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Filmkritik

Hochsaison

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Hochsaison | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Es ist bereits Tradition: Im Januar starten bei uns die besten Filme. Im Vorlauf zu den Oscars im Februar sind etwa die großartige Charakterstudie »Manchester by the Sea«, die Hollywood-Hommage »La La Land«, Natalie Portman als »Jackie« Kennedy (ab 26.1.) und die glänzend besetzte Kleinstadtganovengeschichte »Hell or High Water« zu sehen. Mit »Die Blumen von gestern« ist aber auch ein echter Überraschungshit dabei, der der deutschen Kinobranche in den Allerwertesten tritt. Gute Zeiten für Kinofreunde!

Film der Woche: Totila Blumen hat eigentlich nichts zu lachen. Der Misanthrop ist Holocaust-Forscher. Aus einer tief verwurzelten Schuld, die sein Vater auf sich geladen hat, geht er seiner Arbeit mit verbissenem Ehrgeiz nach. Darunter haben seine Kollegen zu leiden und auch seine Frau Hannah steht dem Zynismus ihres Gatten hilflos gegenüber. Als ihm ausgerechnet sein Erzfeind Balthasar Thomas die Vorbereitung des Auschwitz-Kongresses streitig macht, läuft Totila Amok. Gebremst wird er nur von der neuen Praktikantin Zazie, die selbst ein paar Leichen im Keller hat. Zazie folgt Totila wie ein Schoßhündchen. Das seltsame Gespann irritiert zunächst, entwickelt sich aber über die kaum vorhersehbaren zwei Stunden Laufzeit zu einem außergewöhnlichen Paar. Charakterkopf Lars Eidinger (»Alle anderen«) und Shooting-Star Adèle Haenel (»Das unbekannte Mädchen«) harmonieren ebenso perfekt, wie die Pointen in Chris Kraus’ aberwitzigen Drehbuch sitzen. »Die Blumen von gestern« meistert die Herausforderung, das schwierige Thema Holocaust mit bissigem Humor zu verbinden auf kongeniale Art, ohne das Sujet der Lächerlichkeit preiszugeben. Zu verdanken ist dies auch der fantastischen Besetzung, allen voran Hauptdarsteller Lars Eidinger. Eine so herrlich ätzende Figur wie sein Totila Blumen ist einzigartig im deutschen Kino. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Die Blumen von gestern«: seit 12.1., Passage Kinos

Der stille Lee und sein Neffe Patrick haben sich seit Jahren nicht gesehen. Ihr Leben liegt in Trümmern, als sie sich wieder begegnen. Lee vegetiert seit Jahren nur noch vor sich hin, seitdem ihn seine Frau Randi verlassen hat. Er hat seiner Heimatstadt den Rücken gekehrt und erst, als sein Bruder Joe stirbt, kehrt er nach Hause zurück. Joe hat veranlasst, dass sich Lee um seinen Sohn Patrick kümmert. Alles ist vorbereitet, nur Lee hat er nicht gefragt. Der will einfach nur weg, denn mit dem Ort verbindet er dunkle Erinnerungen. Doch die Trauer verbindet die beiden unterschiedlichen Charaktere und formt ein unsichtbares Band zwischen ihnen. Still, fast wie betäubt beginnt Kenneth Lonergan seine Geschichte. Der beschauliche Ort Manchester in New Hampshire ist der Schauplatz der Erinnerungen seiner Figuren. Behutsam setzt der Autorenfilmer sie zusammen, so dass sie erst am Ende ein schlüssiges Bild ergeben. Dabei füllt er seine Geschichte mit Leben, das seine Figuren greifbar macht und ihnen Konturen verleiht. Der Regisseur liefert seinem Hauptdarsteller Casey Affleck den vollen Raum zur Entfaltung seines schauspielerischen Könnens. Ein meisterhafter Film über Trauer und Hoffnung und hoffentlich der endgültige Durchbruch für einen versierten Filmemacher. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Manchester By The Sea«: ab 19.1., Passage Kinos

