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Kultur

Feine Gewalt

Zupackend: Peng Palast! bringt das Faustrecht auf die Bühne

  Feine Gewalt | Zupackend: Peng Palast! bringt das Faustrecht auf die Bühne

Während am Donnerstag viele Leipziger den Innenstadtring mit viel Licht genossen, versammelten sich in Lindenau ein paar weniger Besucher um einen anderen Ring aus Licht. Im Lofft hatte die Berner Gruppe Peng Palast! eine Kampfarena aufgebaut, und sich die zuvor aufgestaute Wut aus dem Bauch geprügelt – bevor der Abend mit Kartoffelsalat exotique und Sektchen ausklang.

»Fight! Palast #Membersonly«: Vier mit flutlichtartigem Lampengerät versehene Stangen stecken die sonst leere Bühne ab. Darin sind in Hüfthöhe merkwürdige Spiegel angebracht, deren Funktion sich später noch erhellen wird. Die Zuschauer sitzen sich wie in einer Arena gegenüber und begucken sich erst einige Zeit, dann betritt das Trio den Saal. Die zwei Schauspieler (Nina Mariel Kohler und Christoph Keller) und ein Mime (Dennis Schwabenland) berichten erst zusammen als Chor, dann auch einzeln Episoden aus einem Strauchelnden-Leben. Alltagswut und Depression kommen zum Vorschein, Selbstverausgabung bei der Selbstverwirklichung bis zur Erschöpfung. Warum sucht ausgerechnet die so genannte Generation Y nach einem Sinn in ihrem angepassten Leben? Wofür lohnt es zu kämpfen? Lohnt kämpfen überhaupt? Und was hat das alles mit dem Raubtierkapitalismus zu tun? Warum ist hier alles eine Challenge, eine Herausforderung? Wieso gewinnt, wer fightet, sich durchschlägt? No pain – no gain? Ein Yuppie weint nicht, ein Yuppie beißt / sich auf die Zunge, auch wenn das Herz reißt?

Nach vielerlei Ausgekotze über die Schneckenmühle Neoliberalismus flammt ein grüner Laser auf und erzeugt über die erwähnten Spiegel eine rechteckigen Ring – frei zur nächsten Runde. Aufwärmübungen und Sparring folgen. In Kickbox-Outfit und Schutzausrüstung ziehen immer zwei der Kontrahenten ins Gefecht. Das hat mit einem Profikampf nichts zu tun, gedeiht aber dank unmittelbarer Nähe zur intensiven Zuschauererfahrung. Als der Applaus als Schlussgong erfolgt, ist der Abend aber noch gar nicht zu Ende. Mehr aber soll an dieser Stelle nicht verraten werden, sonst ist die Überraschung perdu.

Peng Palast! geht ein großes Wagnis ein, doch ihr Balanceakt gelingt. Leicht hätte ihr Verwirrspiel zwischen Theaterspiel und Wirklichkeit – was gibt hier jeder Spieler wirklich von sich preis, was ist Erzählstoff? –, in Klischee oder Tristesse abrutschen können. Aber die Gratwanderung gelingt. Und dass, obwohl es ihnen bei mancher Publikumsansprache – keine Angst, Mitmachtheater findet nicht statt, oder doch? – das Pech vergönnt ist, auf einen Leipziger Schauspielerkollegen oder Theaterkritiker zu stoßen. Der Erfolg resultiert aus zwei Faktoren. Das Timing ist die ganze Inszenierung über exakt, Tempo und Spannung werden konsequent aufrechterhalten. Wichtiger aber noch ist das genau Spiel der drei, die ihr Schauspielhandwerk eben verstehen. Keine Hänger, das akkurate Sprechtheater bildet hier die Basis für die ins Spektakel überführte Performance. Auch die Kampfszenen sind mehr als ein Showeffekt, sondern fügen sich logisch in die kluge Dramaturgie. So ist mit »Fight Palast!« keine dieser unter dem Etikett »Performance« hingeschluderten Stückwerke unsicherer Theatermacher zu sehen. Ohne Schweiß, nur Scheiß: Man merkt dieser Inszenierung nicht an, dass sie einem langen Probeprozess entstammt – gerade weil sie einem langen Probeprozess entstammt.


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