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Kultur

»Im Bunker unternehmen wir Mentalreisen«

Die Electrorock-Band Digitalism über Frankreich, Punkrock und ihr aktuelles Album »I Love You, Dude«

  »Im Bunker unternehmen wir Mentalreisen« | Die Electrorock-Band Digitalism über Frankreich, Punkrock und ihr aktuelles Album »I Love You, Dude«

Jens Moelle und Ismail Tuefekçi alias Digitalism zählen zu den bekanntesten Vertretern der internationalen Indietronic-Szene, in der elektronische Sounds und Indierock-Elemente zu einer tanzflächentauglichen Symbiose geführt werden. Nach Konzerten in den USA, Australien und Japan sowie einigen Festivalterminen in diesem Sommer spielen sie nun in Leipzig.

kreuzer: Eure Musik wird gerne mit französischen Acts wie Daft Punk, Air oder Justice verglichen. Und euer Debütalbum »Idealism« erschien zunächst auf dem französischen Label Kitsuné. Wie kommt es, dass ihr eine so starke Beziehung zur französischen Electroszene besitzt?

JENS MOELLE: Wir wurden später auch noch von einem französischen Major-Label unter Vertrag genommen, vom selben legendären Team, das damals auch Daft Punk, Air und Phoenix gesignt hatte.

ISMAIL TUEFEKÇI: Und Röyksopp …

MOELLE: Wir sind groß geworden mit den ganzen alten Daft Punk-Scheiben, bei denen es viel um Loops und Sampling ging. Genau so haben wir später auch im Studio angefangen zu arbeiten.

kreuzer: Euer Debüt wurde 2007 veröffentlicht. Damals stand der Hype um Indietronic und Bands wie Hot Chip oder Klaxons gerade erst in den Startlöchern. Mittlerweile ist die Kombination aus Indie und Electro fast allgegenwärtig. Was bedeutet diese Entwicklung für Digitalism?

TUEFEKÇI: Ich glaube, es ist viel spezifischer geworden: Bis vor ein, zwei Jahren sind noch Leute aus dem Electro-Umfeld und aus dem Indie-Bereich zusammen in den Club gegangen. Heute siehst du diese Mischung nicht mehr, weil es auch musikalisch auseinandergedriftet ist: Das zweite Klaxons-Album ist eher Rock, während die erste Platte auch Dance-Elemente beinhaltet hat. Bei Goose und uns ist das anders: Wir möchten diese Mischung beibehalten. Wir wollen weder Indie noch Electro sein, sondern genau dazwischen. Wenn wir nur eine Sache machen würden, wäre das für uns langweilig.

MOELLE: Und wenn immer mehr Leute diese Indietronic-Schiene fahren, ist es wichtig, dass man selbst auf Kurs bleibt. Wir haben unseren Sound konsequent weitergetrieben: Die Synthesizer sind noch alle am Start, die Gitarren und auch die Live-Drums. Aber die Songs sind extremer geworden: Wir wollen zum Beispiel nicht mehr dieselbe Geschwindigkeit in einem Song beibehalten. Aber vor allem versuchen wir nicht, in einem Trend mitzuschwimmen. Das wäre Schwachsinn.

kreuzer: Im Zuge der Indietronic-Welle machen immer mehr Künstler vorrangig mit dem Laptop Musik. Die meisten schaffen es aber nicht, bei einem Konzert ein richtiges Live-Feeling entstehen zu lassen. Wie geht ihr diese Herausforderung an?

TUEFEKÇI: Wenn man sich die Chemical Brothers oder Daft Punk anschaut, dann ist in ihren Songs zwar Gesang enthalten, aber sie singen nicht selbst. Bei uns ist die Show ganz anders, weil Jens singt. Deshalb sehen wir uns auch mehr als Band, weil wir auf der Bühne Animationen machen und mit den Leuten kommunizieren. Da steht nicht nur ein Laptop, sondern da singt einer, da sind Instrumente, da spielt jemand Schlagzeug.

MOELLE: Einige verstecken sich gerne hinter ihren Geräten. Wir benutzen sie einfach, damit richtig Action auf der Bühne ist. Das macht uns Spaß, und ich glaube, das sieht man auch.

kreuzer: Der Gesang auf eurer neuen Platte »I Love You, Dude« klingt deutlich besser. Jens, was hast du denn im Vergleich zur ersten Platte anders gemacht?

TUEFEKÇI: Eingeölt (lacht).

MOELLE: Nee. Ich habe das dieses Mal nicht im Sitzen mit dem schlimmsten Mikro aufgenommen, wo noch Lüfter im Hintergrund laufen, sondern mehr Wert auf die Produktion gelegt und sogar ein paar Stimmaufnahmen extra in London gemacht, bei einem Kollegen, der dafür auch das richtige Equipment hat, um das wir uns niemals gekümmert haben. Das Resultat ist ganz gut.

kreuzer: Euer eigenes Studio habt ihr in einem alten Bunker eingerichtet. Es gibt dort kein Tageslicht und keine Belüftung. Wie wirkt sich diese Umgebung auf eure Arbeit an neuen Songs aus?

MOELLE: Weil es keine Fenster hat, reisen wir in unserem Studio im Prinzip mit unseren Köpfen irgendwohin. Daher ist dieser Bunker auch ein ganz wichtiger Teil unserer Musik. Da ist man mit dem Kopf schnell in Frankreich oder auf einer Insel. Wir unternehmen dort gewissermaßen Mentalreisen.

TUEFEKÇI: Ja, der Bunker ist ziemlich inspirierend. Mittlerweile haben wir auch eine Heizung, nur eine Klimaanlage ist leider nicht möglich.


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