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Kultur

Zwischen Körper und Raum

Alessio Trevisani macht Tanzangebote an die Stadt

  Zwischen Körper und Raum | Alessio Trevisani macht Tanzangebote an die Stadt

Im vergangenen November übergab Irina Pauls die künstlerische Leitung der Company des Leipziger Tanztheaters (LTT) an Alessio Trevisani. Der gebürtige Römer lebte nach seiner Tanzausbildung und einem Universitätsabschluss in Romanistik und Germanistik seit 1993 in Berlin und ist seit 1998 als freier Choreograf, Dozent und Perfomer tätig. Im Interview spricht er über die ersten Monate am LTT, seine künstlerischen Vorhaben und die Arbeit mit Amateuren.

Im vergangenen November übergab Irina Pauls die künstlerische Leitung der Company des Leipziger Tanztheaters (LTT) an Alessio Trevisani. Der gebürtige Römer lebte nach seiner Tanzausbildung und einem Universitätsabschluss in Romanistik und Germanistik seit 1993 in Berlin und ist seit 1998 als freier Choreograf, Dozent und Perfomer tätig. Im Interview spricht er über die ersten Monate am LTT, seine künstlerischen Vorhaben und die Arbeit mit Amateuren.

kreuzer: Worin sehen Sie Ihren künstlerischen Schwerpunkt innerhalb des zeitgenössischen Tanzes?

Alessio Trevisani: Es mag seltsam erscheinen, aber ich schöpfe meine Inspiration aus Begriffen, mit denen Italo Calvino – einer der bedeutendsten italienischen Schriftsteller des letzten Jahrhunderts – eine Folge von Vorlesungen betitelte, die er 1985 an der Universität Harvard hielt. Daraus ging sein Buch »Sechs Vorschläge für das nächste Jahrtausend« hervor. Sie hießen: »Leichtigkeit«, »Schnelligkeit«, »Genauigkeit«, »Sichtbarkeit«, »Vielfalt«. Der sechste Begriff und Titel der abschließenden Vorlesung, die aufgrund seines Todes nicht stattfand, lautete »Beständigkeit«. Im Theater ist mir wichtig, dass eine Arbeit authentisch, unmittelbar, nachhaltig und sinnlich ist. Schwerpunkte meiner Arbeit sind in erster Linie der Körper und der Raum. In meiner Forschung arbeite ich oft mit der Methode des Body Mind Centering, die in Bewegung und Geist vernachlässigte »Schattensysteme« aktiviert. Um sich mit dem Raum auseinanderzusetzen, muss man als ersten Schritt den Raum und die Funktion unseres Körpers sehr gut kennen.

kreuzer: Welchen Weg wollen Sie als neuer Choreograph der Company einschlagen? Was planen Sie konkret oder geht es erst einmal um das Kennenlernen?

Trevisani: Natürlich geht es erst einmal um das Kennenlernen. Wir haben ein Laboratorium angefangen, währenddessen ich mir eine klare Idee der Company Mitglieder machen will, über ihre Charaktere, ihre Körper- und Raumwahrnehmung und Bewegungsvokabular. Gleichzeitig arbeite ich aber gezielt, um die erste Impulse und Keime einer zukünftigen Theaterarbeit zu setzen. Um diesen Prozess transparent zu machen, plane ich für die Woche nach Pfingsten im Werk II einen ersten Termin mit dem Publikum. Etwas wie Dance Studies/Acts im Werk II. Wir werden die ganze Halle bespielen mit Körper-Raum Installationen, performativen Acts, aber auch kurze Bühnenarbeiten, die mehr in Richtung Bilderstudie gehen, zugeschnitten auf die Charaktere der Company Mitglieder. Also eine Körper-Raum-Struktur orientierte Arbeit einerseits und eine psychologische Bühnenforschung andererseits.

kreuzer: Wie haben Sie die ersten Wochen mit der Company erlebt?

Trevisani: Die erste Woche in LTT, mit der Company, war auch meine erste Woche in Leipzig. Ich habe alle für sehr »menschlich« und angenehm und gleichzeitig sehr aktiv und produktiv empfunden. Die Company ist ein Bestandteil von Leipzig und Leipzig ist ein Teil der Company. Es geht darum, ab jetzt sich auf einer gemeinsamen Basis zu treffen und zu kommunizieren. Ich habe das Gefühl, dass die Kommunikation zwischen der Company und mir stattfindet. Es ist ein guter Start.

kreuzer: Vor vier Wochen fand das erste Mal die wöchentlich angedachte Open Class statt. War das Ihre Idee und was erhoffen Sie sich von diesem Format – für sich/die Company und die Gäste?

Trevisani: Die Open Class hat schon eine gute Resonanz gehabt. Viele neue Leute sind zum Training gekommen, darunter auch professionelle Tänzer. Es herrschte eine sehr schöne Energie und die Company kann von dieser Energie profitieren und noch mehr das Gefühl haben, mit der Tanzszene Leipzig verbunden zu sein. Die Idee eine Open Class für Contemporary Dance in LTT durchzuführen, ist von mir in erster Linie schon am Anfang ein konkretes Angebot an die Stadt Leipzig. In diesem Sinne handelt es sich um einen Austausch, ein offenes Forum für den Gegenwartstanz zu initiieren, Verbindungen zu schaffen, neue und ältere tanzinteressierte Leute in Kontakt zu bringen. Also ein konkreter Impuls in der Stadt nach dem Motto zu schaffen: Lass uns zusammen trainieren am Dienstagabend, mit allen, die sich mit diesem Genre schon auskennen und mit denen, die es ausprobieren wollen.

kreuzer: Sie arbeiten innerhalb des LTT mit Amateuren. Ist das etwas Besonderes für Sie? Gibt es einen generellen Unterschied zwischen der Arbeit mit Profis und Amateuren?

Trevisani: Im LTT sind Leute, die hier seit ihrer Kindheit tanzen. Sie verfügen über eine Tanztechnik und Erfahrung, die fast mit ausgebildeten Tänzern vergleichbar ist. Es gibt dann Quereinsteiger, die andere Qualitäten mitbringen: ein Studium oder eine Tätigkeit mit bildender Kunst, Musik, Theater und Literaturwissenschaft, Sport oder Zirkus – aber auch allein erziehende Mütter, Büroangestellte. Diese Vielfalt fasziniert mich. Ich habe mehr das Gefühl, dass im Proberaum dadurch mehr Leben reinkommt. Erstaunlich ist die Motivation bei der Company des LTT, ihre Freude und Leidenschaft am Tanz. Natürlich muss ich diplomatischer, sanfter sein, mehr Geduld haben, wenn es darum geht eine gewisse Bewegungssequenz einzustudieren.


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