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Filmkritik

Nachts im Regen

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Nachts im Regen | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Regen in Mumbai und Fieberalbträume wie bei David Lynch. Stromberg mal als der Gute. Und Werner Herzog lässt Nicole Kidman durch die Wüste reiten. Viele Filme starten nicht in dieser Woche. Dafür zeigt die Kinobar Kurzfilme über Drogen.

Film der Woche: Es regnet unaufhörlich in Sen-Guptas Mumbai. Der Plot in »Sunrise« spielt sich fast ausschließlich nachts ab. Meisterhaft spielt der indische Regisseur mit Licht und Schatten, um einen Neo-Noir-Albtraum zu kreieren. Die Dunkelheit auf der Leinwand ist ein tiefer Blick in die Seele seines Protagonisten Joshi, ein Cop um die Fünfzig, der mit ansieht, wie seine Kollegen hilflos und gleichgültig der vorherrschenden Kriminalität begegnen. Im Wahn rennt er durch die Gassen und Hinterhöfe der Stadt, ein Getriebener auf der Suche nach dem Mörder von mittlerweile fünf Kindern in drei Monaten. Ein weiteres wird vermisst, und während die anderen auf der Wache untätig herumsitzen, folgt Joshi Spuren und schemenhaften Figuren im Schatten. Die Indizien führen in das »Paradise«, eine schmierige Bar, die den Albträumen David Lynchs entsprungen sein könnte. Hier prostituieren sich Minderjährige vor sabbernden Männern am Bühnenrand, die mit Geld um sich werfen. Joshi stolpert mitten hinein in den Bau und folgt dem Kaninchen immer tiefer in den Abgrund. Wahn und Wirklichkeit verschmelzen. Der Polizist findet sich in einem Fiebertraum wieder, der mit seinem eigenen Schicksal eng verknüpft ist.

»Sunrise«: ab 3.9., Schaubühne Lindenfels

 

Christoph Maria Herbst ist der Inbegriff des »guten Bösen«. Seit er als »Stromberg« vor der Fernsehkamera brillierte, ist er abonniert auf Kotzbrocken. Da könnte man meinen, seine Rolle wäre klar definiert in einem Film mit dem Titel »Die Kleinen und die Bösen«. Aber er spielt in Markus Sehrs Komödie eher den Kleinen, der über sich hinauswächst und die Bösen in ihre Schranken verweist. Herbst ist Bewährungshelfer Benno, ein ehrlicher, etwas biederer Typ und eigentlich zu soft für seinen Job. Besonders der Ex-Knacki Hotte (Peter Kurth) macht ihm Sorgen. Nicht unbedingt, weil er den Kleinkriminellen vor der Rückkehr ins Kittchen bewahren will. Hotte hat zwei Kinder, die Benno am Herzen liegen. Als ihre Oma stirbt, steht Benno vor einem Problem, denn Hotte, der sich nie um sie gekümmert hat, steht auf einmal parat, um seine Vaterrolle einzunehmen. Allerdings nur, um das Kindergeld abzugreifen, nicht um wirklich Verantwortung zu übernehmen. Benno setzt alles daran, die Kinder vor dem Schlimmsten zu bewahren, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Katastrophe passiert. Mit diesem Moment ändert sich der Ton und selbst wenn das Drehbuch immer wieder Gags einstreut, so richtig kommt der Film nicht mehr auf die Füße. Markus Sehr weiß nicht so recht wohin. Gute Ideen stehen klischeehaften Figuren gegenüber und die Handlung ist ziemlich schnell ziemlich vorhersehbar. Schade um die guten Darsteller. Christoph Maria Herbst zeigt, dass er mehr kann als Arschloch, Peter Kurths Darbietung als eben jenes ist meist nervig und laut, aber der Figur entsprechend.

»Die Kleinen und die Bösen«: ab 3.9., Passage Kinos (am 4.9. Premiere mit Hauptdarsteller Peter Kurth)

Gertrude Bell (Nicole Kidman) ist ihrer Zeit weit voraus. Während die Mehrheit der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ihr Leben noch ausschließlich der Familie widmet, zieht es die gebildete Engländerin im Anschluss an ihr Oxfordstudium nach Teheran. Ursprünglich als kurzes Abenteuer geplant, wird das Reisen schon bald zu Gertrude Bells Passion. Überwältigt von der Natur und der Kultur des Nahen Ostens, beschließt sie, ihr Leben dem Land und seinen Menschen zu widmen. Sie macht sich als Schriftstellerin, Archäologin und Forscherin einen Namen, um letztendlich als politische Beraterin und Diplomatin des britischen Königreichs zu einer der mächtigsten Frauen ihrer Zeit zu werden. Was Gertrude in ihrer Karriere zugutekommt, erweist sich jedoch als umso schwieriger für das private Glück. In England nie verheiratet, verliebt sie sich während ihrer Reisen in den spielsüchtigen Diplomaten Henry Cadogan (James Franco). Sein tragischer Tod und der Verlust seiner Liebe hinterlassen für immer tiefe Spuren, die auch die spätere Beziehung zum verheirateten Charles Doughty-Wylie (Damian Lewis) beeinflussen. Getrieben von der Fremde und der Einsamkeit kämpft Gertrude Bell unermüdlich für ihre Überzeugungen und die Menschen des Nahen Ostens. Regisseur Werner Herzog erzählt das als bildgewaltiges Melodram, in dem Nicole Kidman überzeugt. Die zerfahrene Handlung und die episodenhafte Erzählweise lassen allerdings kaum Leidenschaft verspüren und wenig Empathie für die Figuren aufkommen.

