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Konzertkritik

Heulen eins bis zehn

Ein offener Brief an den Sänger Francesco Wilking

  Heulen eins bis zehn | Ein offener Brief an den Sänger Francesco Wilking

Am Montag spielten im Rahmen der Singer-Songwriter-Reihe TV Noir Kat Frankie und Francesco Wilking im Werk 2. Unsere Autorin war dabei, regte sich furchtbar übers Publikum auf und möchte nun den ehemaligen Frontmann der Popband Tele um Verzeihung bitten.

Lieber Francesco Wilking,

ich möchte mich bei Dir entschuldigen. Das Publikum am Montag im Werk 2 in Leipzig war undankbar. Da saßen die Damen – denn Herren waren nur wenige im Raum – in Reih und Glied und wollten Dich gar nicht sehen. Sie schmachteten alle nur Deiner Kollegin Kat Frankie entgegen. Aber dann kamst Du zuerst auf die Bühne. Das Publikum war wie ein widerwilliges Kind, das nun halt erst den Spinat essen musste, bevor es die süße Nachspeise bekommt. Dabei warst Du so lustig! Aber scheinbar war niemand auf Spaß eingestellt. Da standest Du also auf der Bühne und spieltest einige deiner Songs – schön in der klassischen Songwriter-Tradition, die von den Absurditäten des Alltags erzählen, und kaum jemand hörte zu.

Alle gierten nach Kat Frankie, der Australierin und Wahlberlinerin, deren Songs so schwermütig und zerrissen sind. Man muss zugeben, dass es schon sehr faszinierend ist, wie sie Musik nur mit ihrem Körper macht. Wie sie mit ihren Stimmbändern Töne produziert, sie über die Loopmaschine laufen lässt, mit dem Knistern einer Plastikfolie mischt und dem Klopfen aufs Mikro. Und daraus werden schaurig-traurige Kompositionen. Aber sie sah so kühl und unantastbar aus, wie die Schauspieler in Stummfilmen mit dieser reduzierten Mimik. Wenn sie dann mal eine Augenbraue bewegte, dann wirkte es gleich wie das übertriebene Spiel eines Pantomimen. Du hingegen warst ganz du selbst, vermutlich hättest Du genau den gleichen Kram gemacht und erzählst, wenn Du an der Bar gestanden hättest. Deine Lieder und die Gedichte, die Du vorgetragen hast, sind so leicht und ironisch – und die Titel waren so grandios. »Heulen eins bis zehn« – so hätte man den ganzen Abend nennen können. Zum Heulen schön war die Musik, zum Heulen furchtbar war das Publikum, vermutlich nicht jeder einzelne, aber in der Masse zusammengenommen.

Es tut mir wirklich leid, dass die Damen nicht mitsingen wollten, als Du darum gebeten hast. Es tut mir wirklich leid, dass bei der grandiosen Interpretation von Wyclef Jeans »911»« keiner von den blöden Plastikstühlen aufgesprungen ist, um auf den Köpfen der Sitzengebliebenen zu tanzen. Bitte entschuldige mich bei Kat dafür, dass ich mich an dieser Stelle nicht weiter über ihre Grandiosität ausgelassen habe, die steht außer Frage und das tun andere ja ausgiebig.

Ich hoffe, es war nicht zu erniedrigend für Dich und falls doch, so inspiriert es dich vielleicht zu einem neuen Song, den du bei deinem nächsten Auftritt dem Leipziger Publikum vortragen kannst, in der Hoffnung, dass es bis dahin gelernt hat, über sich selbst zu lachen.

Hugs, kisses and unicorn wishes,


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2 Kommentar(e)

triajack 14.03.2012 | um 18:32 Uhr

bekanntlich läßt sich vortrefflich und immer wieder auf´s neue über geschmack streiten, aber bei herrn wilking kann ich das publikum nur allzu gut verstehen, denn uns erging´s nicht anders. diesen part hätte man sich getrost sparen können. solch entsetzliche prosa und humorfreien witze habe ich schon lange nicht mehr gehört. mir wäre ein um die hälfte reduzierte abend mit frau frankie dreimal lieber gewesen. dieser pausenclown hat leider die schöne atmosphäre ständig wieder zerstört. wir fanden es einfach nur anstrengend und sind deshalb auch gegangen. alles in allem eine völlig unstimmige paarung zweier "künstler", denn kunst kommt bekanntlich von k.....

C. 15.03.2012 | um 11:36 Uhr

@ triajack: ich verbitte mir, hier ein "wir" zu lesen. Sie können mit diesem bescheidenen kommentar allerhöchstens über ihr eigenes kaugummi-ego referieren! und dann ist es sicher besser zu gehen... @Pia, Fra et. al.: gute review, sehr wahr, sehr wahr, aber es gab bei mir vorn rechts auch viel Jubel und Begeisterungswellen für Fra zu spüren und war doch insgesamt ein toller Abend! Chiederei molto il perdono Fra..!