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Kultur

»Ich bin eine Rampensau«

Wanderwege einer Wanderhure: Julius Fischer hat sich vom Slam-Poeten zum Lesebühnenautor gewandelt

  »Ich bin eine Rampensau« | Wanderwege einer Wanderhure: Julius Fischer hat sich vom Slam-Poeten zum Lesebühnenautor gewandelt

»Die schönsten Wanderwege der Wanderhure« heißt das neue Buch von Julius Fischer, weswegen sein Verlag Voland & Quist inzwischen verklagt wurde. Denn der Verlag Droemer Knaur, der erfolgreich Mittelalter-Geschichten über eine Wanderhure herausbringt, fand den Titel nicht so witzig. Wir haben uns vorher mit dem Leipziger Autor getroffen und darüber unterhalten, was ihn inspiriert.

Wir sitzen in einem historischen Kaffeehaus im Art-déco-Stil, mit hohen Decken, dunklen Holzmöbeln und langer Tradition. Unzählige Lesungen und Jazzabende haben hier stattgefunden. Das Café Grundmann scheint der ideale Ort, um mit einem selbstbewussten Jungautor über sein neues Buch zu sprechen.

Seine Maultaschensuppe steht dampfend auf dem Tisch. Julius Fischer ist guter Dinge – und dann diese Frage: »Wie ist es denn, als Slam-Poet Texte für ein Buch zu produzieren?« Fischer mag keine dummen Journalistenfragen. So steht es jedenfalls in seinem Buch.

Julius Fischer wurde 1984 in Gera geboren. Bekannt geworden ist er vor allem durch Poetry-Slams, von denen er einige gewonnen hat. Die Leipziger Lesebühne Schkeuditzer Kreuz hat er mitbegründet, er ist Mitglied der Lesebühnen »Sax Royal« (Dresden) und der »Lesedüne« (Berlin). Zudem gehört er dem Slam-Duo Team »Totale Zerstörung« an, mit dem er zweimal den deutschsprachigen Poetry-Slam gewonnen hat. Seit 2009 tritt er zusammen mit Christian Meyer als Musik-Duo »The Fuck Hornisschen Orchestra« auf. Gerade hat er sein zweites Buch veröffentlicht: »Die schönsten Wanderwege der Wanderhure. Kein historischer Roman«. 30 seiner aktuellen Lesebühnentexte sind im Buch versammelt, auf der beigefügten CD befinden sich zusätzliche Texte und Lieder. Gitarre oder Klavier spielt Fischer selbst.

Die Reaktion kommt prompt: »Hä? Nee, eben nicht mehr als Poetry-Slammer! Das ist genau der Wandel, den ich mir selbst jetzt mal attestieren möchte: Ich bin kein Poetry-Slammer mehr, sondern Lesebühnenautor.« Also gut. Julius Fischer ist ein Autor, der für die Bühne schreibt und der es liebt, seine Texte einem Publikum zu präsentieren. 150 Auftritte absolviere er im Jahr, sagt er. Und: »Ich bin eine Rampensau.« Fischer mimt auch gerne einmal den Old Shatterhand in einer Laien-Theater-Gruppe im Ilses Erika. Seine Bühnenerfahrung merkt man ihm an – wie auch sein Ringen mit großen Namen. Auf die Frage nach Vorbildern antwortet er: »Also, ich würde sagen, grundsätzlich bin ich sehr inspiriert von vielen Dingen. Bei manchen Dingen denke ich mir aber auch nur, boah, wie krass. Ich würde so gerne eine Geschichte schreiben können wie Michael Ende, aber das werde ich nie können. Ich würde gern so schreiben wie Harry Mulisch – werde ich nie können.« Es fallen noch die Namen Max Goldt und Thomas Mann. Am Ende ist man sich nicht mehr völlig sicher, ob er das alles noch ernst meint. Jedenfalls scheint Fischer viel über sein Schreiben nachzudenken. »Ich glaube, dass ich mir manchmal intuitiv Dinge von Max Goldt abgeguckt habe, zum Beispiel langes Fabulieren, um auf irgendeine Pointe zu kommen. Wobei das Fabulieren eigentlich die Pointe ist und die Pointe selbst gar nicht so witzig.«

Fischers Texte handeln oft von selbst erlebten Absurditäten des Alltags, etwa in »Ein kleines, wuscheliges Zentrum des Togethers«, wo es kein wirkliches Together gibt: Die Studenten und Künstler in Fischers Haus, eigentlich ein WG-Paradies, werden nach und nach raussaniert – und die Verbliebenen sind dann nicht in der Lage, ein gemeinschaftliches Wir zu entwickeln. Grüßen ist nicht. Um so etwas wie Kommunikation in Gang zu bringen, braucht es schließlich eine Katze, die jeden Tag ins Haus scheißt und so eine Botschaft hinterlässt: »Das ist unser Haus.« Was dazu führen könnte, dass Hausbewohner sich zusammensetzen, um erstmals miteinander zu reden. Die Fronten verhärten sich jedoch und das Problem wird schließlich über Briefe abgehandelt. Bisweilen thematisiert Fischer in seinen Texten auch sich selbst als einen Autor, der auf der Suche nach Anerkennung ist. Mehrere seiner Texte beginnen mit Überlegungen, wie sich denn ein Schriftsteller am besten vermarkten könne, zum Beispiel in »Der Outdoor-Autor«. »Als Schriftsteller«, heißt es da, »muss man sich Nischen suchen. Sonst geht man in der Masse unter. Die Idee, dass man alleine vom Schreiben leben kann, ist ungefähr so realistisch wie der Wunsch kleiner Mädchen, auf dem Bauernhof zu leben oder Prinzessin zu werden, wenn sie groß sind. Die meisten landen in der Nagelpflege.« Derlei Weisheiten ziehen sich durchs gesamte Buch.

Sein Studium der Germanistik, Geschichte und der Allgemeinen und vergleichenden Literaturwissenschaft hat Fischer vor zwei Jahren geschmissen. Die Prioritäten hätten sich verschoben, es seien einfach zu viele Auftritte geworden. Er bereut die Entscheidung nicht, sagt er, »denn schließlich habe ich die Zeit ja auch besser genutzt, als einfach nur rumzuhängen und Playstation zu spielen.« Wo Herr Fischer recht hat, hat er recht.


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