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Politik

»Sie haben gelernt, zu kämpfen«

Eine brasilianische Anarchistin über den Kampf gegen die WM in ihrem Land

  »Sie haben gelernt, zu kämpfen« | Eine brasilianische Anarchistin über den Kampf gegen die WM in ihrem Land

Vor der Fußballweltmeisterschaft ist der Protest in Brasilien gegen das Turnier groß. Seit Juni 2013 gibt es Massendemonstrationen gegen die WM im eigenen Land. Dabei werden Menschen ziellos verhaftet und nur unter erschwerten und teuren Verfahren entlassen. Um Gefangene zu unterstützen, gründeten Aktivisten im November 2013 das Anarchist Black Cross (ABC, dt.:»Anarchistisches schwarzes Kreuz«) von Rio de Janeiro. Wir befragten Clara* (25 Jahre), ein Mitglied des Kollektivs, über dessen Arbeit und die Situation kurz vor der WM 2014.

kreuzer: Was genau bekämpft das ABC in Rio de Janeiro?

CLARA: Die ganze Politik, die dieses WM-Projekt betrifft. Unser Ziel ist natürlich in erster Linie, die Gefängnisse zu bekämpfen, aber auch den Unterdrückungsapparat, der sowohl staatlich als polizeilich funktioniert. Das ABC ist auch ein anarchistisches Kollektiv. Und die Mehrheit der Anarchisten ist gegen die WM, da wir sehen wie die »Befriedungseinheit der Polizei« (UPP) die Kontrolle über die Favelas auf eine gewaltsame Weise übernehmen. Viele Häuser in den Favelas wurden zerstört und Menschen umgesiedelt.

kreuzer: Wie setzt ihr euch als junges Kollektiv für die Gefangenen genau ein?

CLARA: Wir haben einige Anwälte, die auch in anarchistischen oder linken Bewegungen aktiv sind. Durch sie wissen wir, wer inhaftiert wird. Menschen werden für ein oder zwei Tage verhaftet, um dann eine Strafe und die Anwaltskosten bezahlen zu müssen. Wir sammeln Geld, um diejenigen wieder frei zu bekommen, die sich das nicht leisten können. Ein Fall im Juni 2013 war wirklich schockierend. Wegen eines entzündbaren Reinigungsproduktes, das ein Mann bei sich trug, während in der Nähe eine Demonstration stattfand, wurde der Unbeteiligte verhaftet. Dabei war es nur ein normales Putzmittel. Er sitzt nun schon eine lange Zeit im Gefängnis. Er selbst ist arm und obdachlos.

kreuzer: Also gelingt es euch nicht immer, die Menschen direkt aus dem Gefängnis zu holen?

CLARA: Wir haben weniger Leute aus dem Gefängnis direkt geholt, weil wir erst seit November existieren und noch relativ klein sind. Aber wir können mit den Geldspenden die Leute im Gefängnis mit wichtigen Dingen versorgen. Manchmal helfen wir Anwälten mit dem bürokratischen Prozess der Entlassungen. Anwälte von linken Organisationen verlangen kein Geld. Und wir sparen vor allem Geld für die WM zusammen, da wir wissen, dass es viel mehr Unterdrückung und Inhaftierungen geben wird.

kreuzer: Wir hier in Europa bekommen nur die Bilder aus dem Fernsehen oder Internet mit. Wie nimmst du selbst die Unruhen in Rio de Janeiro wahr. Gibt es Veränderungen?

CLARA: Dass Menschen in den Favelas von der Polizei getötet werden und unter Repressionen leiden, gab es auch schon vor dem Juni 2013. Da haben sich die Menschen nicht getraut, sich zu wehren. Jetzt fühlen sich die Menschen stärker. Sie haben gelernt und verstanden, dass sie kämpfen können und erheben sich. Neu ist auch, dass bei einigen Demonstrationen die weiße Mittelschicht zusammen mit der schwarzen ärmeren Schicht kämpfte. Das war bislang einzigartig.

kreuzer: Wie wird es während der WM aussehen? Werden die Unruhen stärker?

CLARA: Ich weiß es nicht. Denn das System der Unterdrückung hat auf jeden Fall von den Aufständen in der letzten Zeit gelernt, wie man mit dieser Massenbewegung umgeht. Die Polizei wird in vielen Stadtteilen und Nachbarschaften präsent sein. Das wird schwer, dagegen anzukämpfen. Das Aufgebot an Polizisten wird größer und die Armee dabei sein. Mit mehr Waffen. Außerdem wird verhandelt, ob es besondere Gesetze während der WM geben wird und sie wollen spezielle Gerichte einsetzen. Zudem gibt es Überlegungen, neue Sicherheitsgesetze zu implementieren – Gesetze, die eine Demonstration als terroristischen Akt definieren können. Ich weiß nicht, wie das ausgehen wird.


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