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Konzertkritik

Geh mir aus der Nonne

Reichlich Lärm und etwas Klischee: Das In-Flammen-Open-Air im Festival-Tagebuch

  Geh mir aus der Nonne | Reichlich Lärm und etwas Klischee: Das In-Flammen-Open-Air im Festival-Tagebuch

»Torgau, let’s slaughter some nuns«, besonders klischeefrei fiel der Auftritt von Nunslaughter (US) auf dem In-Flammen-Open-Air nicht aus. Zumal man ihnen hätte sagen können, dass es in der einst protestantisch geprägten Gegend die Klosterdichte gering ist. Es war ein Torgauer Ratsherr, der Katharina von Bora dabei half, aus dem Kloster zu entkommen – in einem Heringsfass. Luther hat hier seinen Hering, äh Lachs versenkt. In Torgau liegt Katharina auch begraben, wohin das In-Flammen-Open-Air (IFOA) seit zehn Jahren zu Sex, Drugs and Rock’n’Roll und Heringslappen gegen den Kater ruft.

Das Wetter überm herrlichen Gelände hielt mehr, als die Berichte vorher versprachen. Mit dem Line-up verhielt es sich am ersten Tag leider anders herum. Nach raumgreifenden Aufwärmübungen gabs einen ersten Höhepunkt mit Deserted Fear, die als eine Art Lokalmatador der Meute vor der Waldbühne einheizten. Das wollte den danach Auftretenden nicht mehr gelingen. Gut, die Skanners (IT) gehören schon zum Inventar und die alten Hair-Metal-Herren waren noch recht lebendig dabei. Aber mitreißend geht dann doch anders. Richtig enttäuscht haben Deströyer 666 (AU) und Pentagram (US); alte Haudegen kehren manchmal anders. Aber was solls, die Frosch-Kotze-Bar stand offen und der zweite Tag sollte ja erst noch kommen.

Kuchen tischt der In-Flammen-Thomas jetzt wohl immer auf – letztes Jahr hatte er die Gratis-Kaffee-und-Gebäck-Tafel als leckeres Novum eingeführt. Hinter diesen Standard wollte er wohl nicht wieder zurück und keiner wird ihm das verdenken. Einen guten Start legten Gutalax (CZ) und Cytotoxin (Chemnitz) vor, brachial hingerotzter Grind, der absolut als Wachmacher taugte. Circle Pit und Massensturm auf die Bühne brachte auch jene allein vom Zusehen in Stimmung, die sich nicht unbedingt physisch beteiligen wollten. Kunstblut spritzte umher, wie man es nur von mancher Stadttheaterbühne kennt. Demonical (SE) pflanzten Schweden-Stahl auf und hinterließen keine Gefangenen. Nachdem die Stimmung mit The 11th Hour (NL) arg abflachte – das Spannendste am Doom-Brei war die Frage, wozu die vier Klampfer brauchen, die auch eingefleischte Fans mir nicht beantworten konnten – gings dann mit Hail of Bullets (NL) wieder stark steil. [Gut, den Nazi-Typen vor mir mit Hominem-Shirt und blöden Kumpels hätte es nicht gebraucht – warum ist man in solchen Situationen immer gerade allein?] Die preschten gewaltig vor, nicht weniger mächtig zeigten sich Inquisition (US), die wiederum wundern ließen, wie man zu zweit so ein Mörder-Gedröhns hinbekommt. [Warum hatten The 11th Hour noch mal vier Gitarristen?] Benediction (US) zogen nach, zeigten nichts Überraschendes, aber gaben ihren Segen und massig auf die Zwölf – deswegen war man ja auch hier.

Ein hübsches Paket hat der Thomas wieder einmal geschnürt, nichts zu mäkeln gabs an Gelände und Gastronomie und an den freundlichen Helferlein sowieso nicht. Ob die Idee, kleinere/unbekanntere Bands im Brückenkopf und damit am anderen Ende der Stadt spielen zu lassen, aufging, muss mit einem Jein beantwortet werden. Einen kleinen Zug von Leuten gab es stetig, der sich zum Shuttle dorthin aufmachte, um gezielt Bands zu sehen. Viele waren es einer nichtrepräsentativen Umfrage zufolge aber nicht und die Bands goutieren das jeweils verschieden. Geharnischt jedenfalls zeigte sich niemand. So hieß übrigens eine frühe Bürgerwehr in Torgau, als man in der Gegend noch Nonnen schlachten konnte. Aber das ist eine andere Geschichte ...


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