anzeige
anzeige
Kultur

HO, HO, HAHAHA

Er tat nicht weh, der Frühjahrsrundgang der Spinnerei

  HO, HO, HAHAHA | Er tat nicht weh, der Frühjahrsrundgang der Spinnerei

Überraschung geht anders: In der Spinnerei zeigte sich ein netter Frühjahrsrundgang. Malerei dominierte, mehr Finesse hätte es sein können. Immerhin steigert das die Erwartungen für die Herbstkunstrunde.

Am Samstag bekannte der sächsische Ministerpräsident einmal richtig Farbe. Anstatt sich wenige Kilometer entfernt ein Fußballspiel anzusehen, entschied sich Herr Tillich für den Besuch des Spinnereirundgangs. Er und die von Spinnereiseite genannten 25.000 Gäste sahen an zwei Tagen bei vorfrühlingshaften Temperaturen ein gemischtes Programm, das noch Luft für die Herbstrunde ließ. Aber ebenso erging es den über 42.000, die sich 90 Minuten lang 22 Männer auf dem Rasen ansahen. Die Mannschaft von RB zeigte zwar bei ihrem letzten Heimauftritt in der dritten Liga mehrere kurze Momente von Kreativität anstelle des so oft unansehnlichen Spiels auf Resultate, aber daraus sind keine Rückschlüsse für die Zukunft zu ziehen. Warum sollte es dort anders laufen als im Feld der Kunst?

Hier also ist zu beobachten, dass sich die Malerei weiter ausbreitet. Allerdings fehlt die Erklärung, warum dem so ist. Alle Galerien hielten sich auch daran, dass das Publikum nicht mit frischen, neuen Positionen zu verschrecken sei. Nein, auch das Gewohnte ist schön anzusehen. Die ausgestellte Malerei heute arbeitet mit dem Vorgefundenen und entfremdet die Oberflächen. Das wäre ein formales Fazit. Einmal fällt dies in der direkten körperlichen Aktion und damit als haptisches Resultat auf, das uns Peter Krauskopf bei Jochen Hempel mehr als einmal zeigt. Oder wie in der Maerzgalerie die großformatigen Arbeiten von Wolfgang Ganter, der dafür Bakterien und Chemie einsetzt, die wiederum ihre Kräfte wirken lassen, um Bildträger mit kunsthistorischen Klassikern zu zersetzen. Wieder auf Holzgrund zurückgeholt und die Oberfläche mit Kunststoff verschlossen, wirkt das einmal. Malerei als Simulation kann bei Josef Filipp gesehen werden. Die Attrappe von Wolfgang Ellenrieder im Eingangsbereich harmoniert in Größe und Form mit dem Raum. Leider zeigen wenige Meter weiter, dass dies nicht allen Malobjekten beschieden ist.

Ernste Verhandlungen zu Bildern, die real oder in den Köpfen existieren, stehen bei Jörg Herold als Dokumentationsarchäologe auf dem Plan. Seine Suche nach dem Himmelreich Schlesiens verbindet Bilder von Vertreibung, Alltagsszenen, Trachten und sozialistischer Bauweise. Auch er bedient sich der Oberflächenveränderung und mischt diese fotografischen Zeugnisse mit allem anderen als ernsten Farben. Es geistert und mittig wacht Rübezahl.

Wenn nicht explizit die Oberfläche als bearbeitete zu sehen ist, dann taucht die Farbenpracht um ein Zehnfaches auf – so wie im Laden für Nichts. Die Malerei von Sebastian Gögel lädt wieder zum Schmunzeln ein, aber auch mit diesem leichten Schalk im Nacken, ob er uns überhaupt ernst nimmt. Die Zeichnung gilt immer als die kleinere Variante der Malerei – alles andere als klein sind die Zeichnungen von Bastian Muhr. In seiner Preisträgerausstellung der Leipziger Jahresausstellung bei b2 zeigt er Arbeiten der letzten zwei Jahre. Neu ab diesem Jahr: Die großflächigen Papiere, auf denen einfache Striche die Motive setzen, sind mit einem Gewebe aus vielfarbigem Buntstift gefüllt.

Etwas in den Hintergrund trat bei diesem Rundgang die Fotografie. ASPN stellt Arthur Zalewskis Eindrücke von Peking vor. Weder politische Masseninszenierungen noch andere Offensichtlichkeiten treten auf. Vielmehr scheinen die Nebensächlichkeiten nun endlich den Raum zu erhalten, den sie eigentlich auch im richtigen Leben einnehmen. Im Spinnerei archiv massiv präsentiert Edgar Leciejewski unter dem Titel »Fotografie« Portraits mit ausgelassenen Gesichtern, während die abgebildeten Obertrikotagen den jeweiligen Rahmen ummanteln. Mit »Kunst, Freiheit und Lebensfreude. Aus dem Brigadebuch-Archiv der Leipziger Baumwollspinnerei« wählte Emanuel Mathias im Rahmen von Spinnerei bildarchive 22 eine Reihe von Kollektivereignissen zu Zeiten der DDR aus. Den visuellen Aufnahmen mit passenden symbolhaften Passepartouts hängen auf Tüchern gestickte Ermahnungen wegen fehlender Arbeitsdisziplin gegenüber. Beiden Positionen hätte etwas mehr Finesse gut getan.

»Du musst mehrere Facetten zeigen können« – immer wieder »Du musst. Du kannst.« – so tönt der im Ganzkörperanzug gekleidete Performer in »Challenge« von Stefan Hurtig. Das Material der Drei-Kanal-Videoinstallation stammt aus dem Kritik- und Lobkatalog von Heidi Klum an ihre Schülerinnen in »Germanys Next Topmodell«, das nun 30 Minuten lang zu hören ist.

Mit »Does Humor belong in Art?« fragt die Halle 14 nach dem Humorpotential in der Kunst und lässt sechs künstlerische Positionen darauf antworten und/oder Gegenfragen stellen. Interessanterweise wird Humor bei der Hälfte der künstlerischen Positionen in Schrift und Sprache abstrahiert. Als ob das Lachen selbst, das dem Humor nicht so fern steht und immer schon als subversive Handlung Misstrauen auf sich zog, fehl am Platze sei. Die zwei Lach-Yoga-Kurse mit anschließender Kunstbetrachtung kann Freunden der Atemtechnik empfohlen werden. Schlussendlich freuen wir uns alle auf die Herbstrunde, die dann wirklich die Überraschungen auftischt.


Kommentieren


0 Kommentar(e)