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Filmkritik

Der steinige Weg nach vorn

Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

  Der steinige Weg nach vorn | Die Kinostarts im Überblick und was sonst Filmisches in der Stadt geschieht

Zum vierten Mal bringt das Konfuzius Institut chinesisches Independentkino auf Leipziger Leinwände. Das »拆 chai. China-Filmfestival Leipzig« legt die Finger tief in die Wunden der chinesischen Gesellschaft. Die Themen reichen von Arbeit über Vertreibung und Diskriminierung bis hin zum Kampf gegen den sexuellen Missbrauch an Kindern. Viele der Filme werden von außen finanziert. Ihre Aufführung im Rahmen des Leipziger Festivals bietet einen seltenen, ungeschönten Einblick in die chinesische Realität. Schon allein deshalb ist es absolut sehenswert, was das Konfuzius Institut Leipzig da alljährlich zusammenstellt. An den drei Tagen wird es nach ausgewählten Filmen auch Gespräche mit den Filmemachern in der Cinémathèque in der naTo geben.

Film der Woche: Der Hippokratische Eid verpflichtet den Arzt dazu, Leben zu retten, wenn es in seiner Macht steht. Doch was, wenn das Leben in den Augen des Arztes nicht erhaltenswert ist, ja der Arzt selbst das Leben des Patienten bedroht? Dieses moralische Dilemma nutzt der isländische Regisseur Baltasar Kormákur für einen hochspannenden Thriller. Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Finnur. Der Kardiologe ist eine Koryphäe auf seinem Gebiet und führt ein gut situiertes Leben am Rande von Reykjavik mit seiner Frau Solveig und der kleinen Hrefna. Die ältere Tochter Anna hat das Nest bereits verlassen. Doch als sie auf die schiefe Bahn gerät und ihr neuer Freund Ottar dafür verantwortlich zu sein scheint, stellt Finnur ihn zur Rede. Ottar macht keinen Hehl aus seinen zwielichtigen Geschäften und dass Anna gerne kokst. Mehr noch, er drängt Finnur in eine Ecke, aus der er keinen Ausweg sieht und zu drastischen Mitteln greift. Kormákur (»Contraband«, »Everest«), der nach einer erfolgreichen Hollywoodkarriere in die nordische Heimat zurückkehrt, übernahm die Rolle des Protagonisten selbst und überzeugt. In der Tradition skandinavischer Krimis, denen in Sachen Spannung niemand das Wasser reichen kann, inszenierte er die Story vom aufrechten Arzt, der einen Schritt abseits des moralischen Weges macht und eine Lawine auslöst, vor der es kein Entrinnen gibt, als eiskalten Thriller. Der schwarze Humor eines »Fargo« bleibt verborgen. Meisterhaft dreht er an der Spannungsschraube und schreckt nicht vor den Konsequenzen zurück. In Island war der finstere Krimi der erfolgreichste Film des vergangenen Jahres.

»Der Eid«: ab 9.2., Passage Kinos

In einer nahen Zukunft existiert die Zivilisation, wie wir sie kennen, nicht mehr. Eine schreckliche Seuche ist ausgebrochen. Ein Parasit hat aus einem Großteil der Bevölkerung blutdurstige Bestien gemacht, die allen noch gesunden Menschen nach dem Leben trachten oder diese mit der Krankheit anstecken. So weit, so genretypisch. Die Art und Weise, wie diese Adaption des Romans »Die Berufene« von Mike Carey sich des Zombie-Themas annimmt, lässt den Film jedoch aus der Masse ähnlich gelagerter Produktionen deutlich herausstechen. Denn von Beginn an erfährt man alles über diese schreckliche neue Welt aus dem Blickwinkel einer Zehnjährigen, die auf ganz besondere Weise unter dem Pilz zu leiden hat: Melanie wurde als Fötus von ihm befallen, ist aber äußerst liebenswürdig und hochintelligent, wenngleich auch sie wie alle anderen Infizierten durch die Pheromone ihrer Mitmenschen in unkontrollierte Raserei gerät. In dem Militärlabor, in dem sie gemeinsam mit einer Gruppe gleichartiger Kinder zu Versuchszwecken gefangen gehalten wird, schützen sich die Wissenschaftler und Soldaten deshalb mit einer Creme, die ihren Eigengeruch überdeckt. Als sich die Ereignisse überschlagen, scheint es so, als könnte Melanie die letzte Hoffnung der Menschheit sein. Der britische Horrorfilm erfindet das apokalyptische Rad zwar nicht neu, bringt jedoch seine Geschichte durchdacht, vielschichtig und konsequent zu Ende. Ausführliche Kritik von Peter Hoch im aktuellen kreuzer.

