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Filmkritik

Zurück in die Zukunft des Kinos

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Zurück in die Zukunft des Kinos | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Es raschelt im Laub. In dieser Woche hatten wir Leipziger auf der Filmkunstmesse bereits exklusiv die Möglichkeit, die kommenden Highlights der Herbst-Winter-Saison vorab zu sichten. Als Publikumsliebling stellte sich der polnische Film »Life Feels Good« heraus, der der klare Renner war auf den Abstimmungszetteln. Am Freitag gibt es ihn noch einmal auf dem Feinkostgelände zu sehen. Die Kinobar beendet damit auch offiziell die Sommersaison. Die Zeichen stehen also klar auf Herbst und damit auf die schönste Zeit für Kinogänger. Ein Highlight der Saison startet bereits in dieser Woche: »Heli« gewann den Regiepreis in Cannes und ist nun endlich auch in unseren Kinos zu sehen. Neben dem kreuzer Film der Woche gibt es aber noch zahlreiche weitere Gründe, auch über die Messewoche hinaus ins Kino zu gehen. Hier sind die besten.

Film der Woche: Amat Escalante wirft in »Heli«, der in Cannes 2013 mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet wurde, einen schonungslosen Blick auf die mexikanische Drogenpolitik. Ganz klassisch im Gewand eines Thrillers führt er uns im Hauptteil in das Leben von Heli, einem jungen Fabrikarbeiter, ein, der unter einem Dach mit seiner Frau, ihrem gemeinsamen Kind, seinem Vater und seiner zwölfjährigen Schwester Estela wohnt. Die Familie hat es nicht leicht, kämpft sich aber gemeinsam durch. In langen Einstellungen zeigt der mexikanische Filmemacher die Geschehnisse in der mexikanischen Provinz und lässt sie mitunter ins Surreale kippen, etwa wenn Estelas Freund sie vor wüstenhafter Kulisse hochhebt und seine Oberarme dabei trainiert.

Durch eine Dummheit von Estelas großer Liebe geraten Heli und die anderen ins Blickfeld der Drogenmafia. Was nun folgt ist eine Tortur, denn Escalante zeigt keine Scheu, die Greueltaten und Brutalitäten der Drogenkartelle in Szene zu setzen. Doch niemals nur zum Selbstzweck. Die grausamen Momente flechtet Escalante ein in eine fast schon hypnotische Betrachtung einer äußerst verrohten und vor allem aussichtslosen Welt, in der der Einzelne nichts mehr bezwecken kann. Ausführliche Kritik von Eileen Reukauf im aktuellen kreuzer.

»Heli«: ab 19.9., Kinobar Prager Frühling

Cindy fristet ihre Teenagerjahre mit ihren fiesen »besten« Freundinnen, ihrem kleinen Hund Werner und ihrem fatalistischen Nachbarn Danny, gefangen in einem übergroßen Körper. Sie lebt im Berliner Vorort Schönefeld, wo neben dem Bau des geplanten Großflughafens BER auch Cindys Hoffnungen stillstehen. Dass es jemals hoch hinaus gehen könnte, bezweifelt sogar ihr Vater, der sie »Rosinenbomber« nennt. Doch als Cindy die fremde Welt der Hotels durch einen internationalen Diplom-Ingenieur vom zukünftigen Rollfeld kennenlernt, geht ein Ruck durch ihr glanzloses Dasein. Erst hilflos, dann ziemlich offensiv bändelt sie mit dem Finnen Leif an, der auf Geschäftsreise im Flughafenhotel abgestiegen ist. Cindy spürt den Reiz der weiten Welt und bricht zur Überraschung aller aus den eingefahren Bahnen des öden Vorort-Daseins aus, mit einer Kirschtomate im Mund und einem roten Kleid um ihre runden Hüften. Sylke Enders (»Kroko«) schildert diese angenehm erfrischende Coming-of-age Story betont lebensnah und kann dabei mit Julia Jendroßek auf eine tolle Hauptdarstellerin bauen. Ihr gehören unsere Sympathien und die tragen auch über einige Längen in der Inszenierung locker-leicht hinweg.

