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Filmkritik

Mit Fraktus bis zur Mauer

Die Kinostarts im Überblick

  Mit Fraktus bis zur Mauer | Die Kinostarts im Überblick

Das Konzert ist verschoben, nicht aber der Kinostart: Fraktus werden wieder zum Leben erweckt. Berliner Mittzwanziger üben sich im Wohnungswechsel, und ein kleiner Junge hält sich und seine Schwester mit dem Beklauen schwerreicher Touristen über Wasser. Anlässlich des Jahrestages des Mauerfalls erinnert die Kinobar mit »Bis an die Grenze – Der private Blick auf die Mauer« an das »hässlichste Monument der Welt«.

Für den gewieften zwölfjährigen Simon (Kacey Mottet Klein) ist Hochsaison weit oben in den Schweizer Alpen, wo die Skitouristen sich tummeln. Auf seinen Streifzügen erleichtert er die Wohlhabenden dort um ihre Ausrüstung, vom Ski bis zum Handschuh hat er alles im Angebot – für die Leute unten im Tal, wo er mit seiner großen Schwester Louise (Léa Seydoux) in einem tristen Wohnblock lebt. Die beiden selbsternannten Waisen müssen von diesem Erlös leben, denn Louise hat keinen Job mehr. Der altkluge Junge scheint zu reif für sein Alter und auch seine Schwester trägt an einem Geheimnis, dessen Offenbarung aus dem sozialkritischen Film ein Familiendrama macht. Mit klarer Bildsymbolik und kalten Kontrasten zwischen unten und oben schafft die Filmemacherin Ursula Meier mit »Winterdieb« ein Werk, bei dem alles stimmig zueinander passt, sowohl die abgebildete Realität, in der die soziale Schere immer weiter auseinanderklafft, als auch eine märchenhafte Geschichte, in der Ex-Agent Scully als feenhafte Idealmutter in Simons Bergwelt auftaucht. Die ganze Kritik finden Sie im aktuellen kreuzer. »Winterdieb«, der Gewinner des Sonderbärens auf der diesjährigen Berlinale, startet in den Passage Kinos.

Am 13. August 1961 legt die Regierung der DDR den Grundstein für das »hässlichste Monument der Welt«. 155 Kilometer lang, millionenfach fotografiert und abgefilmt. Der Dokumentarfilm »Bis an die Grenze – Der private Blick auf die Mauer« von Claus Oppermann und Gerald Grote zeigt private, oftmals geheime und bislang unveröffentlichte Amateur- und Schmalfilmaufnahmen aus Ost und West und Interviews mit Zeitzeugen und einigen der Filmamateure. Eine spannende Zeitreise allemal! Der Film läuft am 9. und 10. November in der Kinobar Prager Frühling.

Auch wenn das Konzert kurzfristig auf Januar verschoben wurde, auf der Leinwand feiern sie auch in Leipzig schon jetzt ihr Comeback: Fraktus, die Band, die den Techno erfunden hat und der wir so dankbar sein müssen, weil wir ohne sie immer noch Gitarrenmusik hören würden. Weil sie ihre eigenen Instrumente erfunden haben. Weil ohne sie Westbam nie »Sonic Empire« aufgenommen, H. P. Baxter niemals Scooter gegründet und Marusha sich nicht die Augenbrauen gefärbt hätte. Doch so schnell wie sie kamen, waren sie auch schon wieder verschwunden. Der Film »Fraktus« ist eine Chronologie des Scheiterns, aber auch der Hoffnung, die niemals sterben darf. Ein Film über die Wut, die man am Dönerspieß auslassen muss, über die Ablehnung, die einer alte Band auf dem hippen Melt-Festival entgegenschlägt, über Freundschaft, die auch in die Brüche gehen kann. Fraktus stellen sich all dem. Kehren zurück. Lassen sich nicht nur in den unmöglichen Situationen filmen, sondern wagen den Schritt, sich der Öffentlichkeit erneut im großen Stil zu stellen. So wird parallel zum Filmstart auch gleich die Platte »Millenium Edition« mit all den alten Hits wie »Affe sucht Liebe«, »Computerliebe« oder »Supergau« veröffentlicht und auf Tour gegangen, die das reunierte Trio auch ins Conne Island führt, allerdings erst im nächsten Jahr. Den ganzen Artikel von Juliane Streich finden Sie im aktuellen kreuzer. Der Film läuft in den Passage Kinos.

