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Kultur

Altägypten in Art déco

Imperiales Crossover: Das Ägyptische Museum der Universität ist wieder geöffnet. Nach ihrem Umzug ist die reichhaltige Sammlung nun im Kroch-Hochhaus zu sehen, drücken sich Mumien & Co. in den Räumen einer ehemaligen Bank.

  Altägypten in Art déco | Imperiales Crossover: Das Ägyptische Museum der Universität ist wieder geöffnet. Nach ihrem Umzug ist die reichhaltige Sammlung nun im Kroch-Hochhaus zu sehen, drücken sich Mumien & Co. in den Räumen einer ehemaligen Bank.

»Die Menschen gehen dahin, seit Urzeiten / und andere kommen an ihre Stelle« – Der Dichter, der diese Zeilen in einem ägyptischen Königsgrab hinterließ, hat historischen Sinn bewiesen. Ob er bereits ahnte, dass seine Heimat in der Zukunft zu einem Mekka der Archäologie werden sollte? Jedenfalls zog Ägypten recht früh Sammler und Wissenschaftler an, die ihre Fundstücke vorzugsweise gen Europa verschifften. So kam auch die Universität Leipzig zu einer beträchtlichen Zahl an Relikten.

»Die Menschen gehen dahin, seit Urzeiten / und andere kommen an ihre Stelle« – Der Dichter, der diese Zeilen in einem ägyptischen Königsgrab hinterließ, hat historischen Sinn bewiesen. Ob er bereits ahnte, dass seine Heimat in der Zukunft zu einem Mekka der Archäologie werden sollte? Jedenfalls zog Ägypten recht früh Sammler und Wissenschaftler an, die ihre Fundstücke vorzugsweise gen Europa verschifften. So kam auch die Universität Leipzig zu einer beträchtlichen Zahl an Relikten.

Der Kauf eines Zedernholzsarges 1848 sollte den Grundstein legen für die älteste Universitätssammlung ihrer Art. Rund 6.000 Objekte geben heute einen Überblick auf vier Jahrtausende ägyptischer Kultur. Da sich die Ausstellung nicht nur als Lehrsammlung für die Studierenden versteht, ist auch die Öffentlichkeit zum Artefakte-Bummel eingeladen. Nachdem das Museum aufgrund des Umzugs ins Kroch-Hochhaus längere Zeit geschlossen war, wurde es am 25. Juni mit einem feierlichen Festakt eröffnet. Doch bevor in der Oper die Pauken und Trompeten aufspielen, gilt es, eine als »Medienrundgang« getarnte tour de force durch die Ausstellungsräume zu absolvieren.

Eher unscheinbar wirkt die vergitterte Tür rechts neben der durch das Kroch-Hochhaus führenden Passage. Gottlob fungieren die das Gatter einrahmenden Deutschland- und Sachsenfahnen als dezente Hinweise. Durch diese Hintertür betreten wir die heiligen Räume des Bankhauses Kroch: Die Schalterhalle in Art déco ist in Marmor gehalten. Von der Decke blickt Merkur herab, der sich zur Reise rüstet. Um den imposanten Raum nicht zur Geltung kommen zu lassen, sind die Wände mit altägyptischen Reliefs verhängt, der Boden mit Vitrinen zugestellt. Wahllose Ansammlungen für sich genommen interessanter Exponate sind zu sehen – der Überbau fehlt. Immerhin lassen die Diener-Figuren, mit gekrümmten Rücken dargestellt, erkennen, dass Arbeit noch nie die Sonnenseite des Lebens war. In ihnen spiegelt sich zudem das zynische Lob der Arbeit, »omnia vincit labor« (»Arbeit bezwingt alles«), welches als Motto das Kroch-Hochhaus ziert.

Der Eindruck der Deplatziertheit bleibt auch in den anderen Räumen bestehen, denn leider zieht sich die Ausstellung weiterhin korrespondenzlos durchs Kommerz-Gehäuse und die Objekte treten nie mit ihrer Umgebung in Beziehung. So wie hier hätten sie überall stehen können. Außerdem strahlen die Bank-Räume an sich schon museale Atmosphäre aus. Dass der beeindruckende Holz-Sarkophag eines mittleren Beamten ausgerechnet im ehemaligen Direktorzimmer präsentiert wird, mag man als ironisches Zeichen deuten. Wir rätseln über das imperiale Crossover: Was soll uns eine gediegen-ausgediente Bankarchitektur, gespickt mit altägyptischen Herrschaftszeichen und Kultobjekten sagen? Ob das die postmoderne Beliebigkeit ist, von der man konservative Denker immer wieder munkeln hört? Oder ist das die Posthistorie, in der Geschichts- und Geschäftssinn ununterscheidbar werden? Und wie soll man Rektor Franz Häusers Worte deuten: »Wenn es wert ist, was man sieht, dann hat man auch gut investiert«?

Warum man die Sammlung in diese Räumlichkeiten quetschen musste, hätten wir gern erfahren – aber da war der Ritt durch Altägypten schon abgeblasen, weil der Festakt in der Oper wartete. Da kann interessierte Schaulust nur stören. Wer sich mit den Artefakten beschäftigen möchte, muss wohl später wiederkommen. Immerhin gibt es bald einen Tag der offenen Tür, an dem der Eintritt frei ist. Ob das dem Bankier gefallen hätte? Beim Gehen ist es uns, als hallten die »Mahnworte eines ägyptischen Weisen« wider: »Die Vornehmen sind voll Klage, die Geringen voll Freude. [...] das Land dreht sich um wie eine Töpferscheibe.«


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