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Heavy Celeste

The Pleasure of Hating

Diesmal in der Metalkolumne: Die Freuden des Hasses und die Vorzüge der Dunkelheit

  The Pleasure of Hating | Diesmal in der Metalkolumne: Die Freuden des Hasses und die Vorzüge der Dunkelheit

Einfach mal rauslassen. Harmonie können andere, weshalb grimmige Lektüre und das Party.San jetzt genau richtig sind.

»On the Pleasure of Hating« nennt sich ein Kleinod von Text, auf das ich kürzlich stieß. Rund 190 Jahre ist er alt, aber hat nichts eingebüßt an Witz. Darin beschreibt sein Autor William Hazlitt das menschliche Vergnügen zu hassen. Man sehe dieses überall auf der Welt am Werk, in den Kriegen wie in Kindergartenrangeleien. Menschenaufläufe begaffen Katastrophen, am Leid anderer soll die eigene Welt genesen. Hazlitt war sich damals noch nicht sicher, ob nicht irgendein mirakulöser Sprung in der menschlichen Entwicklung diese Lust überwinden könnte. Im 21. Jahrhundert angekommen, kann man klar sagen: Nein! Es heißt also, damit zu leben und sie dann und wann auszukosten.

»Pure good soon grows insipid, wants variety and spirit. Pain is bittersweet, which never surfeits. Love turns, with a little indulgence, to indifference or disgust: hatred alone is immortal.« Wenn also das reine Gute langweilig wird und nur der bittersüße Schmerz nie abklingt, Liebe in Gleichgültigkeit oder Abscheu mündet, dann muss wohl der Hass als ewiger, unsterblicher Motor übrig bleiben. Dabei ist es kein die Religionen prägender Hass auf die Welt, kein »Fluch auf die Affekte«, wie Nietzsche fürs Christentum festhielt, keine »Furcht vor der Schönheit und Sinnlichkeit«, kein »Verlangen ins Nichts«. Immerhin wusste dieser alte Fritze, dass alle Lust Ewigkeit will. Also muss diese »Pleasure of Hating« auch mal ausgelebt werden. »Hass allein genügt nicht mehr« ist zwar ein schickes Album einer Punkband, dem Motto ist aber nichts hinzuzufügen.

Den sinistren Freuden widmet sich ein Magazin mit dem schönen Namen »Grimm«. Im ersten Band – der zweite soll im Frühjahr folgen – geht’s um absolut autonome Bakterien, Amoklauf und Badespaß, den Horror des Tausendjährigen Vintage-Reiches und erotische Fantasien zu Ronald Reagan. Angereichert ist diese dunkle Satansbratensoße mit prächtiger Grafik. Apokalyptisches findet sich in Comicstil und als Collage, fotografischen Schnapp- und Scharfschüssen. Kurzum ein hübsches, finster gehaltenes Kaleidoskop, aus dem nur dann und wann ein gedämmter Lichtschein entweicht. Ebenso ansehnlich zeigen sich »Die Vorzüge der Dunkelheit«, ein episodenhafter Horrorroman von Ror Wolf. Seine »Versuche, die Welt zu verschlingen« werden von surrealen Collagen zusammengehalten, machen den schmatzenden Alptraum perfekt.

Wenn es Nacht wird über Schlotheim, dann werden die Schreie lauter. Das Party.San ruft, nicht mehr lang ist’s hin und drei Tage turbogeklöppelte »Hassmusik« – wieso nennt alle Welt eigentlich Bushidos zusammengebartstoppelte Gangsta-Grütze Hassmusik? – wird auf uns herniederprasseln. Böses Geballer versprechen Anal Nathrakh, Dying Fetus und Unleashed. Die hochtönend-siedendheiße Melange aus Humanmediziner und Sozialkritik jagen Caracas in die Menge. Muss man Primordial, Venom, Hypocrisy noch anpreisen? Legion of the Damned? Das diesjährige Line-up ist unfassbar gut. Es ist eine einzige Ode an die Freude am Grollen. Also hin und sich weghauen: Denn rausschreien und ausleben ist besser, als reinfressen und internalisieren. – »Ich wollte gerade das Fenster öffnen, um die Menschengerüche zu entfernen ...« (Ror Wolf)


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