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Filmkritik

Loser auf der Sonnenseite

Im Film »Win Win« suchen grundanständige Menschen mit Fehlern nach dem Glück

  Loser auf der Sonnenseite | Im Film »Win Win« suchen grundanständige Menschen mit Fehlern nach dem Glück

Anwalt Mike wartet verzweifelt auf Klienten. Auch das von ihm trainierte Highschool-Ringerteam badet nicht gerade im Erfolg. Mit dem Enkel eines Klienten klopft das Glück an die Tür – allerdings nur kurz. Paul Giamatti als strauchelnder Alltagsmensch auf der Suche nach alltäglichen Freuden und Erfolgen ist in Tom McCarthys neuem Film »Win Win« erneut wunderbar überzeugend.

Resignation ist ein Lebensgefühl, in dem sich der Schauspieler Paul Giamatti zu Hause zu fühlen scheint. Bereits in »Sideways« eroberte er mit der Figur des frustrierten Weinliebhabers nonchalant die Herzen der Zuschauer und auch der Rechtsanwalt Mike Flaherty, den er in Tom McCarthys »Win Win« spielt, steht nicht gerade auf der Siegerseite des Lebens.

Seine Kanzlei kriselt mit wenigen, finanzschwachen Mandanten vor sich hin, der Heizkessel im Keller fordert lautstark eine unbezahlbare Reparatur ein und die Familie zu Hause ahnt nichts von der drohenden Zahlungsunfähigkeit ihres Brötchenverdieners. Aus der Not heraus übernimmt Mike für ein monatliches Gehalt von 1500 Dollar die Betreuung eines an Demenz erkrankten Klienten und steckt ihn in ein Pflegeheim, obwohl Leo (Burt Young) sich nichts sehnlicher wünscht, als in der vertrauten Umgebung seines eigenen Hauses zu bleiben. Wenig später sitzt Leos Enkel Kyle (Alex Shaffer) vor der Tür, der von zu Hause abgehauen ist, nachdem sich seine drogensüchtige Mutter in eine mehrmonatige Entziehungskur begeben musste. Mike und seine Frau Jacky (Amy Ryan) nehmen den Jungen vorübergehend bei sich auf. Als Mike, der ehrenamtlich das wenig erfolgreiche Ringerteam der High-School leitet, den verstockten Jugendlichen mit zum Training nimmt, stellt sich bald heraus, dass Kyle zu Hause in Ohio ein vielversprechendes Ringertalent war. Kyle steigt in das Team ein und mit ihm kann die Verlierercrew zum ersten Mal bei den Turnieren punkten. Langsam beginnt sich Kyle in seiner neuen Umgebung und der Gastfamilie einzuleben, bis wenig später seine Mutter vor der Tür steht und nicht nur für den Jungen, sondern auch für ihren wohlhabenden Vater sorgen will.

Etwas ungelenk hängt McCarthys »Win Win« zwischen klassischem Sportfilm, Sitcom und Familiendrama. Aber auch wenn die unterschiedlichen Genres nicht richtig miteinander fusionieren wollen und es im dramaturgischen Getriebe, wenn der Film auf sein Happy End zusteuert, ganz kräftig knirscht, gewinnt der Film durch seine differenzierte Figurenzeichnung und die soziale Genauigkeit, mit der das Milieu des kriselnden amerikanischen Mittelstandes dargestellt wird. Paul Giamatti überzeugt wieder einmal als strauchelnder Alltagsmensch, aber auch Amy Ryan gibt der eigentlich eher undankbaren Rolle der Ehefrau und Mutter eine erfrischend patente Aura.

Schon in seinen ersten beiden Filmen »Station Agent« und »Ein Sommer in New York« hatte sich McCarthy als gründlicher Charakterforscher bewährt. Auch in dem deutlich leichter angelegten »Win Win« zeigt er seine Vorliebe für Figuren, die trotz aller Fehler, die sie begehen, eine Grundanständigkeit in sich tragen und dem Film damit eine pragmatisch humanistische Haltung verleihen, die ohne sentimentale Soßenbeigabe auf das Gute im Menschen verweist.


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