anzeige
anzeige
Filmkritik

Sayonara, Miyazaki-san

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Sayonara, Miyazaki-san | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

In dieser Woche nimmt ein Großmeister seinen Hut: Hayao Miyazaki dankt ab und macht die Bühne frei für nachkommende Generationen. Aber wo sind die? Sein Sohn Goro ist zwischenzeitlich als Regisseur gereift und hat mit »Der Mohnblumenberg« ein eigenständiges und gelungenes Werk vorgelegt, nach einigen soliden Gehversuchen. Aber sonst? Gerade dem legendären Studio Ghibli geht der Nachwuchs aus. Isao Takahata hat zwar einen neuen Film gedreht, der am 20. November in unsere Kinos kommt, es könnte aber ebenso gut der letzte des 79-jährigen Altmeisters sein. Studio 4°C (»Tekkonkinkreet«), die vor einigen Jahren als Frischblutspender der japanischen Animationskunst für Begeisterung sorgten, dümpeln seitdem vornehmlich im Werbe- und TV-Segment vor sich hin. Wir dürfen trotzdem gespannt sein auf ihr Mammutwerk »Berserk«, das im August auch hierzulande vollendet vorliegt und an dieser Stelle in Kürze vorgestellt wird. Solange genießen wir den Flug mit Miyazaki-San und blicken ihm voller Wehmut hinterher. Eine gute Gelegenheit, das Werk des Großmeisters neu zu entdecken, bietet da das Studio Ghibli Filmfestival, das ab 14. August auch in der Kinobar Prager Frühling Station macht. Der Filmverleih Universum zeigt zwar leider nur eine Auswahl der in deutscher Synchronisation vorliegenden Werke und die Kinobar bringt sie vornehmlich am späten Nachmittag. Aber die Erschließung seiner Filmografie lohnt allemal und erst recht auf der Leinwand. Der kreuzer wünscht viel Spaß beim Entdecken.

Film der Woche: Wie schmerzlich wir ihn vermissen werden, unterstreicht Hayao Miyazaki mit seinem letzten Opus Magnum. Mit der Adaption der Lebensgeschichte des japanischen Flugzeugdesigners Jiro Horikoshi fährt er noch einmal alles auf, was seinem Namen Größe verleiht. Er beschränkt sich nicht nur auf die Stationen der Vita des Aerodynamik-Genies. Sein Traum vom Fliegen, dem Design einer perfekten Flugmaschine, den er an der Universität und später im Auftrag des Militärs verfolgt. Miyazaki füllt den Zwischenraum mit Menschlichkeit und legt das schicksalhafte Band zwischen Jiro und seiner großen Liebe Nahako als verbindendes Glied zwischen die Jahrzehnte. Mit »Wie der Wind sich hebt«, dessen Titel einem Gedicht von Paul Valéry entlehnt ist, kehrt der 73-Jährige zu seinen Anfängen zurück und schließt den Kreislauf eines Künstlerlebens. Die Faszination für das Fliegen war bereits in seinen Frühwerken »Nausicaä«, »Laputa« oder »Porco Rosso« allgegenwärtig. Seine Liebe zum europäischen Kontinent beweist er auch hier mit liebevoll gestalteten Charakteren wie dem italienischen Designer Giovanni Battista Caproni, dem Jiro immer wieder in seinen Träumen begegnet. Die Traumsequenzen geben Miyazaki Raum, seine überbordende Phantasie auszuleben. Dem Ende wohnt eine gewisse Melancholie inne. Nicht nur, weil Hayao Miyazaki erzählerisch eins wird mit seinem Helden, sondern auch weil wir einem der wichtigsten Filmemacher hinterherblicken, dessen Schaffen eine immense Bereicherung des Kinos bedeutet und dessen Abgang einen mächtigen Krater hinterlässt.

»Wie der Wind sich hebt«: ab 17.7., Passage

Ali (Kate Moran) und ihr Freund Matthias (Niels Schneider) haben nach Mitternacht in ihrer Wohnung zu einer Orgie geladen. Nacheinander treffen »die Schlampe« (Julie Brémond), »der Hengst« (Éric Cantona), »der Teenager« (Alain-Fabien Delon) und »die Diva« (Fabienne Babe) ein. Die genderambivalente Gouvernante Udo (Nicolas Maury) heizt die Stimmung mit Whiskey und Poppers an, doch bald schon macht sich eher Melancholie breit, als die Teilnehmer von ihrem Leben zu erzählen beginnen, von ihren Träumen und Sehnsüchten berichten. Yann Gonzalez zählt durch seine Kurzfilme bereits zu den großen Nachwuchsstars der französischen Filmszene. Mit seinem Langfilmdebüt »Begegnungen nach Mitternacht« war er in Cannes präsent und erhielt u. a. den Hauptpreis des Filmfestivals von Athen. Kammerspielartig inszenierte er seinen mit geringen finanziellen Mitteln produzierten Film mit einem klaren Konzept für Raum, Zeit und Figurenensemble. Ein sinnlicher Kinorausch. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Begegnungen nach Mitternacht«: ab 18.7., Cinémathèque