»Schönefeld Boulevard«: ab 19.9., Passage

Göran Hugo Olsson, Filmemacher von preisgekrönten Festivalerfolgen wie »The Black Power Mixtape 1967-1975« (2011) und »Am I Black Enough for You« (2009), scheint sich, wenn er nicht bei Ikon South Africa kreative Lösungsansätze an der Front des politischen Dokumentarfilms umsetzt, stets zum rechten Moment in den Archiven schwedischer Fernsehanstalten aufzuhalten. So war er denn auch vor Ort, als die Metallbüchsen von verloren geglaubten Fernsehreportagen wie beispielsweise »No baas – Nej herre« (1973) wiedergefunden wurden. »Concerning Violence« verwendet dieses geborgene Filmmaterial, um sich mit jenen Befreiungsbewegungen von der westlichen Unterdrückung auseinanderzusetzen, welche in den 1970er Jahren die politische Landkarte Afrikas umpflügten. Den Super-8-Aufnahmen von Interviews mit schwedischen Missionaren und Dokumentationen des Befreiungskampfes stellt der Regisseur Texttafeln aus Frantz Fanons 1961 erschienener und in Frankreich sofort verbannter Dissertationsschrift »Les damnés de la terre – Die Verdammten dieser Erde« gegenüber. Fanon, der auf Martinique geborene Philosoph, Revolutionär und Psychiater, zeigt in diesem nachhaltigen Text auf, welche psychischen und physischen Folgen koloniale Gewalt hat und plädiert für Gegengewalt als zwingenden Bestandteil jedweder Entkolonialisierung. »Concerning Violence« ist ein dicht gewebtes Palimpsest, welches dem Publikum viele Bedeutungsschichten, Ideen und Bilder zur intellektuellen Herausforderung, aber auch zum ästhetischen Genuss in neun Kapiteln darbietet. Ausführliche Kritik von Claudia Cornelius im aktuellen kreuzer.

»Concerning Violence«: ab 19.9., Cineding

Seitdem Dwight (Josh Brolin) vor einigen Jahren das Leben von Miho (Jamie Chung) rettete, will er sich jeglichen Ärger vom Leib halten – bis ihn seine schöne Ex-Freundin Ava (Eva Green) kontaktiert, die ihm einst das Herz brach und mit einem anderen durchbrannte. Doch nun fleht Ava Dwight um Hilfe an, weil sie von ihrem Ehemann Damien Lord (Marton Csokas) brutal misshandelt und vom skrupellosen Chauffeur Manute (Dennis Haysbert) überwacht wird. Dwight beschließt, ihr zu helfen, muss aber nach kurzer Zeit feststellen, dass man in einer Stadt wie Sin City selbst einer Dame in Not nicht vertrauen kann.

Gleichzeitig erwacht Marv (Mickey Rourke) eines Morgens zwischen mehreren toten Jugendlichen. Dabei wollte er in der vorherigen Nacht doch nur der schönen Stripperin Nancy (Jessica Alba) beim Tanzen zusehen. Marv begibt sich tief ins Herz des Molochs, um herauszufinden, was geschehen ist. Zehn Jahre hat es gedauert, nun legen Robert Rodriguez und Frank Miller endlich den lange geplanten zweiten Teil der stylischen Comicadaption vor. Verarbeitet wurden gleich zwei Romane Millers: »A Dame To Kill For« und »Just Another Saturday Night« wurden zu einer episodenhaften Handlung verknüpft. Die Besetzung ist wieder exzellent. Neben den bekannten Gesichtern wie Bruce Willis und Mickey Rourke, dessen Figur Marv allgegenwärtig ist, stoßen Eva Green, Josh Brolin und Joseph Gordon Levitt zum Ensemble. Das Ergebnis ist mehr vom Gleichen, nur eben nicht mehr ganz so frisch und innovativ. Dabei wird ansehnlich mit (echtem) 3D gespielt, die comichafte Gewalt ist jedoch streckenweise arg übertrieben und der Plot weist einige Hänger auf. Ein außergewöhnliches Erlebnis ist der Besuch in (Ba)Sin City aber immer wieder.

»Sin City 2«: ab 18.9., CineStar, Cineplex, Regina

Die Filmtermine der Woche

5 Jahre Luru

Das Lieblingskino auf dem Spinnereigelände feiert die halbe Dekade mit Wiederaufführungen von Jane Campions eindringlichem Frauendrama »Das Piano« (19.9.) aus dem Jahr 1993, das mit berauschenden Bildern und der wundervollen Musik von Michael Nyman verzaubert und Jean-Luc Godards stilprägendem Klassiker der Nouvelle Vague »Außer Atem« (20.9.). Wir gratulieren!

19./20.9., 20 Uhr, Open-Air-Kino in der Spinnerei

Sound of Heimat & Hayden Chisholm Trio

Der Dokumentarfilm »Sound of Heimat«, der die deutsche Musik von einer Außenperspektive zeigt, wird mit Live-Musik der Band des Protagonisten abgerundet.

19.9., 20 Uhr, naTo

 

Off Europa Festival: Discover Bulgaria

Im Rahmen des Off Europa Festivals, das in diesem Jahr Bulgarien in den Fokus rückt, wird neben Tanz und Theater auch ein Filmprogramm in der Cinémathèque und der Kinobar zu sehen sein:

Paradise Hotel – Hotel Rai

Der junge Demir träumt von einer Hochzeit. Aber in seinem Wohngebiet am Rande einer Kleinstadt in Bulgarien ist kein Platz für Romantik. Vor 25 Jahren gab es dort alles, was man brauchte: Parkettböden, Gegensprechanlage, warmes Wasser aus der Wand, Bänke unter Apfelbäumen, Laternen in den Straßen. Irgendjemand nannte den Ort »Hotel Paradies« - und der Name blieb. Heute ist das Parkett verschwunden, das Wasser abgestellt, die Laternen bleiben dunkel.

