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Kultur

Vorzügliche Sänger, ärmliche Szenerie

Durchwachsene Neuinszenierung der Humperdinck-Oper »Hänsel und Gretel« in der Oper Leipzig

  Vorzügliche Sänger, ärmliche Szenerie | Durchwachsene Neuinszenierung der Humperdinck-Oper »Hänsel und Gretel« in der Oper Leipzig

Die Armut in der Kinderstube von Hänsel und Gretel ist nicht mehr greifbar. Auf einer gut ausgestatteten Ikea-Spielwiese singen die Geschwister, stiefmütterlich von der Regie geführt, szenisch behäbig durch den ersten Akt. Von der existentiellen Not der Familie, immerhin Grundlage des ganzen Plots, ist nichts mehr geblieben. Eine durchwachsene Neuinszenierung – findet unser Autor Lutz Stordel.

Die Armut in der Kinderstube von Hänsel und Gretel ist nicht mehr greifbar. Auf einer gut ausgestatteten Ikea-Spielwiese singen die Geschwister, stiefmütterlich von der Regie geführt, szenisch behäbig durch den ersten Akt. Von der existentiellen Not der Familie, immerhin Grundlage des ganzen Plots, ist nichts mehr geblieben – in der bonbonfarbenen und durchaus ansprechenden Ausstattung von Alexander Mudlagk wird eine irgendwie modern anmutende Märchenwelt behauptet.

Doch der szenische Minimalismus, und dies ist die einzig ausgestellte Bühnen-Armut vor der Pause, entzaubert selbst den »Abendsegen«. Ich habe an dieser Stelle noch nie eine solche Tristesse gesehen, einzig ein Wal wird durch den Bühne-Horizont gezogen, wo in anderen Aufführungen Battalione von Engeln, Elfen, Tieren oder Zauberwesen den Schlaf der verirrten Protagonisten bewachen. Spätestens an dieser Stelle fragt sich der Rezensent ratlos, warum Peter Konwitschny die großartige Alfred-Kirchner-Produktion durch diese Flickschusterei ersetzen ließ.

Dass die vom Chefregisseur engagierte Birgit Eckenweber nicht völlig baden geht, verdankt sie Hexendarsteller Jochen Vogel und seinem rosafarbenen Kostüm. Plötzlich steigt nach der Pause der Unterhaltungswert beträchtlich, zeigt der Mime, und als solcher glänzte Vogel schon in Wilsons Wagner-Ring im Pariser Chatelet, wie eine durchgespielte Rolle zünden kann.

Und dann wäre da noch das Orchester. Ulf Schirmer liefert sein bisher bestes Leipzig-Dirigat ab, transparent im Klang, nie die durchweg gut verständlichen Sänger überdeckend. Viel poetischer als die Szene, zupackend dort, wo es Humperdinck fordert – eine großartige Leistung des Gewandhausorchesters.

Die Sänger? Allesamt vorzüglich. Viktorija Kaminskaite als Gretel, Claudia Huckle als Hänsel – eigentlich ein Traumpaar. Auch die Eltern, Jürgen Kurth und Karin Lovelius, fallen sängerisch nicht ab. Und der Kinderchor ist zuverlässig wie immer, eine gewohnt sichere Bank des Hauses. Die Aufführung: musikalisch überdurchschnittlich, szenisch unerheblich.


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