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Filmkritik

Bilbo reift zum Helden

Peter Jackson hat ein bisschen aus den Fehlern des ersten Hobbit-Teils gelernt

  Bilbo reift zum Helden | Peter Jackson hat ein bisschen aus den Fehlern des ersten Hobbit-Teils gelernt

Etwas mehr als dreihundert Seiten umfasst Tolkiens Kinderroman »Der kleine Hobbit« und wahrscheinlich würde kein Filmemacher außer Peter Jackson auf die Idee kommen, aus einer solchen Vorlage einen neunstündigen Kino-Dreiteiler zaubern zu wollen. Aber der neuseeländische Regisseur hat mit seiner »Herr der Ringe«-Trilogie Filmgeschichte geschrieben und darf sich alle Zeit der Welt nehmen, um nun auch die Vorgeschichte der mythischen Kämpfe in Mittelerde auf der großen Kinoleinwand zu erzählen.

Im letzten Jahr spielte der erste Teil »Der Hobbit – Eine unerwartete Reise« weltweit eine Milliarde Dollar ein, rief aber auch Kritiker nicht nur unter den Tolkien-Puristen auf den Plan, die mit den Freiheiten, die sich Jackson im Umgang mit der Vorlage genommen hatte, ganz und gar nicht einverstanden waren. Aber auch literarisch unvoreingenommenen Zuschauern stieß das narrative Streckungsverfahren auf, mit dem Jackson die schmale Vorlage fürs epische Kinoformat breit bügelte. Die lang gezogene Rekrutierungsphase des abenteuerunwilligen Hobbits, die nicht enden wollende Vorstellung der dreizehn Zwergencharaktere, ausufernde Wanderungen durch die pittoresken Landschaften Neuseelands, über die sich das dortige Tourismusbüro freuen konnte, und Heerscharen hässlicher Orks, die die Abenteuerreise des Hobbits immer wieder in eine Verfolgungsjagd verwandelten, führten hier sichtbar zu dramaturgischer Materialermüdung. Dies versucht Jackson nun im zweiten Teil mit einem forcierten Erzähltempo wieder wettzumachen. Zwar hat die Reise des Hobbits und seiner kleinwüchsigen Gefährten auch hier eine eher episodenhafte Struktur, aber die Gefahrensituationen, an denen der unbedarfte Bilbo Beutlin (Martin Freeman) zum Helden reift, folgen hier Schlag auf Schlag. Vom Großbären Beorn über gigantische Spinnen im Düsterwald bis hin zu einem unerschöpflichen Vorrat an mordlustigen Orks reichen die Kampfszenarien, aus denen Hobbit und Zwerge auf ihrem Weg zum »Einsamen Berg« erstaunlich unbeschadet hervorgehen. Außerdem bringen die gut aussehenden Elben, denen hier mehr Raum als in der Romanvorlage eingeräumt wurde, ein wenig Eleganz ins Kampfgeschehen. In bester asiatischer Martial-Arts-Manier turnen die langhaarigen Krieger mit Schwert und Flitzebogen über das Schlachtfeld. Orlando Bloom wurde als Legolas aus »Herr der Ringe« ins Prequel exportiert und mit Evangeline Lilly in der Rolle der Elbenkämpferin Tauriel wurde eine ebenso attraktive wie hart gesottene Quotenfrau ins männerdominierte Tolkien-Universum injiziert, die auch über die eigene Spezies hinaus amouröse Wallungen generiert. Auf Atmosphäre setzt Jackson in der nebelverhangenen Seestadt, in der Stephen Fry als unbeliebter Herrscher einen kurzen, exzentrischen Auftritt hat. Mit dem Eintritt in die Katakomben des »Einsamen Bergs« dringt der Film im letzten Drittel auch ins Herz der Geschichte vor. In einem glitzernden Meer aus Goldmünzen schläft hier der Drache Smaug – ein wirklich veritabler Antagonist, der nicht nur groß und gefährlich, sondern auch von intelligent-psychopathischem Wesen ist. Das riesige, goldgierige Monster gibt inmitten seines überbordenden Reichtums ein geradezu mythisches Bild des Raubtierkapitalismus ab, den es auch schon zu Tolkiens Zeiten gegeben hat. Wenn Bilbo über die Münzenberge hinwegstolpert und sich dem erwachenden Drachen stellen muss, verliert Martin Freeman auch hier nicht den humorvollen, an Charlie Chaplin erinnernden Zugang zur Figur des unfreiwilligen Helden. Selbst im tosenden Hi-Tech-Spektakel, das im Finale des zweiten Teils mit enormer Bildgewalt entfacht wird, bleibt die Warmherzigkeit der sympathischen Identifikationsfigur sichtbar, die ein notwendiges Gegengewicht zu den überbordenden Actionsequenzen bildet.


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