: 9., 13., 15.2., CineStar

Flimmerzeit_Dezember_2016

 

Weitere Filmtermine der Woche

Lyd På Liv – Sound on Life + 69 »Lyd På Liv« porträtiert die Komponistin Else-Marie Pade, »69« wirft einen Blick auf die Räumung eines Jugendhauses am 1. März 2006 und die darauf folgenden gewaltsamen Ausschreitungen in den Straßen von Kopenhagen. 10.2., 21 Uhr, Institut für Zukunft

Sherlock Holmes Jr. Stummfilmkomödie von und mit Buster Keaton. – Kinoorgel live – Vorführung mit Live-Begleitung an der historischen Kinoorgel 10.2., 18 Uhr, Grassi-Museum Leipzig

Botticelli Inferno Kino-Dokumentation, die einen neuen Blick auf die dunkle Seite des Renaissance-Meisters Botticelli wirft. 10.2., 19 Uhr, Schaubühne Lindenfels

Double Feature: The Lego Movie & The Lego Batman Movie »ADHS – The Movie« und die frisch erschienene Fortsetzung. 11.2., 14 Uhr, 12.2., 11 Uhr, Cineplex

Ottokar, der Weltverbesserer Kinderfilm, basierend auf den Ottokar-Erzählungen von Otto Häuser. 12.2., 14 Uhr, UT Connewitz

Prityazhenie – Anziehung Russisches Kino im Original: Ein mysteriöses außerirdisches Raumschiff ist auf Moskau gestürzt. Die Stadt ist dadurch teilweise verwüstet. Die Regierung, Wissenschaftler und die Bevölkerung fragen sich, was die Außerirdischen vorhaben. Die Meinungen spalten sich in Neugier und Abscheu. 12.2., 17.30 Uhr, Cineplex (OF)

Ballet Mécanique #10 Expressionistisches Stummfilmdoppel: »Der letzte Mann« (D 1924), ein epochales Werk von Friedrich Wilhelm Murnau, und »Der Mantel« (UdSSR 1926), die Gogol-Bearbeitung von Leonid Trauberg. 15.2., 19 Uhr, Luru-Kino in der Spinnerei

Enklave Der Spielfilm schildert das Schicksal eines jungen Serben inmitten eines albanisch kontrollierten Gebiets. Mit anschließendem Gespräch mit der Schauspielerin Anica Dobra und der Psychologin Winja Lutz 16.2., 19.30 Uhr, Cinémathèque in der Nato

Barash Heranwachsen zweier Mädchen in Tel Aviv: Michal Vinik erzählt in ihrem sinnlichen Regiedebüt von erster Liebe, Liebeskummer und der Suche nach dem eigenen Ich. – Lesbian Film 16.2., 20 Uhr, Kinobar Prager Frühling (OmU)

Deutsche Pop-Zustände »Eine Geschichte rechter Musik« – über die Vereinnahmung von Popmusik durch rechte Propaganda. Den Dokumentarfilm von Dietmar Post und Lucía Palacios gibt es heute mit anschließendem Gespräch und Publikumsdiskussion mit Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs und Autor Jonas Engelmann zu sehen. 16.2., 21 Uhr, UT Connewitz

Room Ein fünfjähriger Junge und seine Mutter leben in einem kleinen Raum, in den sie ein Entführer eingesperrt hat. Exzellent inszeniertes, herausragend gespieltes Drama, das bei aller Intensität nie reißerisch wirkt. 16.2., 20 Uhr, Moritzbastei


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