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Kultur

»Feminismus ein weiteres Gesicht geben«

Die Initiatorinnen des Netzwerk »Featuring Females*« über Frauen in der Clubkultur

  »Feminismus ein weiteres Gesicht geben« | Die Initiatorinnen des Netzwerk »Featuring Females*« über Frauen in der Clubkultur

Mit einem DJ- und einem VJ-Workshop startet das Netzwerk »Featuring Females*« am kommenden Samstag eine neue Veranstaltungsreihe, mit der es sich das Stärken von Frauen in der Clubkultur zur Aufgabe gemacht hat. Drei Initiatorinnen erzählen im Interview, warum eine Diskussion zu Feminismus in Club, Kultur und Kunst notwendig ist und wie sie das erreichen wollen.

kreuzer: Ihr bebildert euren Internetauftritt mit dem Zitat »women, like men only cheaper«. Was wollt ihr damit sagen?

NEELE SCHULZ: Das stammt von den Layouterinnen Anja Kaiser und Janett Bielau. Bei diesem Spruch geht es um einen Gender-Paygap. Im kulturellen und künstlerischen Bereich ist es sehr auffallend, dass Frauen weniger Lohn bekommen. Das ist bei DJ-Gagen das Gleiche wie im Layout- und Designbereich.

kreuzer: Wie wollt ihr das ändern und wie kamt ihr dazu?

EMILIA MIGUEZ: Sarah und ich hatten die Idee, Workshops zu Djing, Vjing und digitaler Musikproduktion anzubieten. Neele hatte gleichzeitig die Idee, ein Panel und eine Clubnacht mit nur Females im Line Up im Conne Island zu machen. Dann haben wir uns einfach zusammengetan. Das ist auf jeden Fall am Sinnvollsten, weil wir so nicht nur Workshops anbieten, sondern auch eine inhaltliche Ebene und die Party haben.

SARAH LAUER: Im Conne Island gibt es ja schon eine gute Struktur und regelmäßig DJ-Workshops. Wir wollen die neue Plattform aber auch in Zukunft dafür nutzen mal andere Workshops anzubieten, beispielsweise zu analogen Geräten oder Synthesizern.

kreuzer: Woran liegt diese Unterrepräsentation von Frauen?

SCHULZ: Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir jetzt im Clubkontext versuchen, anzugehen. Aber das hat natürlich viele Gründe, die in der Sozialisation liegen. »Frauen und Technik«, der klassische Spruch, zieht sich ja bis heute durch. Frauen sind in technischen Berufen unterrepräsentiert, weil ihnen ihr ganzes Leben lang vorgehalten wird, dass das etwas für Jungs sei. Generell wollen wir mit dem Projekt das Selbstbewusstsein von Frauen im künstlerischen Bereich stärken, aber auch generell die Präsenz im Club. Die hat im letzten Jahr sehr gelitten, viele sind dem Clubbetrieb einfach ferngeblieben. »Featuring Females*« ist der Versuch, das aufzubrechen und zu zeigen: Hey, in Leipzig gibt es eine geile crowd, sowohl hinter den Plattenspielern, als Live-Act, als Designerinnen oder eben auch im Publikum. Es gibt viele Frauen, die Bock drauf haben.

kreuzer: Kollektive wie Discwoman aus New York oder Mint aus Berlin verfolgen den Ansatz der Sichtbarmachung von Frauen in der Clubszene schon länger. Wie stark beeinflussen euch diese Gruppen?

LAUER: Das hat auf jeden Fall Einfluss. Viel mehr habe ich aber Leipziger Crews vor Augen gehabt. Hier gibt es einige Gruppen, die schon Grundsteine gelegt haben, auf die wir nun aufbauen wollen. Das muss nur jetzt alles erst entstehen.

kreuzer: Welche Spezifika oder Probleme gibt es da in Leipzig?

LAUER: Leipzig hat den Vorteil, dass Crews und Projekte wie Do it herself, Homoelektrik oder Caramba dahingehend schon sehr aktiv waren und für das Thema sensibilisiert haben. Uns war aber wichtig zu fragen, ob es denn noch weitergeht und wie divers die Möglichkeiten sind. Gerade was Produktionsworkshops angeht hatten wir nicht das Gefühl, dass es in der Stadt ein kontinuierliches Angebot gibt.

MIGUEZ: Uns fallen zwar viele Frauen ein, die produzieren, aber das kriegt man gar nicht mit, das ist sehr versteckt. Die Idee ist, anzustoßen, sich zu vernetzen und vielleicht eine Gruppe zu gründen. Das muss aber jetzt alles erst entstehen.