19.9., 15 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Who's that City? – Koi e tozi grad?

36 Monate Vorbereitung, 45 Drehtage, 30 Stunden Material. 100 Interviews, 5.000 verschiedene Blicke. Dieser Film ist der alten Stadt Sofia gewidmet. Und ihren Bewohnern.

19.9., 17 Uhr, Kinobar Prager Frühling

15

Der erste bulgarische Episodenfilm mit 15 verschiedenen Geschichten aus 15 Jahren Nachwende-Bulgarien. Von 15 wichtigen bulgarischen Regisseuren aus Theater, Film und bildender Kunst. In Einzelteilen gezeigt und ausgezeichnet auf (Film-)Festivals auf der ganzen Welt. In der Langform zum ersten Mal in Deutschland zu sehen.

20.9., 18 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Sofia's Last Ambulance

Ein Krankenwagen holpert über die Straßen der bulgarischen Hauptstadt. Der Rettungsarzt, Dr. Krassimir Jordanow, sitzt Kette rauchend am Fenster. Schwester Mila, die ihn liebevoll nur Krassi nennt und dem Nikotin ähnlich zugeneigt ist, sitzt zwischen ihm und dem freundlichen Fahrer Pramen. Es geht zu unterschiedlichsten Patienten: Herzanfälle, Drogenabhängige, versuchte Abtreibungen und Betrunkene. Kaputt wie Sofias Straßen ist auch das bulgarische Gesundheitssystem – gerade einmal dreizehn Rettungsfahrzeuge stehen zur Verfügung für beinahe zwei Millionen Einwohner.

21.9., 18 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Viktoria

Zehn Jahre vor dem Zusammenbruch des Sozialismus – genauer: am 10. November 1979 – beschließt Boryana ihre Schwangerschaft zu beenden und Bulgarien gen Westen zu verlassen. Spielfilm von Maya Vitkova.

21.9., 20.30 Uhr, Cinémathèque in der naTo

 

Eperimentarfilmfestival Avantgarde ist keine Strömung IV

Nach dem Auftakt im Luru zieht das Experimentarfilmfestival, das von Sven Wörner (Cinémathèque), Sarah Schipschack und Leif Magne Tangen (D21) kuratiert wurde, in die naTo.

anders, Molussien -– autrement, la Molussie

Neun Rollen wunderbares 16-mm-Material, von denen acht die Allegorien aus Günther Anders' 1931 posthum veröffentlichter Novelle »Die molussische Katakombe« präsentieren, die das Faschistische im Kapitalismus – und umgekehrt – entblößt.

22.9., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo

What if ... - Kurzfilme

Was wenn ... Rotkäppchen einen anderen Weg genommen hätte?Das, was geschah, folgte einem scheinbar geradlinigen Zeitverlauf, zwingend und kausal - was, wenn dieser Zeitstrahl unscharf wird? Was wenn der Beginn eine Weggabelung und das Ende unaufhörlich ist, wenn das Publikum dem Film nicht mehr und sich selbst noch nicht trauen kann? Was, wenn die Grenzen verschwimmen und das Bild nicht zweifelsfrei die Erzählung repräsentiert? »What if ...« ist eine spielerische Erkundung solcher Umstände.

23.9., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Einzelpräsentation Ute Aurand – Kompilation

24.9., 20 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Girls Rising

Der Dokumentarfilm von Richard Robbins ist das Kernstück einer weltweiten Kampagne 10x10act, deren Ziel es ist, mehr Mädchen eine Schulbildung zu ermöglichen. Der Film zeigt neun Mädchen aus verschiedenen Ländern und wie positiv sich eine schulische Ausbildung auf ihr Leben ausgewirkt hat. Im Rahmen der interkulturellen Wochen

24.9., 19 Uhr, Passage Kinos

Kurzfilmprogramm

Kinotournee des Deutschen Kurzfilmpreis 2013 mit den Filmen »Shortfilm«, »Reality 2.0«, »Grünes Gold«, »Father«, »Ein kleiner Augenblick des Glücks«, »Nashorn im Galopp«.

24.9., 21.15 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Und morgen Mittag bin ich tot

Deutsches Drama zum Thema Euthanasie. Die schwerkranke Lea kämpft darum, auf ihre eigene Weise aus dem Leben scheiden zu dürfen. In der Reihe »Filme vom Abschied« mit anschließender Diskussion.

24.9., 19 Uhr, Passage Kinos

Schauspieler, Stars und Superstars: Der Akzent von Penélope Cruz

Claudia Cornelius führt durchs Werk der schönen Spanierin, von Almodóvar bis Allen. Im Anschluss gibt es wie immer einen Film aus dem reichhaltigen Œuvre der Darstellerin.

23.9., 20.15 Uhr, Memento


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