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Politik

»Das ist eine glatte Lüge«

Diskriminierung von Homosexuellen: Sebastian Manzke und Christian Richter über die Vertröstungen der sächsischen Regierung bei der Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften

  »Das ist eine glatte Lüge« | Diskriminierung von Homosexuellen: Sebastian Manzke und Christian Richter über die Vertröstungen der sächsischen Regierung bei der Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften

Am 1. August 2001 trat auf Beschluss der rot-grünen Bundesregierung das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft in Kraft, das gleichgeschlechtlichen Beziehungen eine rechtliche Absicherung geben sollte. Auch auf Landesebene mussten dafür zahlreiche Gesetze und Verordnungen angepasst werden. Fast elf Jahre später (kurz vor dem Leipziger CSD vom 7. bis 14. Juli) ist das in großen Teilen fast überall geschehen – nur in Sachsen nicht, dem Schlusslicht in Sachen Gleichstellung. Im aktuellen kreuzer-Interview (Heft 7/2012) rechtfertigt Alexander Krauß, Familienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, diese Verzögerungen und behauptet, die Gleichstellung werde wie versprochen umgesetzt. Sebastian Manzke und Christian Richter von der sächsischen Gleichstellungsinitiative 2=2 widersprechen.

kreuzer: Sie kritisieren, dass die sächsische Regierungskoalition schon oft ihr Wort gebrochen habe, die Gleichstellung Eingetragener Lebenspartnerschaften immer dann in die entsprechenden Landesgesetze aufzunehmen, wenn diese ohnehin geändert werden. Wann wurde dieses Versprechen abgegeben?

SEBASTIAN MANZKE: Anfang 2010, als die Regierungskoalition aus CDU und FDP im Sächsischen Landtag einen Gesetzesantrag zur vollständigen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften abgelehnt hat. Seitdem wurde es immer wieder von CDU- und FDP-Vertretern wiederholt. Selbst dann noch, als das Versprechen schon unzählige Male gebrochen wurde.

kreuzer: In wie vielen Gesetzen wurde die Gleichstellung noch nicht umgesetzt? Und wie häufig wurden einige dieser Gesetze geändert, ohne dass das Versprechen eingehalten wurde?

CHRISTIAN RICHTER: Zum heutigen Zeitpunkt, also mehr als zehn Jahre nach Einführung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft, sind immer noch 30 sächsische Gesetze und Verordnungen nicht gleichgestellt. Und das, obwohl dies nach geltendem Bundes- und Europarecht zwingend geschehen müsste. Seit 2010 wurde das Versprechen bei der Änderung von 15 Rechtsnormen nicht eingehalten – und das, obwohl sie teilweise mehrmals geändert wurden. Insgesamt sind es inzwischen 22 Änderungen einzelner Gesetze und Verordnungen, bei denen schwulen und lesbischen Lebenspartnerschaften nicht die gleichen Rechte gewährt wurden.

kreuzer: Können Sie Beispiele nennen?

MANZKE: Die Ungleichbehandlungen erstrecken sich quer durch das ganze Landesrecht: vom Beamtenrecht über das Denkmalschutzgesetz bis zum Archivgesetz. Man glaubt gar nicht, an wie vielen Stellen Eingetragene Lebenspartner weniger Rechte als Eheleute haben. Auf unserer Website haben wir den aktuellen Status aller diskriminierenden Rechtsnormen aufgeführt.

kreuzer: Welche konkreten Nachteile entstehen den Betroffenen dadurch?

MANZKE: Im Beamtenrecht geht es zum Beispiel um die finanzielle Unterstützung im Krankheits-, Pflege- und Todesfall, die unter bestimmten Voraussetzungen auch dem Ehepartner des Beamten zusteht. Dagegen wird dem schwulen Lebenspartner oder der lesbischen Lebenspartnerin diese Unterstützung einzig in Sachsen verweigert. Im Denkmalschutzrecht wird beim Verkauf eines denkmalgeschützten Hauses dem Ehepartner des Verkäufers und seinen Verwandten ein Vorkaufsrecht eingeräumt. Lebenspartner haben dies nicht – hier geht das Haus im Zweifel an das Land. Im Archivgesetz geht es zum Beispiel um die Gewährung von Akteneinsicht, also den Zugang zu Unterlagen des verstorbenen Lebenspartners.

RICHTER: Diese vielen kleinteiligen Diskriminierungen mögen sich für den einen oder anderen vielleicht gar nicht so gravierend anhören. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass sich hinter jeder Benachteiligung Menschen verbergen, die teilweise enorm darunter leiden. Nicht nur finanziell. Im Kern geht es hier um das Grundrecht auf Gleichbehandlung. Und das kennt keine Ausreden im Sinne von »Betrifft ja nur Wenige« oder »Ist nicht so dringend«, wie wir es immer wieder von CDU und FDP hören.

MANZKE: Neben der fehlenden Gleichstellung im Landesrecht verweigert die Landesregierung den über 1.000 sächsischen Lebenspartnerschaften auch die Gleichstellung im Einkommenssteuerrecht – mit spürbaren finanziellen Folgen für die Betroffenen. Das geht auch zu Lasten der vielen Kinder, die heute in gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften aufwachsen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern, in denen hier Rechtsschutz gewährt wird, stellt sich der sächsische Finanzminister absolut quer. Vor kurzem hat ihn das höchste sächsische Finanzgericht eines Besseren belehrt. Aber auch davon lässt er sich nicht zur Vernunft bringen. Er hat Beschwerde beim Bundesfinanzhof eingelegt. Finanzminister Georg Unland von der CDU möchte Lebenspartnerschaften gern weiter diskriminieren. Er meint, Lebenspartnerschaft und Ehe seien nicht vergleichbar.

kreuzer: Alexander Krauß, der Familienpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, sagt im kreuzer-Interview (Heft 07/2012), dass bei den genannten Gesetzesänderungen »oft nur Kleinigkeiten geändert« wurden. Immer dann, wenn es ein richtiges Gesetzgebungsverfahren mit Referentenentwurf und Anhörung gab, sei die Gleichstellung auch umgesetzt worden. Übertreiben Sie mit Ihrem Vorwurf des Wortbruchs womöglich ein bisschen?