Eine erfolglose Schauspielerin und ein desillusionierter Jazz-Musiker treffen sich in Los Angeles – so ließe sich der recht schlichte Plot von »La La Land« zusammenfassen. Eine vermutlich alltägliche Begegnung in der Stadt der Träume, die für die beiden Möchtegern-Künstler Mia und Sebastian zunächst folgenlos bleibt. Doch in Hollywood läuft man sich ständig über den Weg: Im Restaurant, im Café, auf Partys – eben dort, wo alle hingehen, weil sie hoffen, dass auch jemand mit Einfluss auftaucht, der sie entdeckt und ihnen – am besten über Nacht – eine große Karriere eröffnet. Und so sehen sich auch Mia und Sebastian notgedrungen wieder und bald steppen und singen sie gemeinsam durch die Nacht. Regisseur Damien Chazelle erweckt das schon fast totgeglaubte Genre des Hollywood-Musicals wieder zum Leben und findet die richtige Mischung zwischen Nicht-ganz-Kitsch und Kurz-vor-Quietschbunt. Nach dem großen Überraschungserfolg seines dreifach Oscar-prämierten Jazz-Dramas »Whiplash« fand Damien Chazelle endlich die Möglichkeit, seinen Traum vom Hollywood-Musical in die Tat umzusetzen, und er hat mit Emma Stone und Ryan Gosling ein eingespieltes und immer wieder bezauberndes Leinwandpärchen zur Hand. Auch technisch ist der Film hervorragend umgesetzt: Die musikalischen Sequenzen sind fast ausnahmslos als One-Shots inszeniert. Der Musikeinsatz ist für Musical-Fans gerade ausreichend, für Musical-Muffel gerade noch nicht penetrant. Ausführliche Kritik von Hanne Biermann im aktuellen kreuzer.

»La La Land«: seit 12.1., Passage Kinos

Kambodscha: ein Land im Umbruch. Nach wie vor ist der Staat in Südostasien geprägt von Armut und den Folgen der brutalen Herrschaft der Roten Khmer. Doch die Orientierung gen Westen hat von Thailand her auch die Jugend des Landes erreicht, die in die Hauptstadt Phnom Penh strömt. Dort entsteht seit einigen Jahren ein neues Luxusviertel vor den Toren der Millionenstadt. Es hört auf den klangvollen Namen »Diamond Island« und wird vor allem von chinesischen Investoren getragen. Auch der 18-jährige Bora erhofft sich ein besseres Leben in der Metropole und verlässt das heimische Dorf. Der stille Teenager landet auf einer Großbaustelle auf der vorgelagerten Insel. Jahre zuvor brach sein Bruder ebenfalls in die Stadt auf. Bei einem nächtlichen Streifzug trifft er ihn wieder. Eine Zeit lang scheint es, als wäre das familiäre Band wieder da, und Bora erhält Einblick in die Welt der wohlhabenden Städter. Seine Freunde bleiben dabei allerdings auf der Strecke. Der in Paris lebende Filmemacher Davy Chou kehrt mit »Diamond Island« dorthin zurück, wo sein preisgekrönter Dokumentarfilm »Golden Slumbers« endete. Die Laiendarsteller, die Chou für seinen Film fand, spielen ihre Rollen überzeugend und nah an ihrem Leben. Die Bilder sind ausdrucksstark und verspielt. »Diamond Island«, der seine Premiere im Rahmen der »Semaine de la Critique« in Cannes feierte, wirft ein faszinierendes Licht auf eine Region, die für die Leinwand noch weitgehend unentdeckt ist. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Diamond Island«: ab 19.1., Cineding

Die Brüder Howard sind ein ungleiches Paar: Tanner (Ben Foster) ist ein Draufgänger, der schon mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geriet, sein jüngerer Bruder Toby (Chris Pine), ein schüchterner Durchschnittstyp. Gemeinsam begehen sie eine Serie von Banküberfällen, um die Ranch ihrer verstorbenen Eltern zu retten. Auf der anderen Seite des Gesetzes stehen Marcus Hamilton (Jeff Bridges), der kurz vor dem Ruhestand mit seinem Partner Alberto Parker (Gil Birmingham) den beiden Ganoven das Handwerk legen soll. Dabei hat er es allerdings nicht sonderlich eilig. David Mackenzie (»Hallam Foe«) hat einen wunderbar entspannten, pointierten und exzellent besetzten Auftakt im US-Independentkino hingelegt. Eine echte Überraschung in der famosen Besetzung ist Chris Pine, der auch abseits der Enterprise überzeugt. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Hell or High Water«: seit 12.1., Passage Kinos, Schauburg

