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Stadtleben

Irgendwas mit Statik

Brückenforscherin Stephanie Franck im Portrait

  Irgendwas mit Statik | Brückenforscherin Stephanie Franck im Portrait

Was die meisten Menschen für gegeben nehmen, treibt einigen Profis regelmäßig Schweiß auf die Stirn. So auch der Bauingenieurin Stephanie Franck — sie forscht an der HTWK zur Sicherheit von Brücken. Dafür wurde sie mit einem Nachwuchspreis ausgezeichnet.

Dass uns nicht fortwährend der Boden unter den Füßen wegrutscht, ist natürlich keine Selbstverständlichkeit. Es gibt Menschen, die arbeiten ständig im Verborgenen an unserer Geborgenheit. Und dass beispielsweise eine Brücke hält, wenn wir im ICE mit Volldampf darüber rasen, dafür trägt mitunter Stephanie Franck Sorge. Die 30-Jährige hat ihren Arbeitsplatz gleich neben der Karl-Liebknecht-Straße. In einem Büro der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK). Dort sitzt die Bauingenieurin an einem Computer und rechnet. Genau genommen berechnet Franck, ob ein in die Jahre gekommenes Bauwerk noch den Kräften der Moderne gewachsen ist, noch genauer: Ob die Bahn AG eine uralte Brücke abreißen muss oder ob sie ihre voll beladenen Schwerlastzüge weiterhin dort hinüber schicken darf. »Wir hatten neulich eine Brücke, die steht da seit 1905«, sagt Franck.

Man merkt der gebürtigen Wittenbergerin ein gewisses Mitgefühl für die tragisch aus der Mode gekommenen Mauerwerksbrücken an. »Die wurden damals einfach nicht für so hohe Lasten entworfen, es handelt sich aber dennoch um robuste Bauwerke – und die können schon noch einige Jahre stehen bleiben«, so Franck, deren Untersuchungen in erster Linie darauf abzielen, einen Abriss zu vermeiden. »Das sind schon manchmal schöne Bauwerke. So ein Zug ist mit der Zeit auch schwerer geworden, als man einmal beim Bau der Brücken angenommen hatte. So ein Schwerlastzug kann bis zu 600 Tonnen wiegen.«

Anhand solcher Gewichtsangaben und komplexer Baupläne der gemauerten Brücken simuliert Franck dann am Computer verschiedene Gedankenspiele. Zunächst werden alle Daten eingetragen, dann wird ein möglichst akkurates Modell digital gezeichnet. Über den fertigen Plan wirft Franck eine Art 3-D-Netz, das aus lauter kleinen Tetraedern besteht. Für jedes noch so unscheinbare Element der Brücke lassen sich so Spannungen und Dehnungen ausrechnen. Dann wird virtuell Druck ausgeübt. »Dieser entspricht eben der Belastung eines Zugs«, sagt Franck, die schließlich durch stetiges Erhöhen dieser Belastung erste Risse an ihrem Modell herbeiführen kann. Der tatsächliche Besuch der betreffenden Brücken ist zwar nicht jedes Mal notwendig, eine Beobachtung verschafft ihr aber immer einen besonderen Reiz. »Spannend ist es, wenn auf dem Bildschirm Risse im Modell entstehen, die wir auch in echt an der Brücke erkennen konnten.«

Auch die Beschaffenheit des Mauerwerks bezieht Franck in ihre Berechnungen mit ein oder ob man es mit einer gekrümmten Brücke zu tun hat. Dann wirkten nämlich »radiale Kräfte, Zentrifugalkraft, aus der sich noch zusätzliche Lasten ergeben«. Vermutlich einzigartig und gewissermaßen Francks Spezialität ist bei ihrem Modellaufbau das explizite Einbeziehen von Bodenbeschaffenheiten. Von Experten erhielt sie dafür Lob. Im jährlichen Wettbewerb »Nachwuchsinnovationspreis Bauwerkserhaltung« wählte eine Jury aus Fachleuten eben Francks »Rechnerische Nachbildung von Schäden an Mauerwerksgewölbebrücken« auf den ersten Platz – nicht zuletzt aufgrund ihrer innovativen Vorgehensweise, die nicht nur Brücken an sich kalkuliert, sondern auch deren Umgebung.

Wer also in Zukunft im Zug eine gemauerte Brücke überquert, der darf ehrfurchtsvoll in den Abgrund blicken und Menschen wie Stephanie Franck dafür danken, dass die Brücke trägt. Dass beispielsweise Schäden ausgebessert wurden, die Franck erst untersucht hat. Und außerhalb von Zügen? Studierende, die sich samt Fahrrädern und gut gefüllten Bierflaschen auf der Sachsenbrücke niederlassen? Lauert auch hier irgendwann Gefahr? »Nee«, sagt Franck und lächelt dabei, »das sind nicht wirklich große Lasten.«

Allein auf die schönen gemauerten Brücken will sich die Anwärterin auf einen Doktortitel nicht ihr ganzes Berufsleben beschränken. Das sei nur für die Dissertation, danach könne es auch gerne wieder um die Zukunft gehen, namentlich Betonbau. Damit hat sich Franck schon im Diplom beschäftigt. »Oder halt ein ganz anderes Gebiet«, sagt sie. »Auf jeden Fall irgendwas mit Statik.«


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