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Essen & Trinken

Leipzig calling

Gastronomen und Presseleute covern Popstars beim 11. Neujahrssingen

  Leipzig calling | Gastronomen und Presseleute covern Popstars beim 11. Neujahrssingen

Wer in der Gastronomie arbeitet, hat keinen Job wie jeder andere. Doch was sonst noch an Talenten in den Köchen und Kellnern schlummert, überrascht jedes Mal am ersten Samstag des Jahres beim Neujahrssingen, der großen Covershow.

Diesmal standen Pia Zadora & Jermain Jackson, Peter Schilling, Adele und Brian Ferry gemeinsam auf der Bühne, selbst Totgeglaubte wie Gilbert Bécaud, Frank Zappa und Louis Armstrong erlebten am Samstag im Haus Leipzig ihre Auferstehung. Was im Optimalfall wie das Original klingt, sind Wirte, Köche, Kellner und Schreiber Leipziger Medien, die nach mehr oder weniger harten Proben den Auftritt live mit der Band Paratox performen.

Die Show hat nicht nur viele Stammgäste, sondern inzwischen auch Stammsänger, wie Andreas Bürger vom Volkshaus. Produzentin Maike Beilschmidt sorgt jedes Jahr für Neuzugänge und so waren 2017 erstmals das Lokal Hundertwasser und die Lukas-Bäckerei dabei. Die Wildcard hatte sich im Vorfeld Jana Hiersemann gesichert, die man aus der Fleischerei und dem Hotel Seeblick kennt.

Was einst mit mehr oder weniger laienhaften Auftritten begann, ist zu einer professionell organisierten Show gewachsen. Wer dabei ist, hat meist auch den Ehrgeiz, authentisch rüberzukommen. Was nicht heißt, dass jeder Auftritt perfekt gelingt und jeder Ton sitzt. Angst vor Pfiffen muss aber niemand haben: Zum einen, weil das Publikum den »Stars« wohlgesonnen ist, zum andern, weil falsche Töne noch immer von zwei Backgroundsängerinnen, Berivan Kernich und Jasmin Graf, kaschiert werden. Mit »Uptown Funk« hatten sie auch einen eigenen Song, den des Peter-Cornelius-Doubles Robert Krauß vom Hundertwasser retteten sie vor dem zeitweisen Totalausfall.

Die Moderatoren Maike Beilschmidt und Mark Daniel führten souverän durch den Abend und legten bei ihrer eigenen Performance »When the Rain beginns to fall«, diesmal gleich zu Beginn die Messlatte hoch. Die nahm Ilses Erika-Mann Tim Thoelke durchaus an, als er solo »Killing in the Name« von Rage against the Maschine gab. »Losgelöst von der Erde«, aber bodenständig kam Dirk Kallenbach von der Gohliser Wirtschaft als Major Tom rüber, sympathisch die Leute vom Elsterartig als AnnenMayKantereit, gewohnt professionell und ironisch das Duo Torsten Reitler/Rick Barkawitz von der Moritzbastei, die als Münchner Freiheit »Ohne dich« diese Nacht nicht heimgehen wollten.

»Ich will Spaß«, verkündete Thomas Bach für die Straßenzeitung Kippe. Den hat jedes Jahr auch Andreas Bürger, der diesmal alias INXS »Mystify« zum Besten gab. Vom Moderator »nonchalant und saucool« angekündigt, bewegte sich Egbert Pietsch vom kreuzer bei »Let’s stick together« von Bryan Ferry auf der Bühne, stilecht im weißen Anzug mit roter Krawatte, begleitet von einem eigens engagierten Saxofonisten. Russisch angehauchte Klänge verbreitete das Duo von Horns Erben mit »Nathalie«. Textsicher erwies sich der ganze Saal bei »Er gehört zu mir«, dem obligatorischen »Publikumshit«. Kostas Kipuros, einst stilsicherer Schreiber bei der LVZ, sang als Frank Zappa im schrill-bunten Outfit dessen Hit »Bobby Brown« – gemeinsam mit Susanne Grütz, die ihn diabolisch verkleidet im schwarzen Lederkleid mit roter Peitsche begleitete. Das männliche Trio vom Restaurant Tamers setzte flankiert von zwei orientalischen Tänzerinnen mit »Kiss Kiss« von Tarkan Simarik einen eigenen Akzent.

Es gibt bei dieser Show weder Punkte noch Plätze oder sonst ein Ranking, aber gäbe es einen Publikumspreis, hätte den nach Meinung der Autorin Pavi für sich verbuchten können. Die gebürtige Philippinerin trat für Tonelli’s auf und gab »Rolling in the deep« von Adele ihren eigenen Sound – mit starker Stimme und natürlicher Ausstrahlung.

Als Überraschung des Abends wirkte Dietrich Enk vom Pilot. Für seinen Auftritt als Louis Armstrong hatte die Maske sein Gesicht dunkel geschminkt. Dass dieses Blackfacing diskriminierend und sehr umstritten ist, schien hier allerdings niemanden zu stören. Der Gastronom hatte seine stattliche Figur in edlen Zwirn gehüllt, seine Stimme tiefergelegt und leitete mit »What a wonderful world« das Finale ein.

Was diese Covershow ausmacht, ist nicht nur der Mix verschiedener Genres. Samt Moderation, Bühnenbild und Begleitmusik haben die Macher hinter den Kulissen ihren eigenen Stil gefunden. Und mit diesem erinnern sie jedes Jahr an den 2009 tödlich verunglückten Paul Fröhlich, der allen Unkenrufen zum Trotz das Neujahrssingen einst gemeinsam mit Maike Beilschmidt begründet hat.


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