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Filmkritik

Der Reiz des Verbotenen

Unaufgeregt und sehenswert: Die deutsch-deutsche Liebesgeschichte »Westwind«

  Der Reiz des Verbotenen | Unaufgeregt und sehenswert: Die deutsch-deutsche Liebesgeschichte »Westwind«

Robert Thalheims neuer Film »Westwind« zeigt jugendlichen Leichtsinn und die frische Liebe zwischen Teenagern, die am Ende ihrer Sommerferien nicht nur entscheiden müssen: Ost oder West?

1988 ist Holland Europameister geworden. George W. Bush senior wurde zum 41. Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt und Celine Dion gewann den Eurovision Song Contest. Soviel zum unnützen Wissen über das Jahr 1988. Es ist aber auch das Jahr vor dem Mauerfall, das letzte Jahr, in dem es die BRD und die DDR noch gab. Und es ist das Jahr, in dem die ostdeutschen Zwillinge Doreen und Isa aus Döbeln ihre Ferien in einem Pionierlager am Balaton verbringen. Die beiden Rudererinnen sind das erste Mal im sozialistischen Ausland und treffen direkt auf den »Feind«: zwei zuvorkommende Jungs aus Hamburg, die eine Mitfahrgelegenheit anbieten.

Hamburg und Döbeln – geographisch liegen zwischen den beiden Städten nur 500 Kilometer, aber 1988 waren es Welten. Aus dem Kassettenplayer im Autoradio tönt Depeche Mode. Musik, die Doreen und Isa nur bei »Westwind« hören können und nun in einem alten VW-Käfer weit weg von der Heimat genießen.

Es kommt, wie es kommen muss: der Reiz des Verbotenen, die jugendliche Leichtsinnigkeit und sommerliche Frühlingsgefühle treffen aufeinander. Doreen und Arne verlieben sich ineinander über Mauern und innerdeutsche Grenzen hinweg. Eine junge und frische Liebe, die sogar eine Flucht in der Hutablage des VW-Käfers nicht ausschließt.

Die Geschichte von Isa, Doreen und Arne ist nicht nur die Geschichte von Westwind, sondern auch die Geschichte der Produzentin Susann Schimk und ihrer Schwester. Und die Geschichte einer Trennung. Die beiden Zwillingsschwestern, die im Film einfühlsam und fordernd zugleich von den Newcomerinnen Friederike Becht und Luise Heyer gespielt werden, müssen sich entscheiden. West oder Ost, Geschwisterliebe oder erste Liebe, Nudossi oder Nutella.

Das Aufeinanderprallen deutsch-deutscher Welten in Robert Thalheims dritter Regiearbeit kommt ganz ohne die Übertreibung von »Good Bye Lenin« oder »Sonnenallee« aus. Ganz beiläufig, unaufgeregt und absolut sehenswert vermischt er in »Westwind« eine universelle Liebesgeschichte mit deutscher Geschichte. Und das ist im deutschen Film eine echte Seltenheit.


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