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Vom Zweig zur Wurzel

Die Traditionelle Chinesische Medizin bietet weit mehr als Akupunktur

  Vom Zweig zur Wurzel | Die Traditionelle Chinesische Medizin bietet weit mehr als Akupunktur

Die naturheilkundliche Praxis von Gregor Schumann ist in Weiß, Grün und mit hellem Holz eingerichtet. In den Schränken stehen medizinische Bücher, in den Behandlungsräumen Liegen. Die Atmosphäre ist auf eine nüchterne Art angenehm und ruhig. An Asien erinnert wenig, obwohl er hier zusammen mit einem Kollegen hauptsächlich Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) praktiziert. Man muss schon ein wenig genauer hinsehen, um die feinen Akupunkturnadeln in den Regalen zu entdecken.

Akupunktur ist wohl das, was die meisten Menschen in Deutschland mit der asiatischen Heilkunde verbinden. »Akupunktur ist hier am bekanntesten, dann erst folgt die Kräutertherapie«, erläutert Gregor Schumann. »In China ist insgesamt die Kräutertherapie verbreiteter, Akupunktur wird dort wenn, dann vor allem bei orthopädischen und neurologischen Erkrankungen eingesetzt, also bei Problemen von Gelenken, Muskulatur und Faszien.« Neben diesen beiden Behandlungsmethoden gibt es noch drei weitere in der TCM: Bewegungs- (Taichi und Qigong) und Ernährungstherapie sowie manuelle Verfahren wie Tuina oder Shiatsu (Massagen). Zusammen bilden sie die »fünf Säulen« der chinesischen Medizin.

Am Anfang einer Behandlung steht jedoch immer ein ausgiebiges Gespräch zwischen Patient und Behandler. Für die Diagnostik nimmt Schumann sich etwa zwei Stunden Zeit und stellt viele Fragen, um beispielsweise herauszufinden, welcher Art ein Schmerz ist – dauerhaft, tageszeitlich auftretend oder wetterbedingt? Er fragt auch andere Sachen ab, die nicht unmittelbar dazuzugehören scheinen: Ob der Patient eine Erkältung hatte? Ob er fröstelt oder sich erschöpft fühlt?

»Ein Gelenkschmerz ist für mich nicht nur ein Problem am Gelenk«, sagt der 36-Jährige. »In der TCM wird unterschieden zwischen Zweig- und Wurzelbehandlung. Der Zweig bedeutet: Wie zeigt sich eine Erkrankung? Die Wurzel bedeutet: Was liegt darunter?«

Um eine Diagnose zu stellen, untersucht er immer Puls, Zunge und Bauch, egal mit welchen Beschwerden ein Patient zu ihm kommt. »Die Pulsdiagnose ist das sensitivste Untersuchungsverfahren. Es ist am schwersten zu erlernen, bringt in der Diagnostik aber die meiste Klarheit«, so Schumann. »Die Pulsqualität verändert sich mit jeder Emotion, jeder Jahreszeit, jedem Gesundheitszustand. Die Untersuchungen von Zunge und Bauch vervollständigen die Diagnostik, um die letzte Klarheit über die vorherrschenden Krankheitsmechanismen im Körper zu bekommen.«

Für die Diagnose untersucht er Puls, Zunge und Bauch

Wie in verschiedenen asiatischen Lehren üblich, etwa in den Kampfkünsten, dreht sich alles 
um das Qi; ein sehr komplexes Konzept von der Lebensenergie, ihrer Dynamik und den vielfältigen Techniken, ein Gleichgewicht zwischen polarisierenden Gegensätzen herzustellen und gestockte Energieflüsse wieder zu harmonisieren.

Obwohl Schumann in seiner Praxis ohne westliche Medizin auszukommen versucht, ist 
ihm diese dennoch bestens vertraut. Er hat in Dresden Medizin studiert und die dreijährige TCM-Ausbildung begonnen, während er als Assistenzarzt tätig war. Das Medizinstudium ist eine der beiden Zugangsmöglichkeiten, um nach der Ausbildung TCM anwenden zu dürfen. Der andere Weg führt über den Heilpraktikerabschluss.

Seine Patienten haben unterschiedliche Motive, die vertrauten Pfade der westlichen Medizin zu verlassen und unbekanntes Terrain zu betreten. Einige haben schlechte Erfahrungen mit der Schulmedizin gemacht, bei anderen wissen Ärzte nicht, wie sie sie noch weiterbehandeln sollen, und wieder anderen Patienten ist die konventionelle Behandlungsmethode zu stark, sie möchten eine OP oder die Einnahme von Kortison vermeiden.

Zur Überprüfung des Heilungserfolgs kommt Schumann aber gern auf die westliche Medizin zurück und nutzt unter anderem Ultraschalluntersuchungen, um sich beispielsweise davon zu überzeugen, dass eine Zyste wirklich verschwunden ist. Das standardmäßige Testen von Hormonen oder Blutwerten lehnt er dagegen ab, lieber betrachtet er den Menschen und seine Symptome individuell. Dafür muss er bei der TCM den eigenen Sinnen vertrauen statt medizinischen Geräten, um eine Diagnose zu stellen – etwas, wofür er seine Arbeit liebt: »Ich finde dort das, was ich mir unter dem Arztberuf immer vorgestellt habe.« Deshalb bietet Schumann sein Wissen auch nicht nur als Bonus zur Schulmedizin an, wie es einige Kollegen tun. Er setzt voll und ganz auf die alte chinesische Heilkunst, weil er findet, dass ihm diese Methode alles an die Hand gibt.


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