Etwas läuft nicht richtig in Lucas Leben. Einen Grund, das Bett zu verlassen, gibt ihr Mata. Der kleine Hund straft sie zwar sonst weitgehend mit Missachtung, aber seine Bedürfnisse fordert er ein. Lucas andere Motivation, sich unter Leute zu begeben, ist ihr Abitur, das sie nach Jahren endlich nachholen will. Die Prüfungen stehen kurz bevor, doch ihr gewalttätiger Ex, ihre fordernde Mutter, die zu allem Überfluss auch noch ihre Lehrerin ist, und die eigenen Selbstzweifel stehen Luca im Weg. In ihrem Sitznachbarn Kurt findet sie einen Freund, der sie aus dem Loch befreit. Berlin ist auf Lucas Reise mehr als Kulisse. Regisseur Philipp Eichholtz fängt in seinen sonnendurchfluteten Digitalbildern abseits von Werbeästhetik ein Gefühl für die Stadt ein. Luca irrt schon zu lange durch die Zwischenwelt von Verantwortungslosigkeit und dem, was andere »Leben« nennen. Eichholtz gibt Hinweise auf das Davor, belässt Teile der Vergangenheit aber auch bewusst im Dunkeln. Was zählt, ist das Jetzt, und in dem bewegt sich Martina Schöne-Radunski wunderbar selbstverständlich. Ihre Begegnungen mit Menschen, die sich selbst spielen, und die Interaktion mit ihren Leinwandpartnern Hans-Heinrich Hardt als Kurt oder Claudia Jacob, die ihre Mutter verkörpert, wirken immer natürlich nahbar. Philipp Eichholtz beschreibt seinen Film, der nach dem »Sehr gute Filme Manifest« entstand, als kleinen Liebesbrief an all diejenigen, deren größter Kampf es ist, jeden Tag überhaupt aufzustehen. Ausführliche Kritik im aktuellen kreuzer.

»Luca tanzt leise«: ab 19.1., Luru Kino in der Spinnerei

 

Flimmerzeit_Dezember_2016

 

Weitere Filmtermine der Woche

Filmriss Filmquiz ... denn sie quizzen nicht, was sie tun! Die beliebte Rateshow rund ums Thema Film geht in eine neue Runde mit Fragen, Clips und Spielen und natürlich reichlich Preisen zu aktuellen Kinoproduktionen. André Thätz und Lars Tunçay servieren kurzweilige Clips und witzige Facts aus der Filmgeschichte. 18.1., 20 Uhr, Conne Island

Die Ilses Erika Kinobar Das erste und das letzte Machwerk des Surrealisten Luis Buñuel: »Ein andalusischer Hund« (F 1929) und »Dieses obskure Objekt der Begierde« (F/SP 1977). Kino im Keller mit besonderen Filmen und Bar. 18.1., 20 Uhr, Ilses Erika

Horror-Doppel mit Donis Dario Argento Spezial – »Opera« + »Suspiria« 18.1., 20 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Taipei Exchanges Eine junge Frau erfüllt sich einen Traum und eröffnet ein Café, das bald zum Austauschort für Erfahrungen und Lebensgeschichten wird. 18.1., 19 Uhr, Konfuzius-Institut Leipzig (OmeU)

The Big Short Adam McKay (»Anchorman«) bereitet die Finanzkrise 2008 gleichermaßen spannend und höchst unterhaltsam auf und kann dabei auf ein hervorragendes Ensemble bauen. 19.1., 20 Uhr, Moritzbastei

The Hunting Ground DOKversity: Kontrovers diskutierte Dokumentation über sexualisierte Gewalt an US-Hochschulen. 19.1., 18 Uhr, Campus Augustusplatz (im Hörsaal 8)

Nicht ohne uns Das Leben von 16 Kindern zwischen 9 und 12 Jahren in 15 verschiedenen Ländern. Gut beobachteter Dokumentarfilm. – Am 20.1. Premiere mit Regisseurin Sigrid Klausmann und Walter Sittler 20.1., 19 Uhr, Passage Kinos

Shorts Attack Im Fokus der Kurzfilmrolle: »Arbeit und Ekstase« – 10 Filme in 90 Minuten. 20.1., 21 Uhr, UT Connewitz

U.F.O Kurzfilmfestival Das UFO geht in eine neue Runde, vollgepackt mit 15 verschiedenen Kurzfilmen unterschiedlichster Genres, Themen und Darstellungsformen. 21.1., 20 Uhr, Werk 2/Halle A