Anne, Eddi und Johannes sind um die sechzig, können sich wenig leisten und gründen deshalb ihre alte Studenten-WG einfach neu. Alles soll so sein wie früher: Bis spät nachts um den Küchentisch herumsitzen und Wein trinken, über Gott und die Welt philosophieren und dabei die ehemaligen Hits hören. Doch die neue Wohngemeinschaft hat die Rechnung nicht mit der Hausgemeinschaft gemacht. Denn über den drei Studenten von damals wohnen drei Studenten von heute. Und die verstehen überhaupt keinen Spaß. Sie büffeln für ihr Examen und können alles gebrauchen – bloß keine lustigen und lauten 60-Jährigen, die sich nicht an die Regeln halten. Es dauert nicht lange, bis sich die beiden Generationen höllisch in die Haare kriegen. Aber was genau läuft hier falsch? Haben die Alten die Zeichen der Zeit nicht kapiert? Oder sehen die Jungen einfach nur alt aus? Launiger Generationskonflikt bei dem die »Alten« wesentlich frischer aufspielen dürfen als ihre jungen Gegenüber. Pointiert und komisch, ohne peinlich zu sein. Auch das können deutsche Komödien!

»Wir sind die Neuen«: ab 17.7., Passage

Torsten, Ende dreißig hat sich nichts versprochen von seinem Lottoabonnement. Er hat es geschenkt bekommen von seinen lottobegeisterten Kollegen. Der guten Stimmung willen spielt er das Spiel mit. Was er mit einem Millionengewinn anfangen soll, muss er sich schließlich fragen, als ausgerechnet sein Los den Jackpot knackt. Und er muss feststellen, dass er der einzige ist, der auf diese Frage keine Antwort hat. Seine Frau Susanne weiß, was sie mit dem neuen Reichtum anfangen soll. Auch sein Sohn Lutz plant schon für die Zukunft. Die Druckwelle dieser Lottobombe reißt Torstens geordnete Welt in Stücke und lässt ihn mit der Frage zurück, wer er eigentlich ist.

»Millionen«: am 20. und 23.7., Luru-Kino in der Spinnerei

 

Die Filmtermine der Woche

Flimmergarten

Der Offene Garten Querbeet lädt wieder zu Filmen im Flimmergarten. Dabei geht es um nachhaltigen Konsum oder Selbstversorgung, ökologische Landwirtschaft und Erhaltung der Umwelt. Die Dokumentation »Mitgift« (17.7.) beschäftigt sich in einer Langzeitstudie mit dem giftigen Erbe der DDR, »Growing Change/ALMA« (18.7.) blickt auf das Nahrungsmittelsystem in Venezuela und die Folgen der Viehzucht rund um den Globus und »Das Geheimnis der Bäume« (20.7.) ist eine bildgewaltige Naturdoku des französischen Regisseurs Luc Jaquet.

Offener Garten Querbeet, immer 20.30 Uhr

Queere Filme zum CSD

Die Cinémathèque zeigt »Pierrot Lunaire« von der Szene-Ikone Bruce LaBruce. Das junge Mädchen Pierrot verkleidet sich regelmäßig als Junge. Eines Tages verliebt sie sich in Columbine, die nicht weiß, dass ihr Liebhaber dasselbe Geschlecht hat. Nach dem Buch von Albert Giraud. 18.7. 22 Uhr Cinémathèque in der naTo

Die Kinobar bittet zu Film und Diskussion: Liebe ist ein Menschenrecht – In vielen Regionen werden Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität zunehmend Ziel für willkürliche Verhaftungen, gewalttätige Übergriffe und anderen Formen von Menschenrechtsverletzungen. Trotzdem lassen sich die meisten ihr Leben nicht wegnehmen. Der Film gibt persönliche Einblicke in das Leben queerer Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* ...) in ihrer Heimat und zeichnet ein lebendiges Porträt ihres Alltags: von schockierender Transphobie über Verwestlichung bis zu Hass-Verbrechen. 17.7. 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Die Frauenkultur lädt zur queeren Filmnacht mit »Romeos« (D 2011) und »Ghosted« (D 2008). 17.7., 19 Uhr, Frauenkultur

Geschlechtsverkehr in Hauptstadtfilmen

Berlin ist das neue Berlin: Das Luru zeigt zwei Perlen des hauptstädtischen Untergrundfilms. Die Very-Low-Budget-Komödie »Die Liebe und Viktor« um die Liebeswirren eines großen, dünnen, leicht depressiven Hauptstädters und die Vater-Sohn-Geschichte »Papa Gold«, ausgezeichnet mit dem Preis des Verbands der deutschen Filmkritik. Am Samstag in Anwesenheit des Regisseurs.

»Papa Gold«: 18.7., »Die Liebe und Viktor – Geschlechtsverkehr in Hauptstadtfilmen«: 19.7., jeweils 22 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei


Kommentieren


0 Kommentar(e)