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Kultur

Eine Messe, die unter die Haut geht

Die buntgescheckte Welt der Körperverzierung lud zum Stelldichein

  Eine Messe, die unter die Haut geht | Die buntgescheckte Welt der Körperverzierung lud zum Stelldichein

»Inky & Strechy« und »Stichtag«, »Farbaffäre« und »4-Life Tattoo«: Die Namen der Studios, die sich im Agra Messepark zur Tattoo Expo Leipzig einfanden, hätten schillernder nicht sein können. Insgesamt 140 nationale und internationale Tätowierer zeigten am 3. und 4. März ihre Kunstfertigkeit und verewigten sich auf dem Körper von so manchem Besucher. Die mobilen Tattoo-Studios bildeten den Kern der Messe, deren Programm mit Musik- und Performanceeinlagen aufgepeppt wurde. Eine kleine Museumsausstellung zeigte die Geschichte dieser Jahrtausende alten Kulturtechnik.

Charles Darwin gehörte zu den eher wenigen Forschern der Vergangenheit, die sich ohne Ressentiment dem Tattoo näherten. So hielt er fest: »Nicht ein einziges großes Land, von den Polargegenden im Norden bis nach Neu-Seeland im Süden kann angeführt werden, in welchem die ursprünglichen Bewohner sich nicht tätowiert hätten.« Meistens erntete der Hautstich aber Ablehnung, der Architekt Alfred Loos etwa urteilte, Tätowierte seien notwendigerweise Verbrecher. Und trotz großer Akzeptanzschübe ist das Vorurteil gegen die markierten Menschen noch nicht völlig passé. Darüber, dass das dummes Gerede ist, sowie über die Bandbreite an Tattoo-Stilen konnten sich die Besucher am Wochenende überzeugen. Tausende Besucher nahmen die Gelegenheit wahr. Darunter befanden sich Novizen ebenso wie eingefleischte Jünger der BodyModification – so heißt der Sammelbegriff für alle Körperschmucktechniken vom Tattoo bis Implantaten. Sie konnten beim Wandeln durch die Hallengänge großflächige Arbeiten und kleine Motive betrachten, bunte Comic-Adaptionen, düstere Dämonenfratzen in Schwarz-Grau und fotorealistische Porträts. Ein Highlight war Ngati Porou Tamoko: Das aus Neuseeland angereiste Studio zeigte die selten zu sehende traditionelle Klopftechnik, bei der das Muster von Hand mit einem kleinen Nadelkamm und einem Schlagstock in die Haut getrieben werden.

An den anderen Ständen war das markante Surren der elektrischen Tätowiermaschinen zu hören, wenn nicht gerade eine der auftretenden Bands das Geschehen überdröhnte. Denn bei aller Freude über die bunte Tattoo-Welt trübte diese der Geräuschpegel. Viele Tätowierer schotteten sich von dem Lärm mit Kopfhörern ab, so dass das lockere Gespräch nicht stattfand, das so eine Messe auch ausmacht. Auch der Geruch von Bratfett und Prozessen der Nahrungszubereitung, der über allem schwebte, nahm sich unangenehm aus. Dass dies auch anders vonstatten gehen kann, zeigte die Dresdner Tattoo Convention vor einem Monat, die mit Event One der gleiche Veranstalter verantwortete. Im Alten Schlachthof waren die Tattoo- und Zerstreuungsbereiche in unterschiedlichen Hallen untergebracht und damit gut separiert. Tätowierer Alejandro vom Dresdner Studio Assassin Ink hingegen störte die Beschallung gar nicht. Er freute sich über die Weitläufigkeit der Agra-Messehalle. »In Dresden war ich am permanenten Rotieren, hier kannst Du auch mal innehalten und aufamten.«


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