Der traumhafte Weg Griechenland 1984. Kenneth, ein englischer Musiker, und Theres, eine junge Deutsche, singen auf der Straße, um sich ihre Ferien zu finanzieren. Sie lieben sich. Als Kenneth die Nachricht erhält, dass seine Mutter verunglückt ist, reist er überstürzt nach Hause und lässt Theres zurück. Ihm wird bewusst, wie sehr er sie braucht, aber sein Versuch, sie erneut zu gewinnen, scheitert. 30 Jahre später, in Berlin. Ariane, eine 40-jährige Fernsehschauspielerin, löst sich in einer Krise von ihrem Mann, einem erfolgreichen Anthropologen. Er zieht in ein Appartement am Hauptbahnhof. Von seinem Fenster ais, sieht er einen Obdachlosen. Es ist Kenneth, der nicht weiß, dass auch Theres inzwischen in Berlin lebt. Im Anschluss Filmgespräch mit Regisseurin Angela Schanelec. 22.1., 17 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Plätze in Städten Die 19-jährige Mimmi reist mit ihrer Klasse nach Paris und verliebt sich in einen gebundenen Mann. Das Mädchen wird schwanger ... Deutschlands einziger offizieller Beitrag 1998 in Cannes. 22.1., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Ein Sommernachtstraum »Im Rausch der Töne und Bilder« Kammermusik und Film Die Reihe bringt Kammermusik und Film in der Schaubühne zusammen. Heute ist William Shakespeare dran. Das Bläserquintett des Gewandhauses vertont Werke rund um den englischen Dramatiker. Anschließend gibt es Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« in einer Leinwandadaption von 1935 mit James Cagney, dem Star aus den Anfangstagen Hollywoods, in der Hauptrolle. 22.1., 20 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Havarie Am 14.9.2012 um 14:56 Uhr meldet das Kreuzfahrtschiff »Adventure of the Seas« der spanischen Seenotrettung die Sichtung eines havarierten Schlauchbootes mit 13 Personen an Bord. Aus einem Youtube-Clip und biografischen Szenen entsteht eine Choreografie, in der sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Reisenden auf dem Mittelmeer spiegeln. Premiere in Anwesenheit des Regisseurs Philip Scheffner 23.1., 19 Uhr, Kinobar Prager Frühling

Sand – Die neue Umweltzeitbombe Wissenschaftskino. Sand ist heutzutage Bestandteil zahlreicher Alltagsprodukte. Doch der zunehmende Abbau der Sandvorräte könnte in eine Katastrophe führen. Anschließend diskutieren Experten der HTWK Leipzig und des Umweltbundesamts Dessau-Roßlau über die Auswirkungen des Sandabbaus. 24.1., 19 Uhr, Zeitgeschichtliches Forum

Ballet Mécanique #9 Stummfilmdoppel: »Madam Dubbary« (D 1919) + »Das neue Babylon« (UdSSR 1929) Das Stummfilmdoppel im Luru, diesmal mit »Madam Dubarry«, dem deutschen Historienklassiker von Ernst Lubitsch aus dem Jahr 1919, und dem russischen Drama »Das neue Babylon« von Grigori Kosinzew und Leonid Trauberg (1929). 25.1., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

King Cobra Aufstieg und Fall einer Porno-Ikone. Eine dreckige Geschichte um Liebe, Sex und Tod, um Gier und Erfolg, um Schönheit, Jugend und Alter. ¬– QueerBlick 25.1., 20 Uhr, Passage Kinos

Lost in Translation Zwei einsame Seelen, ein mittelalter Schauspieler und eine junge Frau, begegnen sich in Tokio und verbringen dort eine gemeinsame Woche. Wunderbares Beispiel für die Darstellung von Vereinsamung, aber auch zwischenmenschlicher Wärme. Charmante, fantastisch gespielte Tragikomödie. Oscar fürs Drehbuch. – 20 Jahre Kinobar 25.1., 21 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OmU)

Seefeuer Der letztjährige Berlinale-Gewinner aus Italien erzählt die Flüchtlingskrise auf Lampedusa vom menschlichen Standpunkt aus und zeigt im Wechsel das Schicksal der Geflüchteten und der Menschen auf der Insel. – anschl. Erfahrungsbericht von L. Weinspach (Sea-Watch e. V.) 25.1., 19 Uhr, Cinémathèque in der naTo

Louisa DOKversity: Sensibles Portrait über eine gehörlose Frau, die darauf beharrt, dass nicht sie, sondern die Welt sich anpassen muss. 26.1., 18 Uhr, Campus Augustusplatz (im Hörsaal 8)

Überleben – 3 Jüdische Generationen Premiere des Dokumentarfilms der Leipziger Filmemacherin Anna Schmidt mit anschließender Podiumsdiskussion. 26.1., 19 Uhr, Passage Kinos


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