»Jetzt geht es um etwas Fundamentales. Wir ziehen zusammen in eine Wohnung«, eröffnet Dina (Anna Brüggemann) ihren Freunden und klammert sich innig an ihren Neuen: Michael (Alexander Khuon). Nachdem die Mittzwanzigerin nicht so richtig Glück mit Beziehungen hatte, obwohl die Männer reihenweise bei ihr Schlange stehen, möchte sie sich nun in den trauten Schoß der Zweisamkeit fallen lassen. Ihr bester Freund Philipp (Jakob Matschenz) ist nur mäßig begeistert, ist er doch heimlich in Dina verliebt. Das wiederum hat seine Freundin Maria (Aylin Tezel) längst bemerkt, die gerade mit ihrem Hab und Gut nach Berlin gekommen ist, um bei Philipp einzuziehen. Denn endlich ist dessen bester Freund Thomas (Robert Gwisdek) aus- und mit seiner Freundin Jessica (Alice Dwyer) zusammengezogen. Im Zentrum von Dietrich Brüggemanns episodenhaftem Film »3 Zimmer/Küche/Bad« stehen insgesamt acht Berliner Freunde, die nach und nach ihre Single- und Studentenbuden verlassen, sich ver- und entlieben, streiten und versöhnen, aus-, um- und zusammenziehen – und wieder ausziehen. Wie schon in seinem unterhaltsamen Erstlingswerk »Renn, wenn du kannst« (2010) bewegt sich Brüggemann erneut auf dem schmalen Grat zwischen Drama und Komödie. In pointierten Szenen und mit viel Komik zeichnet er das Porträt einer Generation, die stets auf dem Sprung zu sein scheint. Die vollständige Kritik können Sie im aktuellen kreuzer nachlesen. Der Film ist ab heute in der Schauburg zu sehen.

Als Publikumsfavorit auf der diesjährigen Filmkunstmesse entpuppte sich, wenngleich nicht ganz nachvollziehbar, ein weiterer Schweizer Film: »Der Verdingbub« von Markus Imboden, der auf wahren Begebenheiten beruht. Im Mittelpunkt steht der Waisenjunge Max (Max Hubacher), der an eine Bauernfamilie verdingt wird – um dort zu arbeiten und als Handlanger bereitzustehen. Die Mutter (Katja Riemann) hat wenig Zuneigung für ihn übrig, der Sohn (Max Simonischek) demütigt ihn. Eines Tages beschließt Max, den menschenunwürdigen Zuständen in dem Bauernhaus zu entfliehen. Markus Imboden nimmt sich in seinem Film einem Stück dunkelster Schweizer Geschichte an. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein wurden Waisenkinder oder arme Kinder auf Bauernhöfen untergebracht, wo sie unter denkbar schlechten Bedingungen schuften mussten. »Der Verdingbub« läuft im Cineding.

Der oscarnominierte Regisseur Markus Imhoof verfolgt das Schicksal der Bienen von der eigenen Familienimkerei bis hin zu industrialisierten Honigfarmen und Bienenzüchtern. Mit spektakulären Aufnahmen öffnet er dabei den Blick auf eine Welt jenseits von Blüte und Honig, die der eine oder andere Zuschauer nicht so schnell vergessen wird. »More Than Honey« ist in den Passage Kinos zu sehen.

Der Vater (Peter Fonda) des Elitesoldaten Lazarus Fell (Travis Fimmel) kam angeblich bei dem Anschlag auf das World Trade Center ums Leben. Um den Verantwortlichen ausfindig zu machen, hat Lazarus sein eigenes Ableben vorgetäuscht und ist in den Untergrund gegangen. Nach Jahren gelingt es ihm, den meistgesuchten Terroristen (Michael Desante) aufzuspüren. Ermüdendes Kammerspiel, das wild mit Fakten und Fiktion um sich wirft. »Harodim – Nichts als die Wahrheit?« läuft im Cineplex Leipzig.

