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Kultur

Vom unbändigen Drang nach Leben

»Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt«: Robert Stadlober liest und spielt die Tagebücher Mihail Sebastians, die von jüdischem Leben im rumänischen Faschismus erzählen

  Vom unbändigen Drang nach Leben | »Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt«: Robert Stadlober liest und spielt die Tagebücher Mihail Sebastians, die von jüdischem Leben im rumänischen Faschismus erzählen

Er lebt inmitten der Bukarester Avantgarde: Mircea Eliade und Emil Ciroan etwa zählten zu Mihail Sebastians (1907-45) guten Bekannten. Fassungslos muss der Publizist und Romanautor feststellen, dass sich viele von ihnen dem Faschismus zuwenden, der in den 1930ern auch in Rumänien populär wird. Dessen anwachsende Macht und der damalige Zeitgeist, aber auch subjektive Reflexionen hat Sebastian in seinen Tagebüchern von 1935-44 eindrücklich festgehalten.

Er lebt inmitten der Bukarester Avantgarde: Mircea Eliade und Emil Ciroan etwa zählten zu Mihail Sebastians (1907-45) guten Bekannten. Fassungslos muss der Publizist und Romanautor feststellen, dass sich viele von ihnen dem Faschismus zuwenden, der in den 1930ern auch in Rumänien populär wird. Dessen anwachsende Macht und der damalige Zeitgeist, aber auch subjektive Reflexionen hat Sebastian in seinen Tagebüchern von 1935-44 eindrücklich festgehalten.

Im Conne Island verleiht ihnen der Schauspieler Robert Stadlober in einer szenischen Lesung Stimme und Körnung. Mit gezieltem Einsatz von Licht, minimalen Requisiten und einem feinfühligen Mimen werden Sebastians Betrachtungen so zum intensiven Erlebnis.

Der Abend zerfällt in zwei Hälften. In der ers­ten changiert Stadlober zwischen drei stilisierten Orten beziehungsweise Motiven. An einem Bistrotisch mit Weinglas und Zigarette in der Hand stellt er Sebastian als Menschen mit der absoluten Lust aufs Sein dar. Trotz antisemitischer Schmähungen hält er am gesellschaftlichen Leben fest, freut sich über schriftstellerische Erfolge und gekonnte Skisprünge. Erotische Sehnsüchte und das Allzuzwischenmenschliche gibt Stadtlober auf einem Divan lümmelnd wieder. Am spartanischen Schreibtisch schließlich dräuen bereits die dunklen Wolken der kommenden Raserei.

Das existenzielle Wechselspiel zwischen lähmender Todesangst und zarter Hoffnung bestimmt den zweiten Teil. »Werde ich das Überleben?«, lautet die alles überschattende Frage. Divan und Bistrotisch sind dieser nackten Existenz genommen, die in die Einsamkeit gedrängt wird. Pointiert noch in der Not schreibt sich Mihail Sebastian innerlich frei: »Ich hatte mich bereits an den Gedanken gewöhnt, dass ich einen gelben Stoff Fetzen mit einem Davidstern darauf tragen würde. [...] ich begann, dieses Stück Stoff als eine Art Identitätsausweis anzusehen. Mehr noch: als eine Art Medaille, ein Abzeichen, das meine Entsolidarisierung in der Schande dieser Zeit, in ihrer Ruch- und Ahnungslosigkeit symbolisiert.«


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