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Heavy Celeste

Kritik des Extrem-Metal

Buch, Platte, Platte: Es gibt reichlich was zu besprechen und ein fettes Danke ans Leipziger Glam-Team Prowler

  Kritik des Extrem-Metal | Buch, Platte, Platte: Es gibt reichlich was zu besprechen und ein fettes Danke ans Leipziger Glam-Team Prowler

Heavy Celeste berichtet über Finger in eitrig-offenen Wunden, frech-fröhliche Trommelfelle und wie das Leipziger Glam-Team Prowler eine dunkle Chemnitz-Heimfahrt rettet.

Aloha Metalheadz, ich warte! Will sich wirklich niemand Schwarwels »Seelenfresser« als Gewinn für einen Konzertbericht abholen? Selbst schuld, dann wird die Frist einfach verlängert! Also her mit euren Gig-Besprechungen – muss ich erst aufs Heavy Christmas in Markkleeberg warten, bis ihr mir was rüberwachsen lasst? Oder will mir jemand aus Engelsdorf über Morbid Angel 'ne Karte schicken? Nach dem letzten Versuch, ein Fünkchen Erhellung ins Wesen der Metal-Kritik zu blasen, mal wieder was Klassisches: CD-Reviews. Und keine Unbekannten sollen es sein, sondern lokal und regional, wie der Bio-Metaller von heute ja shoppen soll. Zwei Bands sollen es sein, die sich ihre Sporen in Leipzig schon mehr als verdient haben, als da sind: das allmighty and shining Messestadt-Quintett Prowler und die Jungs mit den schnappatmenden Todessägen aus Eisenberg.

Doch zuvor noch einmal ein paar Worte – die vom letzten Mal vertagten – zur Kritik des Extrem-Metal. In ihrer hervorragenden Autopsie »Death Metal and Music Criticism« leistet Michelle Phillipov, was bisher wenigen Musik- und Kulturwissenschaftlern gelungen ist. Ihre solide wie verständliche Studie (sofern man des Englischen mächtig ist) nimmt Metal zunächst einmal ernst und watscht es nicht – wie üblich – als Angry-Young-White-Man-Phänomen ab, bei dem sich junge Leute in pubertären Gewaltfantasien einigeln. Sie legt den Finger genüsslich in eine Leerstelle oder besser: eitrig-offene Wunde nach der anderen und fragt nach jenem Spaß und Hochgenuss, den das Metal-Hören eben darstellt. Dabei zeigt sich, dass Extrem-Metal genau davon lebt, die Hörgewohnheiten der Popkultur eben ganz und gar nicht zu bedienen – im Gegenteil. Growling und Shouts zerstören im Mainstream klar identifizierbare Singstimme und Songinhalt, die ohnehin nicht die tragenden Elemente sind. Diese bestehen vielmehr aus Gitarrengewitter und Drumgedöns. Auch gegen den Strich gehende Songstrukturen und der Einsatz von gemeinhin als Lärm angesehenen Klängen tragen dazu genauso bei wie der Hang zum Horror und oft ambivalent gewalttätigen Texten. Dieser so zusammenschüttelte Rocktail geht vielen nicht runter wie Öl, ist mal übles Überschreiten und ein Abgang aller Geschmacksgrenzen. Darum geht’s, get over with. Phillipov scheint nur den Anteil der Ironie zu unterschlagen, was ihre Ausleuchtung des hübsch dunklen Themas aber nicht trübt. Ein blutiges Filetstück der Wissenschaft!

Doch nun direkt zur Musik. Man kann Deserted Fears erste Platte nach dem Demo nicht über Gebühr loben. Ziemlich reif bricht sich »My Empire« seine Bahn durchs Trommelfell Richtung Tinnitus. Ihre Rückgriffe in die Death-Metal-Geschichte sind frech wie fröhlich, ohne lediglich nachzuspielen, lassen sie den 90er-Death mächtig aufleben. Mit klischeefreier Punktlandung platziert das Trio sein Zehn-Songgeschoss ins Ziel. Kein Wunder, dass das Party.San schon angebissen hat und Deserted Fear im kommenden Jahr in Schlotheim aufdrehen darf. Credo: Definitiv satte Death-Druckbetankung. Anspieltipp (einer unter vielen): »Morbis Infection«.

Und nun zu euch, Prowler! Fettes Dankeschön, dass ihr mir jüngst mit »Hard Pounding Heart« eine langweilige Heimfahrt von absolut Chemnitz versüßt habt! Die frisch veröffentlichte Scheibe brachte mich einfach auf Touren out in the night, in der ich mich im Automobile of Live an so finsteren Richtungsschildern wie Geithain und Limbach-Oberfrohna vorbeischieben musste. Sehr schön! Prowler erfüllen den puren Heavy-Metal-Spaß, den man schon auf der Bühne erleben durfte, auch in Konserve. Eine Dekade vor Deserted Fears musikalischer Messlatte angesiedelt, liefern Prowler mit Glam-Rock verschnittenen 80er-Power-Metal. Songs in authentischer Überlänge und mit kultigen Titeln wie »Motorcycle of Love« oder »Strange and Divine« machen das Retroerlebnis lebendig. Woher diese Lust am Revival kommt? Keine Ahnung? So lange sie nicht wie Retorte klingt, soll’s recht sein!


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