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Kultur

»Niemand will in einer Fußballmannschaft spielen, die keine Tore schießt«

Ron-Dirk Entleutner, Dirigent des Jugendsinfonieorchesters, über ein Musikschulorchester auf Reisen, Ehrenbürger Masur und das Maß des Leistungsdrucks

  »Niemand will in einer Fußballmannschaft spielen, die keine Tore schießt« | Ron-Dirk Entleutner, Dirigent des Jugendsinfonieorchesters, über ein Musikschulorchester auf Reisen, Ehrenbürger Masur und das Maß des Leistungsdrucks

Die Musikschule Johann Sebastian Bach feiert dieses Jahr ihr 60-jähriges Bestehen. Nach den Turbulenzen der neunziger Jahre hat sie sich als Ausbildungsstätte konsolidiert und verzeichnet hohe Schülerzahlen. Zu ihren Erfolgsgeschichten zählt zweifellos das 1985 gegründete und seitdem mehrfach preisgekrönte Jugendsinfonieorchester. Seit elf Jahren ist der 1976 in Leipzig geborene Ron-Dirk Entleutner Dirigent und künstlerischer Leiter des Klangkörpers.

kreuzer: Sie leiten das Jugendsinfonieorchester Leipzig, sind Universitätsmusikdirektor an der Universität Koblenz-Landau und engagieren sich nebenher in eigenen Projekte wie den amici musicae oder im Neuen Kammerchor Leipzig. Können Sie sich noch an Ihren letzten freien Tag erinnern?

RON-DIRK ENTLEUTNER: Gute Frage. Das war im Sommer, glaube ich. Es kommt schon einiges zusammen, vieles befruchtet sich aber auch gegenseitig. Ehemalige aus dem JSO wechseln zu den amici musicae, ähnlich verhält es sich in Koblenz. Alle meine Ensembles pflegen eine aktive Partnerschaft. Manche Projekte wie der Neue Kammerchor finden nur dreimal im Jahr statt, so dass die Musikschule meine Hauptaufgabe bleibt.

kreuzer: Vor kurzem gastierte das Jugendsinfonieorchester beim Eurochestries-Festival in Quebec. Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass ein Musikschulorchester so häufig im Ausland unterwegs ist. Welchen Mehrwert sehen Sie in diesen Reisen?

ENTLEUTNER: Ganz klar in der musikalischen und menschlichen Qualität. Das Orchester wächst dadurch ungemein, außerdem haben die Konzertreisen eine lange Tradition, die noch zu Ostzeiten begründet wurde. Diese Tradition wird fortgeführt und durch einen erweiterten Fankreis ermöglicht. Da es ein Vorzeigeensemble ist, wird es auch häufig gebucht.

kreuzer: Große Unterstützung erhielt die einstige Bezirksmusikschule von Kurt Masur. Auch wenn Sie selbst zu dieser Zeit noch Thomaner waren: Inwieweit hat sein Engagement die Musikschule beeinflusst?

ENTLEUTNER: Als Gewandhauskapellmeister konnte er gerade durch seinen Posten vieles bewegen. In die Musikschule hat er viel Kraft und Zeit investiert, weil er weiß, dass die professionelle Ausbildung des musikalischen Nachwuchses vor der Hochschule sehr wichtig ist.

kreuzer: Sie nehmen regelmäßig an Wettbewerben teil und haben mit dem Orchester bereits mehrere Preise gewonnen. Eine Prestigefrage?

ENTLEUTNER: Wir sind klein, semiprofessionell und müssen uns jedes Mal aufs Neue beweisen. Wettbewerbe sind optimale Gelegenheiten, das Feld an Jugendorchestern abzustecken und die Leistungsflagge hochzuhalten. Sie bieten ein Ziel, auf das man hinarbeiten kann und erhöhen die Motivation. Aus diesen Gründen bereiten wir uns im Abstand von vier Jahren auf Wettbewerbe vor.

kreuzer: Der Leistungsdruck nimmt dabei hoffentlich nicht überhand.

ENTLEUTNER: Natürlich nicht. Wir können die Kinder nur soweit in Anspruch nehmen, wie es die sonstigen Verpflichtungen zulassen. Aber ich meine auch: Niemand will in einer Fußballmannschaft spielen, die keine Tore schießt.


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