RICHTER: Nein, im Gegenteil, die Behauptung ist eine glatte Lüge! Wir haben das mal überprüft: Im Durchschnitt waren die besagten Gesetzesentwürfe 32 Seiten lang und wurden in vier gesonderten Ausschusssitzungen im Landtag behandelt. Kein Gesetzesantrag war kürzer als sieben Seiten. Als Beispiel sei nur das sogenannte Standortegesetz genannt, bei dem wichtige Regelungen im Beamtenrecht, in der Landkreis- und Gemeindeordnung sowie im Denkmalschutz hätten gleichgestellt werden müssen. Der Gesetzesantrag umfasste 108 Seiten plus 126 Seiten externer Stellungnahmen. Acht Fachausschüsse des Landtages haben sich in insgesamt 20 Sitzungen inklusive öffentlicher Anhörung über fünf Monate mit dem Gesetzgebungsverfahren befasst – ohne jedoch die Gleichstellung aufzunehmen. Mit Sicherheit wurde der Aufwand nicht betrieben, um »nur Kleinigkeiten« zu ändern, wie Herr Krauß behauptet. Er ist übrigens selbst Mitglied in zwei dieser Ausschüsse.

MANZKE: Das Vorgehen des CDU-Manns Krauß ist symptomatisch für den Umgang der schwarz-gelben Koalition mit der Gleichstellung von Schwulen und Lesben. Bürgerinitiativen, Vereine und besonders auch die Öffentlichkeit werden mit falschen, beschwichtigenden Behauptungen für dumm verkauft. Für einige der Gesetze hatte selbst die Staatsregierung eine Anpassung für letztes oder dieses Jahr versprochen. Vorgelegt hat sie dann aber Gesetzesentwürfe, die in vielen Fällen weiterhin die Diskriminierungen beinhalten. Genau aus diesem Grund sehen wir es als unsere Aufgabe, das Handeln der Regierungskoalition und der Staatsregierung genau zu kontrollieren, sie auf Verstöße hinzuweisen und die Öffentlichkeit über den gravierenden Widerspruch zwischen Wort und Tat aufzuklären.

kreuzer: Haben Sie mit Forderungen auch schon mal Erfolg gehabt?

MANZKE: Ja, durchaus! Zunächst haben wir im Oktober letzten Jahres über 4500 Petitionen an den Landtag übergeben. Der öffentliche Druck war im Vorfeld so groß, dass sich die Landesregierung genötigt sah, einige Regelungen im Beamtenrecht per Anweisung, also noch vor Gesetzesänderung, gleichzustellen. Seitdem erhalten verpartnerte Beamte genauso wie ihre verheirateten Kollegen zum Beispiel monatlich einen Familienzuschlag. Einen weiteren Erfolg hatten wir bei Diskriminierungen bei der Studienplatzvergabe und bei Landesstipendien. Nachdem die Anpassung der Gleichstellung angeblich seit mehr als zwei Jahren geprüft wurde und nichts geschah, haben wir uns Anfang des Jahres an die zuständige parteilose Wissenschaftsministerin gewandt. Daraufhin wies sie Hochschulen und Studentenwerke zur sofortigen Gleichbehandlung bei den Landestipendien an. Auch bei der Studienplatzvergabe versprach sie eine zügige Anpassung. Seit letztem Monat werden Schwule und Lesben in Sachsen auch dabei nicht mehr benachteiligt.


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4 Kommentar(e)

Herb 01.07.2012 | um 18:16 Uhr

Was diese Leute von CDU und FDP betreiben, ist eine unglaubliche Frechheit. Im Sinne ihrer Ideologie werden Vorgaben und Gesetze missachtet und der Bürger wird behandelt, als wäre er ein bisschen dumm und würde gerne dreist belogen werden.

andrea 07.07.2012 | um 15:32 Uhr

Mich würde mal interessieren, wovor diese Leute Angst haben. Was vergeben sich die Blockierer denn, wenn der Lebenspartner/die Lebenspartnerin beispielsweise ein Vorkaufsrecht von denkmalgeschützten Immobilien hat oder wenn Verpartnerte (und ihre Kinder!) Vorteile bei der Einkommensteuer haben?

armin 15.07.2012 | um 16:42 Uhr

Es darf halt nicht sein, in den Köpfen von den Leuten spuken irgendwelche gruseligen Vorstellungen rum, von wegen krank, abnorm und so. Wer krank und abnorm ist, darf doch nicht dasselbe kreigen, wie die die alles richtig machen und in einer ordentlichen ehe leben! Natürlich vergeben sich FDP und CDU nichts,sie wollen aber die Welt nach ihren vorstellugen gestalen und da definieren sie halt was richtig ist und was nicht.

Annika 17.07.2012 | um 02:02 Uhr

@herb, ts, du darfst denen doch keine idologie unterstellen. ideologisch sind soch nur die links-grünen weltverbesserer und diese ganzen homos gleich mit.