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Kultur

Future Ragga im Säurebad

Filigranisierte Rückkehr der Dancenoisehall: The Bug feat. Miss Red gastieren in der Distillery

  Future Ragga im Säurebad | Filigranisierte Rückkehr der Dancenoisehall: The Bug feat. Miss Red gastieren in der Distillery

Sieben Jahre können eine lange Zeit sein. Vor allem im Kreativleben eines derart hyperproduktiv Getriebenen wie Kevin Martin, mittlerweile vor allem aka The Bug (wer tiefer graben will, suche: Techno Animal, The Sidewinder, Ice, Experimental Audio Research, The Curse Of The Golden Vampire, God ... aber auch nach tollen Compilations wie »Macro Dub Infections«, »Isolationism« oder »Jazz Satellites«).

Zur Hochzeit des good old Dubstep jedenfalls, von dem als Quasi-Genre er sich zwar immer zu distanzieren versuchte (»Es ist kein Dub im Dubstep!«), dessen Einzelprotagonisten er aber durchaus schätzt und de facto innerhalb dessen er mit einzelnen Song-Bomben von durchschlagender Wirkung (»Skeng«!) zunehmende Popularität gewann, gastierte er zuletzt im Januar 2007 im Conne Island, flankiert von der toughen Warrior Queen und dem Tiefstimm-Grime-MC Flowdan (»Skeng«!). Aus dieser The Bug-Vor-Facebook-Zeit ist zwar leider kein Soundsystem und Crowd detailliert bewertender Klangkriegsbericht vom Maestro selbst überliefert, aber wer da war, dem klingeln beim innerlichen Rückhören bestimmt noch die Ohren. »Killer«, »Slew Dem«, »Dem A Bomb We«, »Beats, Bombs, Bass, Weapons«, »Jah War« oder »Poison Dart« hießen jedenfalls The Bug-Songs jener Zeit und »Hardcore Attitude« ist definitiv nicht umsonst ein Lieblingshieb´n´Stichwortgefüge von Kevin Martin. In jenen frühen Tagen der nicht zuletzt durch die Kooperation mit The Rootsman beförderten Einspeisung von Dancehall in seinen vielseitig geschulten Noisekosmos waren zwar auch immer eine Unmenge toller Details zu hören, aber es überwog zumeist die alles niederschmetternde Bassbreitseite, oft genug aus einer hoffnungslos überlasteten Anlage dröhnend.

Seitdem, siehe oben, sind jedoch sieben Jahre verflogen. Zwei The Bug-Alben und mehrere Veröffentlichungen mit dem melodisch-melancholischeren Projekt King Midas Sound später kehrt der mittlerweile in Berlin residierende Kevin Martin also nach Leipzig zurück. Was eine erstaunlich lange Zwischenzeit ist, wenn man bedenkt, dass es sehr gute Brücken hierher gibt, denn schließlich wohnt mit Kiki Hitomi eins der drei King Midas Sound-Mitglieder nunmehr vor Ort und der Leipziger Dubproduzent Disrupt hat mit dem dritten, dem Dub-Poeten Roger Robinson, zuletzt ein wunderbares Album auf seinem Label Jahtari vorgelegt. Auf dem Kevin Martin wiederum schon als Black Chow veröffentlichte.

Zurück kommt er mit einer programmatisch zu nehmenden Acid Ragga-Attacke, geritten zusammen mit der aus Israel und dessen 80s-affiner Reggaeszene kommenden, jetzt allerdings ebenfalls in Berlin lebenden Miss Red, die seit einem zufälligen Zusammentreffen 2011 in Tel Aviv als eine der Stimmen seiner Wahl zu den The Bug-Stamm-MCs gehört.

Acid Ragga wiederum ist Kevin Martins eigenes Label unter dem Ninja Tune-Dach, auf dem bisher drei Singles im Vorfeld zur letzten The Bug-Veröffentlichung »Angels & Devils« erschienen, und es ist als solches sein drittes, nach dem breit aufgestellten Pathological in der absoluten Frühzeit und dem gemeinsam mit The Rootsman betriebenen Razor X. Neben dem jamaikanischen Wortsprintakrobaten Daddy Freddy waren hier bisher Warrior Queen, Inga Copeland von Hype Williams und eben Miss Red zu hören. Auf Riddims, die der jamaikanischen Dancehall einen düsteren futuristischen Dreh geben und sich einbrennen, sozusagen auf angenehme Weise ätzend. Und, so viel Kontinuität darf bei aller Verfeinerungstendenz vermutet werden, sich live gnadenlos durch den Daseinsdschungel ihre brennende Schneise auf den Dancefloor schlagen werden. Miss Red, die sich in höheren Frequenzen geschmeidig über die Sounds schlängelt, legte zudem gerade ein online gedropptes Mixtape vor, produziert natürlich von The Bug und angereichert mit Tracks von Mark Pritchard und Stereotyp, das mit »Murder« definitiv angemessen betitelt ist. Erwartet also keine Gnade vom Acid Ragga-Angriff, auch nicht mit der Anlage der Distillery, aber dafür grandiose Mitraserei, wenn mensch sich drauf einlässt.


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