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Kultur

Bärtige Jongleurin

Beim 2. Zirkomania-Festival werden Filme von Tami Gold gezeigt

  Bärtige Jongleurin | Beim 2. Zirkomania-Festival werden Filme von Tami Gold gezeigt

In Zusammenarbeit mit paranoid:paradise werden beim zweiten Zirkomania-Festival (20.-28.7.) am 21. und 24. Juli die Filme »Juggling Gender: Sex, Politics and Identity« und »Still Juggling« der New Yorker Filmemacherin Tami Gold gezeigt. Der Leipziger Simon Schultz von Dratzig hat sich mit der Dokumentarkünstlerin Tami Gold in ihrer Wohnung in New York getroffen und über ihre Arbeit und ihr Leben geredet.

»New York ist eine Stadt, von der man nicht mehr wegkommt«, sagt Tami Gold gelassen, während sie durch das Wohnzimmerfenster auf die grauen Wolken schaut. Mit einem kleinen Löffel rührt sie die Milch in den Kaffee. Sie erzählt von ihrer Zeit in dieser Stadt und ihre Augen strahlen. Seit ihrer Geburt wohnt sie New York. Mehrfach hat sie versucht, der Stadt den Rücken zu kehren. Immer wieder ist sie zurückgekommen. Nur das Stadtviertel hat sie gewechselt, von der Bronx ging es nach Brooklyn. Zusammen mit ihrer Partnerin, ihren Kindern und Enkelkindern wohnt sie in einem Neubau in Greenwood Heights, einer ruhigen Gegend, in der sonst nicht so viel passiert.

Bereits in den Siebzigerjahren engagierte sich Gold in New York in der Civil Rights-Bewegung und ging gegen den Vietnam-Krieg auf die Straße. Hier hat sie zusammen mit ihrem Kollektiv erste eigenständige Dokumentarfilme gedreht und traf später auch auf die lesbische Aktivistin Jennifer Miller. Über Miller drehte sie den Dokumentarfilm »Juggling Gender: Sex, Politics and Identity« und schildert darin deren Erfahrungen als Frau mit Bart und Zirkusperformerin. Mit ihr spricht sie über Geschlechterrollen, über Körperpolitik, über Machtverhältnisse, über das sich Wohlfühlen im eigenen Körper. Dürfen Frauen einen Bart haben? Dürfen lesbische Frauen einen Bart haben? Wo werden die Grenzen zwischen den Geschlechtern gezogen und wer bestimmt darüber?

Das Telefon klingelt. Eigentlich will sie mit ihrer Familie übers Wochenende Richtung Süden fahren. Doch das Wetter macht ihr einen Strich durch die Rechnung. Durch die Fenster ist nichts von den Wirbelstürmen zu sehen, die weiter weg in Oklahoma die Flug- und Reisepläne ihrer Partnerin durcheinanderwerfen. Es nieselt nur an diesem Freitagmorgen in New York.

Gut 15 Jahre nach »Juggling Gender« hat sie die bärtige Lady Miller noch einmal besucht, um zu sehen, was sich verändert hat. Miller macht mit ihrem »Circus Amok« die Straßen New Yorks unsicher und bringt die Stadtpolitik zu den Menschen in den Parks. In »Still Juggling« geht es um Familie, Religion, Geschlecht, ihre Arbeit in einer Sideshow im Vergnügungspark Coney Island, in der sie den Kindern und Erwachsenen feministische Ideen näherbringt. Sie erzählt von ihrem politischen Straßentheater, das mehrfach prämiert wurde, und natürlich vom Leben und Lieben mit dem Bart.

Wieder klingelt das Telefon, alle Flüge sind ersatzlos gestrichen. Im Flur stapeln sich Koffer und Taschen. Der Rest der Familie sucht bereits die letzten Sachen zusammen. Zwischen all dem Trubel nippt Tami an ihrer Tasse Kaffee. Sie ist die Ruhe in Person.

Anfang des Jahres hat sie ihren letzten Dokumentarfilm »Puzzles« fertiggestellt. Nach einer blutigen Attacke auf eine Drag Queen in einer Schwulenbar in einer Kleinstadt im Nordosten der USA sucht sie nach Ursachen und Zusammenhängen zwischen der prekären ökonomischen Lage der Stadt und des Verbrechens. Sie setzt die Fragmente und Bruchstücke des Verbrechens nach und nach zusammen. Sie will darauf aufmerksam machen, dass Homosexuellenfeindlichkeit auch strukturelle Wurzeln hat. »Nein, es war nicht angenehm, den Film zu drehen«, sagt Gold. So viel Verzweiflung, so viel Angst und Hass. Ohne ihren Co-Regisseur David Pavlosky und ihr Team hätte sie die Dreharbeiten nicht überstanden. Der Film ist beeindruckend, ganz zufrieden ist sie aber dennoch nicht. Sie wird ihn neu schneiden, sobald sie mehr Zeit hat.

Es bleibt nicht viel Platz zwischen der Lehre am Hunter College, der Familie, dem Filmkollektiv und den vielen anderen Projekten. »Für den nächsten Film habe ich etwas Schönes«, verspricht Gold.

Ein letztes Mal klingelt das Telefon. Es kann nun doch losgehen und Gold trommelt die Familie zusammen.


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