anzeige
anzeige
Stadtleben

»Die Hilfsbereitschaft ist explodiert«

Massenweise Spenden für Flüchtlinge in der Ernst-Grube-Halle

  »Die Hilfsbereitschaft ist explodiert« | Massenweise Spenden für Flüchtlinge in der Ernst-Grube-Halle

Den ganzen Tag haben Leute nach einem Aufruf der Johanniter Spenden für Flüchtlinge abgegeben. Das sieht zwar chaotisch aus, funktioniert aber.

»Also hier vorne die Frauensachen, da die Kinder, dann Herren und dahinten Spielzeug und Sonstiges«, erklärt eine junge Frau. Ich bin gerade angekommen im Bildungswerk der Johanniter, wo man heute den ganzen Tag Spenden abgeben kann. Es ist 11 Uhr und der Raum ist jetzt schon voll mit Tüten, Taschen, Kisten, Klamottenstapeln. Am Eingang wartet eine Schlange.

Der Spendenaufruf ging am Wochenende erst raus. Spenden für die Notunterkunft in der Ernst-Grube-Halle. Dass sich die Johanniter um die Notunterkunft kümmern, ist auch erst seit Freitag bekannt. Sie haben den kurzfristigen Notauftrag bekommen. Am Wochenende gab es Rund-Mails, dass noch Freiwillige gesucht werden, die bei der Spendenannahme helfen. Deswegen bin ich hier. Deswegen sind auch die anderen etwa 15 Leute hier.

Wer jetzt hier der Ansprechpartner ist, keine Ahnung. Die Hälfte der Leute trägt Johanniter-T-Shirts, weiß aber auch nicht mehr als ich. Dennoch findet jeder eine Aufgabe. Sachen annehmen, Sachen zuordnen, nach Größe sortieren, zusammenlegen, Kisten beschriften und in der Ecke stapeln. Anweisungen gibt hier kaum jemand, es gibt nur einige Regeln wie Unterwäsche und Handtücher nur ungebraucht. Kaputte, unbrauchbare, verdreckte Sachen kommen weg, aber der größte Teil wird angenommen. »Wie viele Klamotten die Leute haben«, staunt das Mädchen neben mir, als wir die nächste prall gefüllte Einkaufstüte voller T-Shirts und Hosen auf den Tisch hieven, um sie nach Kleidergrößen zu sortieren. »Wir Deutschen leben echt im Überfluss.«

Es ist alles dabei. Paris-T-Shirt, Outdoor-Jacke, Lila-Leopardenfell-Pullover, Handtaschen, Kinder-Puzzle, Malstifte, ein Simpson-Comic, Schwangeren-Hosen, Duschgel. Der Stapel vor unserem Tisch wird einfach nicht kleiner, im Gegenteil. Die Spendenbereitschaft ist überwältigend. Doch immer, wenn einer gerade stöhnen will wegen all der Massen, sagt ein anderer, wie sehr er sich über den Andrang freue. Dass das hier vielleicht zuviel ist für die geplanten 450 Flüchtlinge in der Grube-Halle, überlegt jemand. »Ja, aber es kommen ja noch Flüchtlinge in die Südvorstadt und in die Torgauer Straße und noch woandershin«, überlegt jemand.

Erst mal sind die Spenden hier für die Leute in der Ernst-Grube-Halle gedacht, erklärt Christoph Graebel, der seit ein paar Tagen Pressesprecher der Johanniter ist. So wie viele seit ein paar Tagen neue Aufgaben haben. Natürlich werden aber Sachen, die nicht gebraucht werden, auch an andere bedürftige Flüchtlinge gegeben.

Die erste Fuhre wurde schon in die Halle gebracht, eine nächste folgt. Inzwischen sind die Kartons alle, 300 Kisten wurden vollgepackt. Im Baumarkt wurden 300 neue gekauft. Als die Kassiererin sich über die Größe des Umzugs wundert und den Grund des Kisten-Großeinkaufs erfährt, ruft sie den Marktleiter an, der zehn Prozent Rabatt gewährt.

»Auch auf Facebook ist am Wochenende die Hilfsbereitschaft explodiert«, sagt Graebel. Deswegen gibt es am Montagabend eine Veranstaltung, auf der erklärt wird, wie man ehrenamtlich helfen kann. »Nur darum soll es gehen«, sagt Graebel. »Nicht darum, warum jetzt Flüchtlinge in der Halle sind und wann man da wieder Sport machen kann.« Es gebe Bedarf an qualifizierten Menschen wie Psychologen oder Sozialarbeitern, an Freizeitbetreuung oder natürlich Spenden. Derzeit gibt es in der Grube-Halle keine Lagerungsmöglichkeiten, aber ab nächster Woche soll es eine Dauerannahmestelle für Spenden geben.

Vor dem Fenster in der Witzgallstraße steht eine Frau und fragt, ob sie ihre Sachen direkt hier durchreichen könne. Nee, doch bitte durch die Tür. Am Eingang gibt eine Rentnerin gerade eine Tüte voller Sachen ab. Als sie sieht, was hier los ist, fragt sie: »Braucht ihr noch Hilfe beim Sortieren?« Ja, gerne.


Kommentieren


0 Kommentar(e)