein Dankeschön ist.

Diese Strukturen beschäftigen mich schon lange!«, sagt Christin Lahr. Dem Schuldenberg der Bundesregierung wirkt die Künstlerin in homöopathischen Dosen, wie sie es nennt, entgegen. Dabei ist der eine Cent pro Tag mehr als nur ein symbolischer Wert. Bei der aktuellen Verschuldung bräuchte eine Abzahlung zu der Rate ein Cent pro Tag rund 300 Jahre. »Jeder Mensch hat eine Auswirkung auf das System, in dem wir leben. Es war mir wichtig, das zu zeigen. Der Staat, der zunehmend an Bodenhaftung verliert, sind wir, das Volk!« Lahr sieht ihre Mikrospenden also als Spenden an die Bevölkerung. Vielleicht auch eher als einen Kommentar.

Dem Finanzministerium dürfte dieser ungeahnte Kapitalzuwachs eher ein Dorn im Auge sein, zumal die Verbuchung von den Eingängen wiederum Geld kostet und die Bürokratie ordentlich durcheinanderwirbelt. Die Onlineüberweisung sieht die Künstlerin dabei als demokratisches und unterschätztes Artikulationsmittel. Statt Aktenzeichen im Verwendungszweck verwendet sie eine Botschaft, jeder Eingang ist dabei wichtig. Was passiert, wenn die Überweisung als Massendemonstrationsmittel genutzt wird? Der Super-GAU? Lahr distanziert sich dabei ausdrücklich von einem Aufruf zum Massenprotest. »Grundsätzlich destruktives Handeln ist nicht sinnvoll und für mich uninteressant. Man muss schon etwas ändern wollen. Ich vertraue auf Selbstverantwortung«. Die Aktion soll noch bis ins Jahr 2052 laufen. Vorausgesetzt, die Kontonummer des Finanzministeriums ändert sich nicht.


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