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Kultur

»Wir sind nicht besonders dramatisch«

Die Band Boy über Riot-Girls, wenig Sorgen und Tokio Hotel

  »Wir sind nicht besonders dramatisch« | Die Band Boy über Riot-Girls, wenig Sorgen und Tokio Hotel

Valeska Steiner (26) und Sonja Glass (35) spielen als Gitarrenduo Boy unbeschwerte Songs für gestresste Großstädter. Seit ihr Debütalbum »Mutual Friends« in den Plattenläden steht, reißen sich Konzertveranstalter, Radiosender und TV-Stationen um die Musikerinnen, die ihre Wurzeln in Zürich und Hamburg haben. Derzeit sind Boy auf Deutschlandtournee. Im Vorfeld ihres Konzertes in Leipzig sprechen die beiden Musikerinnen über Schubladendenken, ihren neuen Nightliner und Vorsicht beim Partymachen.

kreuzer: Boy sind »ein Girlpopduo«, »eine Mädchenband«, »ein neues Fräuleinwunder« - so steht es über Euch in den Zeitungen. Gefällt Euch diese Beschreibung?

VALESKA STEINER: Wir sind zwar keine dreizehn mehr, aber solange die Leute unsere Musik hören und sich ihr eigenes Bild von uns machen, sind solche Begriffe für Boy schon okay.

kreuzer: In einem früheren Interview hast du gesagt: »Mich nervt das Schubladendenken im Musikgeschäft. Was mich stört, ist, dass Du als Frau entweder Riot-Girl bist oder süß sein darfst. Und trägst du mal ein Blumenkleid, bist du in der süßen Ecke.« Ich schließe daraus, dass Du nicht süß sein willst.

STEINER: Ich will nur in keine Ecke gedrängt werden, das ist alles. Wenn ich ein Blumenkleid anziehe, denken die Leute immer gleich, die flechtet sich den ganzen Tag Zöpfe. Und wenn ich mir eine Lederjacke anziehe, heißt es womöglich, die zeigt ständig den Stinkefinger. Ich finde es schade, dass das gleich immer so viel bedeuten muss.

kreuzer: In einem Internetblock habe ich folgenden Satz entdeckt: »Boy machen nun wahrlich keine maskuline Musik, sondern – da dreht sich der Spieß respektive Phallus wieder um – protoweiblichen Folkpop.«

STEINER: Proto-was?

kreuzer: Protoweiblichen Folkpop.

SONJA GLASS: Abgefahren.

kreuzer: Noch nie gehört den Ausdruck?

GLASS: Nein. Vermutlich erfinden die Leute extra für Boy neue Musikbegriffe, was uns natürlich sehr freut, aber leider kann man sich darunter oft nicht viel vorstellen. Deshalb hört man sich am besten das Album an.

kreuzer: Mark Oliver Everett, Kopf der amerikanischen Indierockband Eeels, hat das Buch geschrieben: »Glückstage in der Hölle: Wie die Musik mein Leben rettete.« Habt Ihr die Autobiografie gelesen?

GLASS: Ja, erst vor wenigen Wochen. Ein beeindruckendes Buch.

kreuzer: Der Musiker hat Schicksalsschläge verkraften müssen, an denen andere längst zerbrochen wären. Gibt es in Eurer Biografie auch Abgründe?

STEINER: Du meinst dunkle Stellen?

kreuzer: Ja.

STEINER: Ich glaube, es gibt keine Biografie, die nur rosig ist. Unsere Musik ist trotzdem eher auf der hoffnungsvollen Seite.

GLASS: Wir sind keine besonders dramatischen Personen, und wir wollen mit unseren Songs möglichst wenig Sorgen und Leid ausdrücken. Das war eine bewusste Entscheidung. Ich persönlich fühle mich immer unangenehm berührt, wenn Sänger oder Sängerinnen auf der Bühne zu privat werden. Manche Dinge will man einfach nicht wissen. Deshalb behalten wir sehr private Sachen auch eher für uns.

STEINER: Genau, und deshalb ist es mir wichtig, dass ich beim Texten nicht zu eng werde. Ich erzähle zwar Geschichten aus meinem Leben, lasse aber Platz für eigene Interpretationen.

kreuzer: Ihr habt für Euer Debütalbum »Mutual Friends« den Musikpreis der Europäischen Kommission bekommen, den Ebba. Den gab es schon für Tokio Hotel aus Magdeburg, bevor der Band der internationale Durchbruch gelang.

GLASS: Tokio Hotel haben auch den Ebba bekommen? Das ist ja cool!

kreuzer: Mit diesem Preis werden alljährlich Musiker ausgezeichnet, denen eine Karriere über die eigenen Landesgrenzen hinaus prophezeit wird. Ist es das, was Ihr immer wolltet?

STEINER: Es geht uns gar nicht so sehr um die Karriere. Wir wollten aber immer mit unserer Musik unterwegs sein. Dass wir das jetzt sogar mit einer eigenen Begleitband können, ist total schön.

kreuzer: In Hamburg dürft Ihr Euch »Nachwuchskünstler des Jahres« nennen, denn Ihr habt auch in der Hansestadt einen Musikpreis gewonnen, den HANS. Dafür gab es 2000 Euro von der Volksbank. Ist das eine Summe, über die Ihr Euch noch freut?

GLASS: Wir könnten uns darüber freuen, wenn das Geld endlich mal ankommen würde. Ähm... Das musste jetzt einfach mal gesagt werden.

STEINER: Natürlich freut man sich in erster Linie über den Preis. Dass es da noch ein Preisgeld gibt, ist natürlich ein angenehmer Nebeneffekt.

kreuzer: Ist es schwierig, im Musikgeschäft über die Runden zu kommen?

GLASS: Wir sind in der Situation, dass wir von Boy leben können, aber das ist kein Thema, über das wir sprechen wollen. Wir schwimmen auch nicht im Geld, falls Du das denkst. Wir haben einfach nur unserer Leidenschaft zum Beruf gemacht.

kreuzer: Ihr habt drei Jahre an Eurem Debütalbum »Mutual Friends« gearbeitet. Als Ihr es veröffentlichen wolltet, gab es zunächst Absagen von Plattenfirmen. Dann kam Herbert Grönemeyer und hat Euch unter Vertrag genommen. War es schwierig, solange durchzuhalten?

GLASS: Es gab schwierige Phasen, ja, aber niemand hätte uns davon abhalten können, dieses Album zu machen. Und jetzt gefällt es zum Glück ja auch einigen Leuten.

STEINER: Wir haben ja lange Zeit im Duo gespielt und mussten mit dem Zug von Auftritt zu Auftritt reisen, weil wir uns keinen Tourbus leisten konnten. Aber das war irgendwie auch sehr lustig. Wir freuen uns natürlich wahnsinnig, dass wir jetzt erstmals auf unserer Tour in den Nightliner steigen können. Aber ich bin sehr froh, dass wir das andere auch erlebt haben, weil wir dadurch unser Leben, wie es jetzt ist, umso mehr zu schätzen wissen.

kreuzer: Erfolgreiche Musiker, so heißt es, machen nach ihren Konzerten oft noch einen drauf. Gehört Ihr auch zu den ruhelosen Partygängern?

GLASS: Unsere Jungs von der Band gehen öfter aus als wir. Ich beneide die immer, aber wir Mädels würden das nicht durchhalten. Wir haben ja noch Termine nebenbei und müssen Interviews geben. Das müssen die Jungs nicht, die können ausschlafen. Deswegen gehören wir eher zu den vorsichtigen Partygängern.


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