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Kultur

Glückssucher im schwarzen Sand

Das Filmprojekt »Black Eden« braucht Unterstützung

  Glückssucher im schwarzen Sand | Das Filmprojekt »Black Eden« braucht Unterstützung

Zu viele Jobs, zu wenige Wohnungen und vor allem ganz viel Öl: Die Leipzigerin Jasmin Herold begibt sich auf filmische Spurensuche in der kanadischen Boomtown Fort McMurray.

Noch vor zehn Jahren war Fort McMurray ein kleines verschlafenes Trapperdorf in der nordkanadischen Wildnis. Heute ist das Städtchen das Zentrum der Ölwelt. Die Einwohnerzahl hat sich längst mehr als verdoppelt, Menschen aus aller Welt werden tagtäglich vom schnellen Geld angelockt. Mehr als 100.000 kanadische Dollar verdient ein Arbeiter im Schnitt pro Jahr. Der Wohnraum ist knapp und teuer, so dass Trailerparks das Stadtbild säumen, in denen die Menschen auch bei minus 40 Grad hausen. Das Ansteigen des Ölpreises 2003 ließ die Förderung der gewaltigen Ölsand-Vorkommen im Norden Kanadas plötzlich profitabel erscheinen. Alle großen Erdölkonzerne wie Shell, BP oder Suncor investieren in die Ölgewinnung vor Ort. Doch mit dem lukrativen Geschäft geriet Fort McMurray auch in die Negativschlagzeilen. Die kostspielige und aufwendige Ölsandextraktion zieht enorme Umweltschäden nach sich – der Baumbestand ist gesunken, das Grundwasser vielerorts verschmutzt, ungewöhnliche Krebserkrankungen wurden diagnostiziert.

Zum ersten Mal hörte die Leipzigerin Jasmin Herold von Fort McMurray, als sie vor einigen Jahren in einem Obdachlosenheim in Calgary, wo das schwarze Gold zu Geld gemacht wird, arbeitete. »Ich hatte immer ein sehr klares Bild davon, was gut und was schlecht ist«, sagt die 36-Jährige rückblickend. »Dort habe ich gelernt, dass es eben nicht ganz so einfach ist.« Alles sei miteinander verstrickt, fährt sie fort. »Das Obdachlosenheim beispielsweise wird nicht etwa von der Stadt oder der Regierung gesponsert, sondern von den Ölfirmen.« In dem Heim lernte die Autorin und Nachwuchsfilmerin Menschen kennen, die selbst eine Weile in Fort McMurray wohnten und arbeiteten – und letztlich tief gefallen sind. So schnell, wie das Geld kommt, kann es eben auch wieder verschwinden. Damals keimte der Wunsch in der Leipzigerin, sich näher mit den Menschen und ihren Beweggründen, in Fort McMurray zu leben, auseinanderzusetzen und sich auf Spurensuche im schmutzigen Ölgeschäft zu begeben.

Nach ihrer Rückkehr vor sechs Jahren und einigen beruflichen Umwegen begann Jasmin Herold im Oktober 2007 ihr Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. »Durch Zufall bin ich dort in ein Drehbuchseminar gestolpert«, erinnert sich Jasmin. Bis dahin hatte sie nie darüber nachgedacht, überhaupt etwas mit Film zu machen. Ihr erstes Drehbuch »Flying« über eine an Alzheimer erkrankte Frau und die Beziehung zu ihrer Enkeltochter wurde 2008 im Rahmen des Projektes »Ansichtssache« des Vereins Ostpol von einem ukrainischen Filmemacher verfilmt. Kurz darauf schrieb sie ihr zweites Drehbuch »Sonntagskaffee«, eine Geschichte über zwei verwitwete Menschen und die Last der Vergangenheit, welches sie 2009 beim MDM-Kontakttag vorstellte und das anschließend von der Hallenser Produktionsfirma 42film unter der Regie von Daniel Krüger verfilmt wurde. »Während dieser Zeit arbeitete ich auch an einem Roman, der sich ebenfalls mit der Gier und der Entfremdung der Menschen befasst«, erzählt die Autorin. Angesiedelt ist diese Geschichte, wie soll es anders sein, in Kanada. Im Frühling letzten Jahres kam Kamerastudent Niklas Hoffmann, mit dem sich Herold immer wieder über Fort McMurray unterhalten hatte, auf sie zu und bat die Leipzigerin, die Regie für seinen Diplomfilm zum Thema an der HFF Potsdam zu übernehmen. Nach kurzem Zögern – Herold hatte bislang noch nie Regie geführt – stimmte sie dem Vorhaben zu und flog gemeinsam mit Hoffmann und zwei weiteren HFF-Studenten im vergangenen August für zweieinhalb Wochen nach Kanada. Der dort entstandene halbstündige Diplomfilm »Black Eden« soll allerdings keine öffentliche Auswertung finden. »Das Thema wäre sonst verbrannt«, sagt Herold, die einen neunzig Minuten langen Dokumentarfilm plant. Darin soll es weniger um das Ölgeschäft an sich gehen: »Menschen aus 200 Nationen leben in Fort McMurray und alle aus dem einen Grund: um so viel Geld wie möglich zu verdienen«, sagt sie. »Das ist wie ein Kaleidoskop unserer Welt und ich möchte die Frage stellen, was das alles auch mit uns zu tun hat.«

Derzeit liegt der Filmstoff bei diversen Produktionsfirmen, die Herold während des letztjährigen DOK Leipzig angesprochen hat. Da es immer eine Weile dauert, bis klar ist, mit wem man letztlich zusammenarbeitet, hat sich die 36-Jährige für eine Crowdfunding-Aktion entschieden, um die fünfwöchige Recherchereise zu finanzieren. Am 28. Februar fliegt die Nachwuchsfilmerin erneut nach Fort McMurray. Ein Clou ist der Leipzigerin schon vorab gelungen: »Über Facebook hat mich ein Fremder gefragt, der über meinen Blog vom Projekt erfahren hat, ob er die Flugkosten übernehmen kann«, erzählt Jasmin lachend. »Innerhalb von 20 Minuten hatte ich per Chat einen Lufthansa-Flug!« Noch immer schüttelt die Filmemacherin verwundert den Kopf, so absurd klingt diese Episode.


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