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Sport

Sommerfußball im Leutzscher Holz

Eintracht Frankfurt kam zum Benefizspiel gegen Chemie

  Sommerfußball im Leutzscher Holz | Eintracht Frankfurt kam zum Benefizspiel gegen Chemie

Am Sonnabendnachmittag lud der Oberligist BSG Chemie Leipzig zum Benefizspiel gegen den Bundesligisten Eintracht Frankfurt in den Alfred-Kunze-Sportpark (AKS). Der wird sehr gern als altehrwürdig beschrieben. Dies meint nichts weniger, als dass eine prima Atmosphäre herrscht, jedoch das ganze Drumherum noch reichlich weit vom 21. Jahrhundert entfernt ist. Darum und um Fanfreundschaft ging es an diesem Wochenende.

Auf dieses Ereignis arbeiteten die Leipziger und Frankfurter Fans lange hin und die Dramaturgie hätte feiner nicht abgestimmt sein können. In der »Sachsenstube« hängt seit einem Jahr das große Plakat, das ein Spiel  zwischen Chemie und der Eintracht in Frankfurt ankündigt. Am letzten Spieltag in der Sachsenliga verkündete dann der Stadionsprecher mitten im Oberliga-Aufstiegstrubel, dass sich die Fans den 3. September im Kalender rot markieren sollten. Nach dem letzten siegreichen Heimspiel gegen VfL Halle 96 vor einer Woche schwenkte Chemiekapitän Karau die Fahne mit den zwei Emblemen und läutete den Endspurt ein, bis dann am Samstag der Bundesligist und seine Anhänger in Leutzsch begrüßt werden konnten.

So trafen einige Bekannte aufeinander – die Fans sowieso, aber auch dem Eintracht-Trainer Niko Kovač ist Leutzsch nicht unbekannt, flimmerte doch in seinen Westberliner Kinder- und Jugendjahren vor der »Sportschau« am Wochenende das DDR-Pendant über die Scheibe. Chemietrainer Dietmar Demuth und der Frankfurter Kapitän Alex Meier kennen sich aus gemeinsamen Zeiten bei St. Pauli.

Aus der siegreichen Mannschaft gegen Schalke am vergangenen Wochenende schickte Kovač sechs Spieler auf den Platz – allen voran Alex Meier. Der ließ es sich nicht nehmen und brachte als Erster nach einer Ecke den Ball ins Tor. Das geschah in einer so unaufgeregten Art und Weise, dass es kaum bemerkt wurde. Was Herrn Meier sicherlich auch nicht oft passiert. Aber die Chemiker wollten laut ihrem Kapitän mindestens ein Tor schießen und Möglichkeiten dazu erarbeiteten sie sich allemal. Kurz vor dem Pausenpfiff stand Florian Schmidt allein vor dem Frankfurter Keeper, so dass ein 1:1 die Stadiontafel zur Halbzeit schmückte. In der zweiten Halbzeit ging es auf dem Spielfeld munter weiter. Die zwischenzeitliche Frankfurter Führung glich Andy Müller aus, so dass nach 90 Minuten ein Unentschieden vor ausverkauftem Hause zu Buche stand. Währenddessen und danach feierten sich die Fans gegenseitig, wobei die Frankfurter im sonst verwaisten Gästeblock ihre Erstligatauglichkeit im Stimmumfang unter Beweis stellten.

Die Diablos mit ihrer Eingangschoreografie mussten sich allerdings nicht verstecken. Wie auch auf dem Soli-T-Shirt stand der AKS mit Holztribüne, Norddamm und Vereinshaus im Mittelpunkt. Denn das sportliche Tun auf dem Platz war nur ein Teil des Ganzen. Es ging um das Stadion.

Die im Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) organisierten Vereine Viktoria 06 und Jahn waren zu Beginn der zwanziger Jahre hier zu Hause. Das Vereinshaus wurde Mitte der zwanziger Jahre errichtet. Gab es zu Beginn der dreißiger Jahre Übernahmebestrebungen durch die Rote Sporteinheit der KPD, wurden mit der Machtübernahme der Nazis die sozialdemokratischen Sportvereine aufgelöst. Davon profitierte ein anderer Leipziger Fußballverein, der sich Ende 1932 auf Betreiben des Spielautomatenfabrikanten Carl M. Schwarz gründete – der Turn- und Rasensportverein (Tura). Hier fanden Funktionäre und Spieler, die vor 1933 in Arbeitervereinen organisiert waren, einen neuen Verein. So etwa Robert Riedel, der vormals an der Bundesschule die Fußballabteilung leitete und als Trainer für die Arbeiterfußballauswahl zuständig war. Aber auch aus bürgerlichen Vereinen wechselten Spieler in die Werkself – so etwa der Eintrachtspieler Willi Lindner –, wenn auch nur für eine Saison.

Spielte die Mannschaft anfangs auf dem Sportplatz Lindenau, der sich in unmittelbarer Nähe zum Unternehmen in der Luppenstraße 1 befand, übergab im Herbst 1935 die SA den Leutzscher Platz der Tura. Nach 1945 erfolgte die Auflösung des Vereins. Hier spielte danach mit etlichen Tura-Spielern die SG Leutzsch, die die erste Stadtmeisterschaft 1946 gewann, dann als ZSG Industrie drei Jahre später die Bezirksmeisterschaft und als BSG Chemie 1951 den DDR-Meistertitel. Zu der Zeit befand sich auch die Holztribüne im Stadion. Sie gelangte 1948 von der Regattastrecke nördlich der Landauer Brücke hierher. Diese und noch viel mehr Geschichten des AKS – etwa, dass hier die ersten Gitter Mitte der sechziger Jahre zwischen Platzgeschehen und Zuschauerrängen errichtet wurden – konnten am Samstag auf Infotafeln nachgelesen werden. Sie verbanden nicht nur Episoden, sondern auch die Auflistung der so dringend anstehenden Sanierungsarbeiten.

Dafür waren die Frankfurter angetreten und brachten zusätzlich noch einen Scheck in Höhe von 10.000 Euro mit. Mögen nun sportliche Erfolge und Modernisierung Hand in Hand geschehen. Und solch ein Fußballfest öfter in Leutzsch zu erleben sein.


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