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Theaterkritik

V wie Vulvata

Im Solostück »ROH« gibt Valerie Habicht-Geels die Lebensgeschichte der V.

  V wie Vulvata | Im Solostück »ROH« gibt Valerie Habicht-Geels die Lebensgeschichte der V.

»Mach’ es wie die Bonobos, Hose runter und dann los«, sangen einst Bikini überm Fujiyama. Die Zeile kann auch für die Produktion »ROH – disputatio de femina bisulca« gelten. Valerie Habicht-Geels spielt die Lebensbeichte von V., einer Frau in ihrer »Midlife Horniness«.

Sex und Kuscheln, Macht und Müdigkeit, Zurückhaltung und Wildheit sind die Parameter, an denen sich V.’s Pole-Dance abarbeitet. Ihr Ich – und das des Zuschauers zugleich – wird zum rohen Land, dessen Topographie durch Witz und Esprit, Unverstelltheit und Hemmungslosigkeit bestimmt wird.

»So wie man uns jetzt erzieht, bekommen wir zuerst eine zweite Natur«, heißt es bei Nietzsche. »Und wir haben sie, wenn die Welt uns reif, mündig, brauchbar nennt. Einige Wenige sind Schlangen genug, um diese Haut eines Tages abzustoßen: dann, wenn unter ihrer Hülle ihre erste Natur reif geworden ist. Bei den Meisten vertrocknet der Keim davon.« Diesen Keim lässt Habicht-Geels nicht vertrocknen, sondern bringt ihn ihrer Figur V. zum Keimen. Nach einer Begrüßung mit dem Herunterrasseln aller möglichen Frauenklischees – das Weibliche stehe für Nichtkultur, Unbearbeitetheit, das Irrationale und sei der Hemmschuh des Fortschritts – eruptiert diese Vulvata. Immer wieder Bröckchen von Niederländisch einstreuend, berichtet sie von ihrer Kindheit, dem Aufwachsen auf der Blumenwiese und ihren dunklen Facetten. Den Zurichtungen des Frauenkörpers, dem Medien-Mode-Komplex, die diesen zum Schlachtfeld machen, erteilt sie eine schmissige Absage, erklärt Torschlusspanik mit Blisterpackungen und macht die Tour de France zum herrlich skurrilen Eierlauf. Direkt und ungekünstelt kommt Habicht-Geels dabei herüber, immer zwischen Berührung und Unterhaltung changierend. Wenn 80 Minuten – Roh Achtzig – und ein ganz kleines bisschen Kunstblut später die One-Woman-Show zielsicher im Schlagerparadies endet, verklingt mit diesem schönen Schlussakzent ein sehenswerter Seelenstrip.


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