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Konzertkritik

Hell und dunkel

Festivaltagebuch: Licht satt, Regenvarianzen und ein Modetipp beim Party.San

  Hell und dunkel | Festivaltagebuch: Licht satt, Regenvarianzen und ein Modetipp beim Party.San

Beginnen wir mit dem Wichtigsten: dem Style. Wenn Sie Frontfigur einer Metalband – nennen wir sie Vital Remains, Aura Noir oder Kalmah – sind und sich im schwarzen Ärmellosen in Szene setzen wollen, dann achten Sie auf Ihren Teint. T-Shirt-Bräune wirkt leicht lächerlich unter der fiesen Lederweste oder dem lässigen Tanktop. Mehr zu meckern gibt es eigentlich nicht übers Party.San Open Air (PSOA), das von Donnerstag bis Samstag über die Bühne ging. Rund 10.000 Leute pilgerten zum nordthüringischen Flecken in der Nähe von Mühlhausen, um überwiegend bei von Regen und Wind dominiertem Schietwetter die Hölle auf Erden zu errichten, wie sich das über der Bühne prangende Motto »Hell is here« pathetisch übertragen lässt.

Stimmungstechnisch wirkten sich die widrigen Verhältnisse allerdings nicht negativ aus. Mensch Metaller von heute ist robust und kann zur Not auch einen Regenschirm bedienen. Etwas mehr als 50 Bands der extremeren Spielarten fuhr die PSOA-Crew auf. Einmal mehr bewies sie ein Händchen für eine abwechslungsreiche Mischung. In diesem Jahr war der Grindfaktor gering, dafür war relativ viel Old-School-Kram zu sehen, war die Extravaganz eher niedrig. Das war aber zu verkraften, denn mit gestandenen Kapellen wie Demolition Hammer und Aura Noir war der Thrash-Faktor deftig, die ersten gerade raus nach vorn, während die anderen noch eine gut-groovige Portion Rock’n’Roll beifügten. Den alten Granden nahm man das ab, absolut überraschend vital zeigten sich auch Over Kill, die die Alte-Herren-Riege – wenn der Autor richtig zählte, dann waren auf dem gesamten Festival nur zwei Frauen auf der Bühne – hinsichtlich der Spielfreude anführten. Fasst 40 Jahre sind sie in Sachen Thrash unterwegs, ließen aber als einer der Headliner keine Routine aufkommen.

Persönliche Favoriten waren Humiliation, die selbst etwas überrascht schienen über den großen Zuspruch und ihre schüchternen Ansagen mit an Bolt Thrower geschultem Death Metal aufwogen. Schöner Gig und interessant zu sehen, wie sich die Malaien immer mehr auch hier einen Namen machen. Über Nile brauchen wir an dieser Stelle wohl gar nicht sprechen. Sie trieben ihren technischen Death zum Extrem, extrem schnell klackten die Drums, begleiteten die stampfenden Gitarren Texte über ägyptische Mythologie und Todeskulte. Dank sehr klarem Sound, war jedes musikalische Detail herauszuhören, so dass es eine Freude war. Jemand meinte, solch technische Perfektion sei ja schön und gut, aber Groove und Rasanz bekämen nur Dying Fetus hin. Das stimmt nicht ganz, aber es ist was dran. Nur können die eben auch nicht jedes Jahr auf dem PSOA auftreten. Erst anno 2016 waren sie da. Und Nile ließen beim geneigten Publikum schon das Tanzbein kreisen.

Noch ein Lob muss man den Machern in den Skat drücken. Die Lichtshows waren fantastisch dieses Mal. Zig mobile Strahler – fachmännisch wohl Moving Heads genannt, wie ich hörte –, malten Stahlgewitter in den Raum, fächerten vielfarbig auf. Da braucht es eigentlich keine Feuertöpfe mehr. Die Knipser von Metal Impetus werden das wieder fotografisch fein eingefangen haben.

Ein bisschen fehlten im Booking innovationsfreudige Bands. Das Duo Mantar – vor zwei Jahren im PSOA-Zelt lieferte es eine tighte Show – verlor sich auf großer Bühne. Es fehlten Druck und Varianz. Richtig hineinfinden vermochte ich mich bei den wohl experimentellsten Musikern: Die zwei Zauberlehrlinge von Urfaust köchelten ihren Kernpudel auf Ambient-Doom hinunter, der in Regen und nur leise schwindendem Tageslicht verpuffte. Während Inquisition (auch nur zwei Musiker) das machten, wie Immortal heute klingen müsste, punktete deren Ex-Sänger Abbath immerhin in einer anderen Hinsicht. Das verkackteste Wortspiel des Festivals kam von ihm, spontan war es auch nicht. »Hello Parmesan, ähm: Party.San.«, witzelte er in einer Ansage, war ansonsten aber weniger divenhaft als sonst unterwegs. Vielleicht hat ihn sein Fehltritt kürzlich auf den Metaldays etwas geerdet. Abstruser noch war jene Ansage vom Kalmah-Sänger Pekka Kokko, der optisch einer Villian-Horde aus »Conan« oder »Red Sonja« hätte entspringen können: »Was ist denn das für ein Scheißsommer in Deutschland. Das ist ja wie in Finnland. Dort gibt’s übrigens Trolle. Der nächste Song handelt von Trollen.« Selbst solche Ausfälle nahmen die Besucher gelassen, wie das Wetter und T-Shirt-Bräune.


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