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Kultur

»Hauptsache, Dritte Welt«

Rainald Grebe über sein neues Theaterspektakel, Touristikmessen und Tansania

  »Hauptsache, Dritte Welt« | Rainald Grebe über sein neues Theaterspektakel, Touristikmessen und Tansania

Tausendsassa Rainald Grebe ist zurück. Mit »Die WildeWeiteWeltSchau« holt er alle Welt als Reiseschnipsel-Collage ins Centraltheater. Im Interview erklärt er sein Faible fürs Spektakel, den Reiz der Provinz und wie viel Exotik der Mensch braucht. Die nächsten Vorstellungen laufen am 5. und 6. Februar.

Tausendsassa Rainald Grebe ist zurück. Mit »Die WildeWeiteWeltSchau« holt er alle Welt als Reiseschnipsel-Collage ins Centraltheater. Dem kreuzer erklärt er sein Faible fürs Spektakel, den Reiz der Provinz und wie viel Exotik der Mensch braucht.

kreuzer: Sie wirken leicht gehetzt, waren Sie nicht erst im Urlaub?

RAINALD GREBE: Das ist schon wieder länger her. Ich war auf der Touristikmesse recherchieren. Am Brandenburg-Stand haben sie mich erkannt und ich musste als Fotomotiv herhalten.

kreuzer: Stört Sie das, wenn man Sie als Komiker erkennt oder auf Ihre Hymnen anspricht?

GREBE: Na ja, das hat ja auch immer seine Vorteile, etwa wenn Sie einem Brandenburger Bauern dabei helfen, ein Gehöft zu finden.

kreuzer: Sie singen, machen Kabarett, Theater. Wie würden Sie sich beschreiben?

GREBE: Als Theatermacher, das beinhaltet ja alle anderen Aspekte. Mir ist es immer am wichtigsten, dass meine Sachen auch den Theaterleuten gefallen.

kreuzer: Sehen Sie sich als politischen Künstler an?

GREBE: Das kann man auf jeden Fall so sagen. Ich stelle aber eher Fragen, statt Parolen von der Bühne auszugeben. Dafür habe ich zu viel Demut vor dem Fachwissen. Ich kann nicht einfach aufzählen, was an Hartz IV oder dem Gesundheitssystem alles gut oder schlecht ist. So habe ich erst mal keine Meinung.

kreuzer: Sie machten kürzlich eine Fernreise – mussten Sie mal raus? Oder war schon geplant, den Urlaub auf der Bühne zu verwursten?

GREBE: Auf Tour freue ich mich ja, wenn ich eine Raststätte sehe, die ich noch nicht kenne. Da hat sich dann die Frage gestellt: Wie komme ich mal raus? Dass ich dazu irgendetwas machen werde, war mir klar, da ich ja immer meine Erfahrungen verarbeite.

kreuzer: Warum musste es Tansania sein?

GREBE: Musste nicht, wir sagten uns: »Hauptsache, Dritte Welt«. (lacht) Mich hat natürlich der Kolonialismusaspekt gereizt und ich wollte den deutschen Spuren in der Welt nachgehen. Und da ist man dann schon mittendrin in der Zufälligkeit, sich das Reiseziel auszusuchen, das ich auch auf der Bühne thematisieren werde. Da hat man die Welt quasi in der Tasche und muss sich entscheiden. Mich interessiert die Frage nach dem »Warum?«. »Wie sieht so ein Reiseanlass aus?« Oder: »Was ist Tourismus?« Und auch: »Wie viel Fremdheit erträgt man?« Es ging mir ja auch um den künstlerischen Austausch. Andere spielen ihre Sachen dann auf Englisch. Aber das traue ich mich noch nicht.

kreuzer: Würde das funktionieren?

GREBE: Das weiß ich eben auch nicht. Vier Wochen am Strand war ich natürlich auch und habe eine Safari mitgemacht. Aber ich habe dann einen Puppenspielworkshop gegeben und auch ein kleines Stück gezeigt, für das ich innerhalb von drei Tagen Urlaubszenen entwickelte.

kreuzer: Wie viel Urlaub enthält »Die WildeWeiteWeltSchau«?

GREBE: Natürlich sind da Erlebnisse von mir dabei. Es wird ein revueartiges Gebilde. Ein Thema der Spielzeit am Centraltheater heißt ja »Deutschland«, und dem spüre ich in der Fremde nach. Nietzsches Schwester lebte zum Beispiel in Paraguay in einer deutschen Kolonie, einer Para-Kolonie. Es wird Elemente wie in den Minstrel-Shows geben, wo sich Weiße schwarz angemalt und »lustige Sklaven« gespielt haben à la: »Denen geht es gar nicht so schlecht«. Und natürlich Völkerschauen...

kreuzer: ... die als »Menschen-Zoos« auch in Leipzig sehr beliebt waren...

GREBE: ... und auf gewisse Weise auch auf der Touristikmesse zu finden sind. Exotismus in Messehalle 5. Macht Lust aufs Zuhausebleiben.

kreuzer: Dann muss Sie das Panometer interessieren: Mit modernster Technik wird dort das Panorama, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, wiederbelebt. Der Amazonas wird gegeben.

GREBE: Das muss ich mir ansehen. Karl May ist ja auch aus der Zeit gesprungen und bis heute populär. Da gibt es Google Earth und die Leute widmen sich so alten Techniken. Google macht wohl nicht satt. Theater an sich halten ja viele für Schnee von gestern, also auch das, was ich in Leipzig mache. Ich versuche bloß herauszufinden, welcher Kern noch in den Leichen steckt. Deshalb mache ich die Revuen, darum hole ich Straßentheater auf die Bühne und veranstalte Freiluftspiele drinnen.

kreuzer: Dabei haben Sie eine angekitschte Bergkulisse gezeigt. Mögen Sie es gern spektakulär?

GREBE: Ja, ich habe ein Faible für Spektakel.

kreuzer: Und trotzdem zieht es Sie immer wieder in die wortwörtlich unspektakuläre Provinz?

GREBE: Ich sage nur: Tourismusmesse. Ja, da fühlt man sich kurz als etwas Besseres, um dann zu merken, wie dumm Überheblichkeit ist. Irgendwie relativiert die Provinz auch.


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