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Kultur

Independentkino Zartbitter

»Willkommen bei den Rileys« lädt ein, eine kleine Südstaatenreise zu unternehmen

  Independentkino Zartbitter | »Willkommen bei den Rileys« lädt ein, eine kleine Südstaatenreise zu unternehmen

Die großen Filmfestivals Berlinale, Los Angeles und Sundance luden diesen kleinen Film in ihre Wettbewerbe ein. Zu Recht, denn bei den »Rileys« gibt es große verborgene Gefühle in zarter Hülle und großartige Schauspieler, die diesen Film zum überzeugenden Frühjahrsdrama um Trauer und Erwachen machen. »Willkommen bei den Rileys« läuft ab Donnerstag im Kino.

»Willkommen bei den Rileys« lädt zu einer kleinen Südstaatenreise in Beziehungs- und Familiengefilde. Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen Mann und Fast-Frau erzählt mit Blick für Details von der Sehnsucht danach, anderen und letztlich sich selbst zu helfen. Mit leisem Witz und den Klängen New Orleans’ entspinnt Jake Scott einen charaktervollen Film, der unterhält und nachdenklich macht.

Der kleine Independentfilm lotet nicht nur für seine Protagonisten mögliche Wege ins Leben zurück aus, sondern bringt auch den hauptberuflichen Werberegisseur Jake Scott wieder auf die Kinoleinwand. Sein Spielfilm-Debüt war vor über einem Jahrzehnt das knallige Räuber-Artefakt »Plunkett & Macleane«. Mit den »Rileys« schlägt er jedoch eine ganz andere Gangart ein. Ernsthaft und durchaus gegen den Stilstrich seiner eigenen Verwandschaft (»Gladiators«-Vater Ridley und »Man on Fire«-Onkel Tony) erzählt er dieses liebenswerte und zugleich unterhaltsame Drama.

Gegen die Erwartungen wurden auch die Rollen besetzt. Der schwergewichtige »Soprano« James Gandolfini gibt dem verrückt anmutenden Unterfangen Doug Rileys, ein halbwüchsiges Mädchen aus ihren Sumpf zu befreien, Glaubwürdigkeit und zu Herzen gehende Aufrichtigkeit. Ehrlich, vulgär und rotzig darf »Twilight«-Bella Kristen Stewart als abgeranzte Stripperin mehr als nur einen Gesichtsausdruck probieren. Sie findet sich auf überzeugende Weise zwischen den Vollblutmimen Gandolfini und Melissa Leo, der eigentlichen Attraktion des Films.

Nur schwerlich erkennt man die soeben mit dem Oscar prämierte aufgetakelte Mutter aus »The Fighter« in der angstbesetzten, unendlich traurigen Lois Riley wieder. Diese ist nach einem Unglück verdammt zu Mutterschaft ohne Kind und entsagt der Welt komplett, eingeschlossen in ihrem Vororthaus. Wie eine lebendige Tote scheint sie nur auf das Vergehen ihrer eigenen Hülle zu warten. Auch bei ihrem Mann Doug vergehen die Tage in aller Eintönigkeit, wobei er sich zumindest noch existent fühlt.

Mit langen Einstellungen filmt Jake Scott die Statik dieses von Trauer erfüllten Lebens. Der Grund dafür wird dramaturgisch klug erst zu einem Zeitpunkt verraten, an dem man die Verletzungen unter dem Panzer längst sehen und erspüren konnte. Mit Dougs Dienstreise nach New Orleans kommt Musik, Schwung und warme Farbe in die Bilder. Denn die Begegnung mit der jungen Stripperin Mallory ist der Beginn einer ungewöhnlichen Verbindung. Die fluchende, vulgäre Göre rührt an Dougs Vatergefühlen und lässt ihn in der Rettung des Mädchens eine neue Aufgabe finden.

Wie sich die beiden Ungleichen zusammenraufen und ihre Bude auf Vordermann bringen, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Dabei bleibt es ein leiser und sensibler Film, in dem viel auf den Gesichtern und in den Herzen passiert. Als Lois erfährt, dass Doug vorerst nicht in ihr Kokonleben zurückkehren wird, entwickelt sie Kampfgeist. Ihr Erwachen und der Wandel wird im Gegensatz zur Exposition etwas zu schnell erzählt. Plötzlich kann sich der Plot einer gewissen Naivität nicht mehr erwehren.

Nichtsdestotrotz berührt der Film, ohne rührselig zu sein. Es sind seine warmherzige Einfachheit und gut gezeichnete Figuren, die über so manchen Stolperer und wenig kreative Lösungen in der Geschichte hinwegsehen lassen. Ohne übertriebene Psychologisierung gelingt es dem Film, der Aussichtslosigkeit etwas Realismus und Hoffnung entgegenzusetzen, so dass zuletzt alle in ein auch unbekanntes, aber neues Leben gehen können.


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