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Stadtleben

Der Preis der Musik

Die Musikverwertungsgesellschaft Gema plant neue Tarife für Clubs und Diskotheken. Deren Betreiber gehen auf die Barrikaden – auch in Leipzig

  Der Preis der Musik | Die Musikverwertungsgesellschaft Gema plant neue Tarife für Clubs und Diskotheken. Deren Betreiber gehen auf die Barrikaden – auch in Leipzig

Es zieht ein Sturm auf an Leipzigs Nachthimmel. Denn die Gema, die bundesweit die Nutzungsrechte von Musikschaffenden verwaltet, plant eine Reform ihrer Tarife für Musikveranstaltungen, entsprechend der Fläche und dem Eintrittspreis einer Veranstaltung. Doch mit ihren Plänen stößt sie bei vielen Clubbetreibern auf massiven Widerstand.

Distillery-Chef Steffen Kache befürchtet für seinen Club eine Gebührensteigerung von über 1000 Prozent: »Mit der Tarifreform müssten wir unser Konzept radikal ändern oder den Club schließen«, sagt er. Doch auch ein kleinerer Club wie der Staubsauger, laut Gema Nutznießer der neuen Tarife, rechnet mit 126 Prozent mehr Gebühren. Und selbst das Cafe Waldi, das von der Reform profitieren würde, weil es für seine Partys keinen Eintritt verlangt, hat Angst um seine Kooperationen und die Vielfalt der Szene.

Dem Argument der Gema, dass Clubs mit Musik Geld verdienen und darum einen Teil an die Urheber abgeben sollten, stimmen die Betreiber dabei sogar zu: »Wir hätten gar kein Problem damit, für die Musik, die bei uns läuft, zu zahlen, denn wir wollen Musik ja fördern«, sagt Kache.

Die Veranstalter kritisieren vor allem, wie pauschal sie zahlen müssen und nach was für einem den Schlüssel diese Gelder an die Künstler verteilt werden. Darüber entscheiden nämlich nur die 3.000 kommerziell erfolgreichsten Gema-Mitglieder. Die profitieren dann auch überproportional von den Ausschüttungen.

»Wer von den Künstlern, deren Platten bei uns laufen, bekommt denn wirklich etwas von dem Geld?«, fragt sich auch Jan Barich, Booker des Conne Island, das mit Mehrkosten von bis zu 10.000 Euro jährlich rechnen muss. Techno-Künstler gehören nicht dazu, und so sind die wenigsten Leipziger Clubmusik-Produzenten überhaupt bei der Gema gemeldet, weil die Erträge sich für sie nicht lohnen würden, selbst wenn sie international erfolgreich sind. (siehe Interview).

Angesichts der Auswirkungen auf die Leipziger Clubszene stellten die Grünen in der Ratsversammlung vom 20. Juni eine Anfrage an das Wirtschaftsdezernat, ob die Stadt plane, die Clubs gegenüber der Gema zu unterstützen. Bürgermeister Uwe Albrecht konnte diese Frage nicht beantworten, »aufgrund von noch zu führenden Abstimmungen innerhalb der Verwaltung«, hieß es.

»Hier geht es um Arbeitsplätze, um Wertschöpfungsketten, um Umsatzsteuereinnahmen, da muss man doch von einem Wirtschaftsbürgermeister erwarten können, dass er wenigstens ein oder zwei Sätze aus dem Stehgreif dazu sagen kann«, kommentiert Grünen-Stadtrat Norman Volger. Auf kreuzer-Nachfrage wimmelt das Wirtschaftsdezernat jedoch ab: »Diese Auseinandersetzung kann nur zwischen der Gema und den Verbänden der betroffenen Unternehmen geführt werden.« Zudem scheint es DJ-Musik keinen so hohen Stellenwert zuzuschreiben wie Live-Musik: »Gerade die wichtigen Clubs, die mit Konzerten und Live-Auftritten einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Angebot leisten, werden gar nicht so stark zusätzlich belastet“, sagt die Fachreferentin des Dezernats, Anja Hähle.

Jan Barich vom Conne Island kontert: »Die Stadt muss sich bewusst werden, was das für ihr selbst gern verwendetes Image einer jungen dynamischen Stadt bedeutet, wenn die DJ-Clubs schließen.« Stadtrat Volger überlegt nun, die Verwaltung mit einer Stadtratsabstimmung zu zwingen, sich für einen Stopp der geplanten Gema-Tarife einzusetzen.


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