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Stadtleben

Summen zum eigenen Gesang

Der Erwerbslosenchor La Boheme vereint Sänger mit viel Freizeit

  Summen zum eigenen Gesang | Der Erwerbslosenchor La Boheme vereint Sänger mit viel Freizeit

Schnell und sanft gleitet er über die Tasten des Keyboards. Die Klänge erfüllen den Raum mit Weihnachtsmusik. Chorleiter Erik Schober übt heute zum ersten Mal mit dem Chor La Boheme eine deutsche Version von »Mary’s Boy Child«. Christine Möller strahlt, als sie den Titel hört. Es ist eines ihrer Lieblingslieder.

La Boheme, ursprünglich als Arbeitslosenchor konzipiert, wandelte sich in den vergangenen Jahren zu einem Erwerbslosenchor. Viele der jüngeren Mitglieder haben in der Zwischenzeit Arbeit gefunden, daher bilden Rentner und Langzeitarbeitslose nun den Kern des Gesangsvereins. Das Repertoire reicht von Volksliedern über Gospel bis zu Filmmusik. Im September präsentierte der Chor in Leipzig wirkende Komponisten.

Heute – es ist ein Dienstagvormittag – probt nur ein kleiner Teil des Chores. Viele sind krank, andere kommen nur noch selten. Der Chorleiter hat dennoch eine Überraschung für seine Schützlinge. Festgehalten auf CD hören sie noch einmal ihr Konzert vom letzten Septemberwochenende. Gespannt lauschen sie dem eigenen Gesang und summen leise vor sich hin. Die Euphorie des Auftrittes flammt wieder auf und die Gedanken sprühen aus ihnen heraus. Zwischen Lob und Aufregung finden sich auch selbstkritische Worte zur eigenen Leistung. »Man hat den Anspruch, gut zu sein«, sagt die 60-jährige Christine Möller.

Sie selbst ist seit zwei Jahren Mitglied des Chores und solange es ihr möglich ist, bleibt sie. Mit dem Begriff Arbeitslosenchor kann Christine nicht viel anfangen. »Es ist jedem überlassen, was er darüber denkt«, sagt sie. Viele der Mitglieder sind ebenso wie sie Rentner und alle verbindet die Begeisterung für das Singen. Der Chor bietet Menschen, die tagsüber sehr viel Freizeit haben, einen Raum, um kreativ zu sein. Auch die arbeitslose Dorothee braucht diesen Ausgleich: »Ich bin froh, dass ich den Chor habe«, sagt sie.

Mit dem Beginn der Probe fordert der Chorleiter dann volle Konzentration. Das Flüstern der Damen in der ersten Reihe wird mit einem spitzen Zischlaut gestraft, ab und an trifft die Sänger auch ein stechender Blick bei einem verpatzten Einsatz. Dennoch leitet Schober den Chor dynamisch und mit Witz durch die schwierigen Passagen des neuen Weihnachtsliedes. »Da will ich ganz großes Kino haben«, ruft er dem Sopran zu und spielt einen Abschluss wie in Hollywood.


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