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Kultur

Ein Käfig voller Lichter

Vom Licht ins Dunkel: Sebastian Hartmann gestaltet eine hellsichtige Inszenierung um die Fragen des Woher und Wohin

  Ein Käfig voller Lichter | Vom Licht ins Dunkel: Sebastian Hartmann gestaltet eine hellsichtige Inszenierung um die Fragen des Woher und Wohin

Vorbemerkung: An der Wunde Stadttheater soll in diesem Beitrag nicht gerührt werden. Es steht die Premiere von »Fanny und Alexander« im Zentrum, mit der das Centraltheater die neue Spielzeit eröffnet hat. Die Bezüge zwischen dem Stück und Sebastian Hartmanns Nicht-Verlängerung der Intendanz wären auch zu naheliegend: Das Stück nach Ingmar Bergmann handelt von zwei Kindern, die aus einer fantastischen Welt voll Magie und Experiment herausfallen und in einem tristen Käfig der Tradition landen. Zu sehen bekommt das Publikum also, das soll als letztes Wort gesagt sein, was nun nach dem angekündigten Intendantenwechsel im Schauspiel Leipzig nicht mehr stattfindet.

Schweden, Anfang des 20. Jahrhundert. Ein Provinzstädtchen, das nicht zufällig an Leipzig erinnert, ist hübsch eingeschneit und freut sich auf das Weihnachtsfest. Hier dient neben dem Dom ein Privattheater der Erbauung – es gehört der Familie Ekdahl. Und auch diese will den Heiligen Abend feierlich begehen. Doch mitten im fröhlichen Fest wird der Theaterfamilie mit Intendant Oskar Ekdahl der Ehemann und Vater, Sohn und Bruder genommen. Nicht viel Zeit vergeht und Mutter Emilie findet Zusprache – der Trostspender ist ausgerechnet der stocksteife Bischof Edvard Vergerus. Alsbald müssen Alexander und Fanny in das den Geist beengende Bischofshaus, das mit dem Buch der Bücher nur ein Druckwerk aufweist, umziehen. Unter der Fuchtel des gestrengen Geistlichen ersterben alle Träume, wird das Leben zum Martyrium. Ist der Mensch nur im Spiel ganz bei sich selbst, so trifft das bei Alexander nur mehr auf seinen brennenden Bischof-Hass zu. Wenn die Nacht am tiefsten, ist der Tag am nächsten.

»Beeilt euch. Ich bekomme noch Besuch vom Heiligen Vater – der ist nämlich im Land!« – Jetzt kann der Bischof wieder lachen, wenn er als Geist aus der Rolle fallend die anderen Spieler im Epilog ermahnt, die Vorstellung doch einmal zu Ende zu bringen. Als das letzte Wort auf der Bühne fällt, sitzt der Zuschauer bereits mehr als zweieinhalb Stunden im Sessel – und hat sich dennoch keinen Moment gelangweilt. Denn der Abend ist kompakt und dicht, temporeich und zeigt keine Längen. Das durchweg respektable Ensemble bringt vielfarbene Stimmungen auf die Bühne - besonders anrührend ist die Klage Cordelia Weges um ihren toten Mann Oskar - , die durch die dezente Kulisse verstärkt werden. Besonders bestechend zeigt sich hier die Beleuchtung: Denn gegeben werden diese Leiden des jungen Alexander vor allem in einem Lichtkäfig, der mal strahlend, mal gedämmt flimmernd das Geschehen visuell überhöht und begleitet. Auch die Musik – wer hätte gedacht, dass Sebastian Hartmann Rammstein kennt? – verfügt einmal mehr über dramaturgische Kraft und fügt einzelne Szenen zusammen.

So fügt sich von »Fanny und Alexander« zu einem ansehnlichen Komplementärstück zur hochgelobten Hartmann-Inszenierung »Eines langen Tages Reise in die Nacht« (2009). Bildete dort das buchstäbliche Eingepferchtsein einer Familie das räumliche Grundkonzept, so ist es hier der offene Raum, in dem die Schauspieler nicht minder beklemmend, in Höchstform zwischen eingeübtem Spiel und Improvisationen oszillieren. Man muss das Wort von der »Leipziger Handschrift« nicht übertreiben, das eine Kritikerin Sebastian Hartmann verlieh, ohne sich über das konsequente Suchen nach Sinn und Form zu erfreuen, das der Intendant einmal mehr auf die Bühne gehoben hat. Hartmann nimmt die (Selbst-)Behauptung des Theaters ernst, was gegenteiliger Behauptungen zum Trotz sein Publikum mit einschließt: Nun gab es sogar wieder einmal eine Premierenfeier bei Freibier und Nudelhäppchen.


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1 Kommentar(e)

Thomas aus Leipzig-Ost 26.09.2011 | um 13:39 Uhr

Liest man die wohltuende Einschätzung Tobias Prüwers zur aus meiner Sicht sehr gelungenen "Fanny und Alexander"-Insznierung, so fragt man sich, warum an anderer Stelle jemand diesen Abend beurteilt, dem ganz offensichtlich jegliches Verständnis für Hartmanns Theater abgeht. Man muß das nicht haben, keine Frage, aber muß man dann einen solchen Verriß schreiben wie Herr Korfmacher in der LVZ?