SCHULZ: Mir war es auch wichtig, dass man die bestehenden Strukturen im Conne Island und im IfZ hinterfragt. Denn das sind die Räume, in denen man das machen kann. Und ich glaube, dass andere Clubs dann auch automatisch nachziehen.

Kreuzer: Aus welchen Kontexten kommt ihr selbst?

SCHULZ: Ich bin im Conne Island als Bookerin angestellt und bin selbst DJ und Teil des Girlz Edit Kollektivs. Daher kenne ich auch Sarah und Emilia, wir haben schon viel zusammen gemacht, wie auflegen Clubabende oder Diskussionsveranstaltungen.

MIGUEZ: Ich bin im Kulturraum e.V. aktiv und im Institut fuer Zukunft tätig. Im IfZ habe ich in der Abendleitung, Orga und in der Öffentlichkeitsarbeit gearbeitet, daher kenne ich die Club - Strukturen und weiß, was hinter den Türen so passiert. Und ab und zu lege ich auch auf.

LAUER: Ich bin wie Emilia im IfZ und im Kulturraum e.V. aktiv, DJ und Mitveranstalterin der No Show-Partyreihe. Kooperationen zwischen dem Conne Island und dem Kulturraum e.V. gab es eigentlich von Anfang an.

MIGUEZ: Wir haben auch schon die letzten Jahre Veranstaltungen gemacht, zum Beispiel eine Podiumsdiskussion zu Definitionsmacht oder zu Frauen in der elektronischen Musik. Unter dem Label »Featuring Females*« wollen wir das nun richtig aufbauen und als Netzwerk fungieren.

kreuzer: Wofür steht das Sternchen im Namen?

MIGUEZ: Wir haben uns dazu entschieden, unsere inhaltlichen Veranstaltungen auf die gesellschaftliche Rolle von Frauen zu beziehen, solidarisieren uns jedoch mit allen Menschen, die den gesellschaftlichen Normen von Geschlecht, Geschlechtsidentität und/oder sexueller Orientierung nicht entsprechen. Auch unsere Workshops sind offen für Frauen, Trans- und Interpersonen. Das Sternchen schließt diese mit ein.

kreuzer: Die Reihe besteht nicht nur aus den angesprochen Workshops und der Party, sondern auch aus einer Filmvorführung und zwei Podiumsdiskussionen. Ist Clubkultur für euch ein politisches Feld?

LAUER: Ja, auf jeden Fall. Im Club spiegeln sich die gesellschaftlichen Strukturen, Hierarchien und Problematiken wider. Deshalb finde ich es extrem wichtig, in einem kleineren Rahmen, in dem die Möglichkeit besteht, Dinge anders anzugehen und zu reflektieren.

MIGUEZ: Auch, wenn die gesellschaftliche Einbettung eine Rolle spielt, legen wir den Fokus diesmal mehr auf die Strukturen im Club. Eines der Podien ist in Kooperation mit dem Balance Festival, das sich mit genau dieser Thematik, wie Clubkultur und Gesellschaft sich beeinflussen, reflektiert.

kreuzer: Welche langfristigen Ziele verfolgt ihr mit dem Projekt?

SCHULZ: Sehr wichtig ist uns vor allem eine gute Vernetzung. Es gibt zwar viele Crews, aber die haben nicht so viel miteinander zu tun. Das ist jetzt der Versuch, diesen Stein auch überregional ins Rollen zu bringen. Außerdem wollen wir das Selbstbewusstsein der Frauen im Club langfristig stärken.

LAUER: Ich fände es auch gut, wenn sich eine Workshopstruktur mit breiterem Angebot etablieren würde.

SCHULZ: Außerdem wollen wir das Problem an der Wurzel packen und über genderbezogene Rollen im Booking und den Agenturen sprechen. Da liegt eigentlich das ursprüngliche Problem, weil es eine Frauenstruktur einfach nicht gibt und Männer dann eher ihre Kumpels buchen, als Frauen, die genauso gut sind. Da fehlt der objektive Blick.

MIGUEZ: Wir wollen Feminismus dadurch ein weiteres Gesicht geben. Es ist nach wie vor wichtig, eine feministische Position zu vertreten. Das muss aber nicht nur in Lesekreisen oder Selbstverteidigung von Frauen stattfinden, sondern kann sich auch darin widerspiegeln, dass man Musik macht und Parties organisiert.


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