»Die Königin der Wüste«: ab 3.9., Passage Kinos

Die Flimmerzeit im August mit FRANK, DATING QUEEN, SOUTHPAW und ein DVD-Tipp zum Gewinnen

 

Weitere Filmtermine der Woche

Kurzfilmabend Kino Datsche, die Veranstaltungsreihe für Nachwuchsfilmer, präsentiert eine Kurzfilmrolle im frisch eröffneten Hostel in der Demmeringstraße. Eintritt frei. 4.9., 20 Uhr, Hostel & Garten Eden

Best of Kurzsuechtig 2015 Alle Siegerfilme des Kurzsuechtig 2015 noch einmal auf der großen Open Air-Leinwand. Bei Regen im Saal (Beginn: 21.30 Uhr) 4.9., 21 Uhr, Open Air Kino in der Spinnerei

Farinelli – Il Castrato Freie Verfilmung des Lebens von Carlo Broschi (1705–1782), eines Kastraten, der unter seinem Künstlernamen Farinelli europaweite Berühmtheit in der Musikszene seiner Zeit erlangte. Mit Barockmusik vom Ensemble Les Matelots und einer Ausstellung von Claudia Lange. 5.9., 19.30 Uhr, Leutzscher Kunstrasen/Zum Harfenacker 21

Ohne Rast. Ohne Eile Buenos Aires, Dezember 2012. Das Bundesparlament trifft seine letzten Entscheidungen. Plötzlich strömen hunderte Indigene in das Stadtzentrum. Sie sperren erst die Hauptverkehrsstraße vor dem Parlament, dann alle Seitenstraßen. Aktivisten urbaner Gruppen schließen sich ihnen an. Neuer Film der Kameradisten (»Sachamanta«) – mit Gespräch 5.9., 20 Uhr, Cineding

#10Tage – In zehn Tagen um die Welt Christoph Karrasch liest aus seinem gleichnamigen Buch und zeigt Filme von der kürzesten und interaktivsten Weltreise der Welt. 6.9., 15 Uhr, Passage Kinos

Rio Breaks Der 13-jährige Fabio und die 12-jährige Naama sind beste Freunde. Sie leben in einem Elendsviertel in der Nähe von Arpoador Beach in Rio de Janeiro. Das Leben ist hart und ihre Freundschaft wird oft auf die Probe gestellt, aber als sie das Surfen für sich entdecken, bietet sich ihnen nicht nur die Möglichkeit kurzweiliger Abwechslung, sondern die Chance, für immer aus dem Slum rauszukommen. – Surf Film Nacht 6.9., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Kehraus, wieder Gerd Kroske hat für »Kehraus, wieder« ein drittes Mal die Protagonisten seines Straßenkehrer-Films »Kehraus« aufgesucht. – Reihe Leipzig Zyklen in Zusammenarbeit mit DOK Leipzig. 6.9., 11.30 Uhr, Passage Kinos

Tage der Industriekultur 2015 Kinotag Industriekultur LE und Vortrag – eine Gemeinschaftsveranstaltung von Dr. Roger Liesaus, Michael Ludwig, Enno Seifried und Michael Zock Programm: Industriekultur LE (20 min), Geschichten hinter vergessenen Mauern Teil 1 Leipzig (90 min), Heine & Co. Aktiengesellschaft Leipzig & Gröba a. E. (15 min), Geschichten hinter vergessenen Mauern Teil 2 (90 min), Leipziger Lichtspiele. Ein Vortrag zu Kinogeschichte und Industriekultur von Michael Zock (60 min), Festumzug 1965 (30 min), Leipzig Architektur Innenstadtfilm 1987 (90 min), Langbein-Pfanhauser-Werke AG Leipzig (15 min), Geschichten hinter vergessenen Mauern Teil 3 Abschied Leipzig (90 min) 6.9., 11 Uhr, LURU-Kino in der Spinnerei

Die Bombe Die TV-Reportage in drei Teilen aus dem Jahr 2009 handelt von der Entwicklung, Verbreitung und dem möglichen Einsatz von Atomwaffen und schmutzigen Bomben und deren nuklearer Bedrohung. ZDF-Nachrichtenmann Claus Kleber und die Filmemacherin und Autorin Angela Andersen erhielten dafür den Deutschen Fernsehpreis für die beste Reportage. 7.9., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Once Ein Dubliner Straßensänger lernt eine tschechische Pianistin, die sich ebenfalls mit allen möglichen unterbezahlten Jobs über Wasser hält, kennen. Ausgezeichnet 2007 beim Sundance Festival mit dem Publikumspreis. Für den Song »Falling Slowly« erhielten Glen Hansard und Markéta Irglová 2008 den Oscar. 8.9., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Shorts Attack: Voll auf Droge Film und Drogen gehen seit jeher gut zusammen. Das Kurzfilmprogramm »Voll auf Droge« bietet zehn Drogenfilme in 86 Minuten. Von Israel bis Dänemark, von 4 Minuten Länge bis 17. Mal dokumentarisch, mal animiert oder in der Form eines Kurzspielfilms. Abwechslung garantiert. Eher für Upper, nichts für Downer. Das wird bunt und wild! 9. 9., 21.15 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Mumia Abu Jamal: Long Distance Revolutionary Erzählt wird die außergewöhnliche Geschichte von Mumia Abu-Jamal, der fast 30 Jahre lang in der Isolationshaft der Todestrakte von Pennsylvania, USA, gefangen gehalten wird. – Anschl. Diskussion mit Aktivisten. – globaLE 10.9., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels


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