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Kultur

Reformatoren, Konvertiten und Nestbeschmutzer

Zur Feier des Tages: Drei Bücher zum Reformationsfest

  Reformatoren, Konvertiten und Nestbeschmutzer | Zur Feier des Tages: Drei Bücher zum Reformationsfest

Pünktlich zum Reformationstag beschäftigen sich drei neue Werke mit Jesus, der Frage, warum man überhaupt noch evangelisch ist und einem gescheiterten Reformator aus Slowenien.

Obwohl nur 0,9 Prozent seiner Einwohner einer evangelischen Kirche angehören, leistet sich Slowenien den 31. Oktober als gesetzlichen Feiertag. Das verlängerte Wochenende verdanken die Slowenen ihrem Reformator Primož Trubar (1508-1586), uns besser bekannt als Primus Truber, der nicht nur den neuen Glauben in seine Heimat eingeführt, sondern auch das erste Buch in slowenischer Sprache geschrieben hat. Während Trubar als Reformator so ziemlich gescheitert ist – über die Hälfte aller Slowenen ist heute katholisch –, war er als Begründer der slowenischen Literatur und damit einer eigenen slowenischen Identität überaus erfolgreich. Jetzt hat der Wieser Verlag aus Klagenfurt die klassische Trubar-Biografie des Publizisten Jože Javoršek von 1977 neu herausgegeben. Um es kurz zu machen: Zwar erfährt darin der Leser allerlei über das spannende Leben des ebenso gelehrten wie tatkräftigen Reformators, und Javoršeks essayistisch-pointierter, oft leidenschaftlicher Stil macht sein Buch zu einer unterhaltsamen Lektüre. Wer aber eine wissenschaftlich fundierte Darstellung zu Trubar sucht, sollte lieber auf die inzwischen recht umfangreiche Fachliteratur zurückgreifen. Javoršek selbst macht keinen Hehl daraus, dass er mit dem Theologen Trubar wenig anfangen kann – dafür um so mehr mit dem Sprachschöpfer. Und das ist dann doch sehr interessant: Hier bekennt sich ein Intellektueller im Jugoslawien der siebziger Jahre auf unmissverständliche Weise zu seinem Slowenentum. Javoršek feiert Trubar geradezu als Symbolfigur gegen alle Versuche, das Slowenische im Serbokroatischen aufgehen zu lassen. Wer also nicht allein etwas über Primož Trubar, sondern darüber hinaus sehr viel über die nationale Identität der Slowenen erfahren will, sollte unbedingt Javoršeks Trubar-Biografie lesen.

Trubar hat es zu seiner Zeit nicht leicht gehabt. Aber auch heutzutage haben die Protestanten manches auszustehen. Der Papst mag die evangelischen Schwestern und Brüder nicht so recht als vollwertige Kirche anerkennen. Gleichzeitig ist es gute protestantische Tradition, den eigenen Verein ordentlich mies zu machen und seinen baldigen Untergang zu prophezeien (siehe zum Beispiel die Polemik »Kirchendämmerung« des Münchner Theologen Wilhelm Graf). Da tun zum Reformationstag ein paar Streicheleinheiten gut.

Die kann sich der verzagte Evangele bei Arnd Brummer abholen. Aber auch für alle anderen, Katholiken oder Atheisten, ist seine Bekenntnisschrift »Unter Ketzern« eine lohnende Lektüre. Darin legt der Chefredakteur der evangelischen Zeitschrift Chrismon, dar, warum er evangelisch geworden ist. Er war nämlich vorher Katholik, Brummer ist konvertiert. Natürlich weiß er genau, dass von einem Frischbekehrten besonderer Glaubenseifer erwartet wird – und hält sich damit auf angenehme Weise zurück. Weder rechnet er mit der katholischen Kirche ab, noch will er jemanden für das Luthertum missionieren (oder doch beides nur ein bisschen). Brummer erzählt einfach seine ganz persönliche Bekehrungsgeschichte, kenntnisreich und unaufgeregt, kein neokonservatives Gegeifer, aber auch keine aufdringliche Kirchentagsrhetorik à la Käßmann. Jetzt müsste Herr Brummer uns nur noch verklickern, warum zur Hölle er Mitglied der FDP ist. Aber das wäre sicher nicht so einfach.

Zum Schluss – wie versprochen: Ohne Nestbeschmutzung geht es bei den Protestanten nun einmal nicht ab. Einer der aktuell unterhaltsamsten Schmutzfinken ist der Nachwuchstheologe Sebastian Moll. In seinem Pamphlet »Jesus war kein Vegetarier« reitet er gleich eine ganze Attacken-Serie gegen das protestantische Gutmenschentum in all seinen scheinheiligen Facetten, von der theologischen Begründung des Vegetarismus über die argumentativen Verrenkungen feministischer Theologie bis hin zu der unsäglichen »Bibel in gerechter Sprache«. Meist genügt ein Blick auf den biblischen Urtext, um derlei sehr schnell den theologischen Boden zu entziehen. Alles in allem ist es ziemlich schockierend, mit welch selbstherrlicher Nonchalance ausgerechnet Vertreter der evangelischen Konfession, die ja erklärtermaßen allein die Schrift als Grundlage ihres Glaubens anerkennen, sich über eindeutige Aussagen eben der Schrift meinen hinwegsetzen zu dürfen. Aber: »Man kann sich als Außenstehender die Heuchelei innerhalb dieses Milieus kaum vorstellen, man muss sie erlebt haben.« Immerhin duldet dieses Milieu Nestbeschmutzer wie Moll, der als Theologe an einer deutschen Universität arbeitet. Bei aller berechtigten Kritik, ihre prinzipiell offene Streitkultur ist entschieden eine Stärke der evangelischen Kirche. Falls Sie jedoch gerade mit dem Gedanken spielen sollten, ihr zum Reformationstag beizutreten, lesen Sie vielleicht doch lieber Brummer als Moll.


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