Cindy und Jim Green (Jennifer Garner, Joel Edgerton), ein Ehepaar aus dem kleinen Städtchen Stanleyville, wünschen sich zur Vollendung ihres Glücks nichts sehnlicher als ein Kind. Doch als sie erfahren, dass sie keine Kinder bekommen können, ist jegliche Hoffnung auf ein Leben zu dritt zerstört. Als plötzlich der kleine Timothy (CJ Adams) auf der Türschwelle ihres Hauses steht, ist nichts mehr, wie es einmal war. Die Familien-Dramödie »Das wundersame Leben des Timothy Green« von Regisseur und Drehbuchautor Peter Hedges (»Pieces Of April«, »Dan – Mitten im Leben!«) ist im CineStar zu sehen.

In dem neuen Film des dänischen Regisseurs Ole Bornedal (»Nachtwache«, 1994), »Possession – Das Dunkle in dir«, in dessen Mittelpunkt eine vierköpfige Familie steht, dauert es eine lange Weile, bis die Eltern erkennen, dass sich ein böser jüdischer Geist in ihrem kleinen Mädchen eingenistet hat. Nach der Scheidung der Eltern lebt die zehnjährige Emily »Em« Brenek (Natasha Calis) gemeinsam mit ihrer Schwester Hannah (Madison Davenport) bei ihrer Mutter Stephanie (Kyra Sedgwick). Ihren Vater Clyde (Jeffrey Dean Morgan), der sich gerade erst ein eigenes Haus in einer abgelegenen Neubausiedlung gekauft hat, sieht sie nur an den Wochenenden. Während eines Flohmarktbesuchs kauft Em ein antikes jüdisches Holzkästchen, nicht ahnend, dass darin ein übler Dämon haust, der nur darauf wartet, endlich befreit zu werden. Nach dem Öffnen des Kästchens wird sie zunehmend aggressiver und führt mysteriöse Zwiegespräche. Bornedal bewegt sich auf traditionellen Genrepfaden und bricht auf übliche Weise mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, wie es schon viele ähnlich gelagerte filmische Vorbilder taten. Den vollständigen Text finden Sie im aktuellen Heft. Der Gruselstreifen »Possession – Das Dunkle in dir« läuft im CineStar.

Der 42-jährige ehemalige College-Wrestler Scott Voss (Kevin James) verrichtet teilnahmslos seinen Dienst als Biologielehrer an einer dahinsiechenden Highschool. Als das dortige Musikprogramm aufgrund von Budgetkürzungen gestrichen zu werden droht und der Musiklehrer entlassen werden soll, fängt Scott damit an, Geld aufzutreiben, indem er einen Nebenjob als Mixed-Martial-Arts-Kämpfer annimmt. »Das Schwergewicht« startet im CineStar und im Cineplex Leipzig.

Mit seinem Politthriller »Argo« empfiehlt sich der Schauspieler und Regisseur Ben Affleck für die kommende Award-Saison, sagt unsere Autorin Anna Wollner. Sie hat sich den Film für uns angesehen.

 

Filmfutter fernab der Neustarts:

Unter dem Titel »Utopia – Das Richtige im Falschen« zeigt die Cinémathèque in der naTo vom 7. bis 26. November utopische Filme. Die von Constance Böhme und Sven Wörner kuratierte Filmreihe setzt sich mit den Fragen auseinander, ob es Utopie überhaupt gibt und wie gesellschaftliche Utopien im Film dargestellt werden. 11 Programme mit 14 Filmen suchen nach Antworten auf diese Fragen. Im Programm finden sich so zeitlose Klassiker wie »Fahrenheit 451« (1966) von François Truffaut, »Frau im Mond« (1929) von Fritz Lang oder das feministische Sci-Fi-Werk »Born In Flames« (1983) mit Kathryn Bigelow in der Hauptrolle. Ebenso feiern Filme wie »Os Presidents« (»The Residents«) von Tiago Mata Machado oder »Grube Morgenrot« von Erich Freund und Wolfgang Schleif ihre Leipzig-Premiere. Das gesamte Programm finden Sie unter www.cinematheque-leipzig.de.

Weitere Filme finden Sie auf unserer Onlineseite und im aktuellen kreuzer.

Gute Unterhaltung wünscht


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