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Filmkritik

Korrupte Nasen

»Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen« neu im Kino

  Korrupte Nasen | »Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen« neu im Kino

In seinem Kinodebüt »Das System – Alles verstehen heißt alles verzeihen« erzählt Regisseur Marc Bauder klischeehaft, aber gekonnt eine raffinierte Post-Stasi-Story.

Verschwörungstheorien bieten traditionell eine perfekte Basis für Politkrimis. Mit ein paar ehemaligen Stasi-Offizieren sind die üblichen Verdächtigen in Sachen skrupellose Strippenzieher ohne viel Aufwand rekrutiert. Konrad Böhm gehörte einst zu den gefährlichen Fischen im DDR-Geheimdienst-Teich. Heute ist er ein überaus erfolgreicher Geschäftsmann. Die guten alten Kontakte sowie die Kenntnis allerlei brisanter Geheimnisse machen es möglich, dass Unternehmer Böhm auch beim lukrativen Bau der russisch-deutschen Gas-Pipeline die korrupte Nase stets vorne hat. »Ihr habt 89 an uns verdient – jetzt sind wir dran«, erpresst er selbstbewusst wie siegessicher einen ehemaligen Klassenfeind. Der junge Mike erliegt ebenfalls recht schnell dem Charme von Böhm. Er wurde von ihm beim Einbruch erwischt. Statt der Anzeige folgt allerdings ein Jobangebot als Assistent. »Schwul?« denkt sich der attraktive Kiffer. Die wahren Gründe seines Wohltäters sind indes ganz andere – worüber auch Mikes Mutter sichtlich beunruhigt scheint. War der Tod ihres Mannes vor 20 Jahren etwa gar kein tragischer Unfall?

Dem Kinodebüt von Marc Bauder ist sichtlich anzumerken, dass es als »Kleines Fernsehspiel« entstanden ist. Geschichten von orientierungslosen Jugendlichen sind dort so gerne gesehen wie dezente Sozialkritik. Die Klischees sind dabei fast schon Klassiker: Sei es bei Schauplätzen wie auf dem Dach der tristen Plattenbausiedlung oder dem Pool der Bonzenvilla. Oder beim Figurenkabinett, das von der alkoholkranken, alleinerziehenden Mutter bis zum schrulligen Stasi-Spinner reicht, der das unterirdische Geheimarchiv mit seinem Gewehr verteidigt. Fehlt nur noch Heinz Hoenig als Inkarnation der Korruption – und tatsächlich tritt er leibhaftig auf.

Bei aller Fernsehformatigkeit kann sich der Politkrimi allerdings durchaus auf der Leinwand sehen lassen. Denn Regisseur Bauder baut auf ein überzeugendes visuelles Konzept, erzählt seine raffiniert gebaute Story psychologisch plausibel und verfügt über zwei charismatische Akteure, zwischen den die Chemie aufs beste stimmt. Von dem seltsamen Titel sollte man sich nicht abschrecken lassen. Der wirkt ähnlich überambitioniert und aufgesetzt albern wie die eingestreuten TV-Aufnahmen von Gerhard Schröder an der russischen Pipeline.


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