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Kultur

Die menschliche Maria

Das Tanzoratorium »Maria XXX« gibt es nun als Film

  Die menschliche Maria | Das Tanzoratorium »Maria XXX« gibt es nun als Film

Was passiert, wenn man Körper unterdrückt und Begehren ausschließt?« Das sei die Kernfrage ihrer Tanzproduktion »Maria XXX«, erklärte Heike Hennig im vergangenen Jahr im kreuzer-Gespräch. Die Leipziger Choreografin wollte einem zweitausend Jahre alten Frauenbild auf den Grund gehen, die Gottesmutter zu einem ganzen Menschen machen und den Körper zelebrieren. Das ist ihr mit »Maria XXX« meisterlich gelungen, im Film zu sehen am Sonntag im Centraltheater.

Ihr nun filmisch zu erlebendes Tanzoratorium feierte im Juni 2010 bei den Händel-Festspielen Halle im dortigen Neuen Theater seine Uraufführung. Heike Hennigund die Lautten Compagney zeigen zeitgenössischen Tanz zu barocker und Neuer Musik in Perfektion. Die Kompositionen stammen von Georg Friedrich Händel, Alessandro Scarlatti und der Leipziger DJane CFM. Aber es geht in der Produktion nicht einfach darum, zu wohlklingender Musik ästhetisch zu tanzen. Immer wieder wird der schöne Schein der verspielten Klänge gebrochen, wird die nach Barockprinzipien entworfene Choreografie auseinandergenommen und gewendet. Da treffen Straßentänzer auf Musiker mit klassischer Ausbildung und auch die Sängerkörper werden in die Choreografie eingebunden.

Hinzu kommt bei »Maria XXX« auf der inhaltlichen Ebene das Spiel mit dieser höchst symbolischen Figur der Gottesmutter. In der Geschichte in aller Regel entsinnlicht dargestellt, wird sie bei Heike Hennig zur leibhaftigen Frau: »Es geht um eine Ikone und um Leiblichkeit, um die Frau Maria mit ihren Zyklen und ihrem Begehren«, sagt Heike Hennig. So tritt eine mal starke, mal zerbrechliche Maria in allen auch allzu menschlichen Momenten auf. Hinzu kommen faszinierende Choreografien, in denen Hennig mit künstlerisch sicherer Hand zwei Dutzend Menschen führt.

Ungewohnt einmütig feierten Publikum wie Kritik die Produktion als Meisterwerk. Diejenigen, die diese nicht sehen konnten, haben nun immerhin die Chance, das Geschehen auf der Leinwand zu erleben. Das ist natürlich etwas anders, als bei einer echten Vorstellung anwesend zu sein. Aber auch dem distanzierenden Kamerablick gelingt eine eigene, spürbare Intensität. Denn der Film ist nicht allein bloße Dokumentation, sondern selbst Inszenierung. An drei Drehtagen wurde er als Live-Mitschnitt erstellt. Sechs Kameras nahmen die Bühnenperformance auf und insgesamt neun Perspektiven sind in das Seh-Werk eingeflossen. So ist man immer wieder ganz nah an den Tänzern dran, zudem entstehen fast intime Momente – eine Wirkung, welche die große Leinwand bei der Premiere im Centraltheater sicherlich noch verstärken wird.


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